Supreme Court:Doppelt und dreifach so hart gearbeitet wie jeder weiße Mann

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Ketanji Brown Jackson soll in den kommenden Tagen vom Justizausschuss und vom ganzen Senat berufen werden. (Foto: J. Scott Applewhite/AP)

Ketanji Brown Jackson soll als erste schwarze Frau ans Oberste Gericht der USA berufen werden. Sie sieht sich deshalb manch seltsamen Fragen ausgesetzt - auch von Frauen.

Von Hubert Wetzel, Washington

Es kommt nicht oft vor, dass in einer Anhörung vor dem US-Senat Ginger Rogers zitiert wird. Zumal nicht, wenn diese Anhörung im Justizausschuss stattfindet und es um die Ernennung einer neuen Richterin am Supreme Court geht. Bei solchen Gelegenheiten berufen sich die Senatorinnen und Senatoren normalerweise auf andere, gewichtigere historische Persönlichkeiten als die legendäre Schauspielerin und Tänzerin aus Hollywood.

Vor einigen Tagen war das anders. Im Ausschuss saß Ketanji Brown Jackson, zur Debatte stand ihre Berufung an den Obersten Gerichtshof. Präsident Joe Biden hat sie für das Amt nominiert - als erste schwarze Frau. Und als der demokratische Senator Cory Booker an der Reihe war, ein paar Worte zu sagen, wiederholte er einen Satz, den Rogers einmal über ihren kaum weniger legendären und ebenso leichtfüßigen Filmpartner gesagt hat: "Ich habe alles getan, was Fred Astaire getan hat, nur rückwärts und in hochhackigen Schuhen." Das, so Bookers Botschaft, sei der Grund, warum Jackson heute hier säße - weil sie doppelt und dreifach so hart gearbeitet habe wie jeder weiße Mann, um es als Frau und Afroamerikanerin so weit zu schaffen wie sie.

Was Jacksons Lebenslauf angeht, hat Booker sicherlich recht. Jackson wurde 1970 in Washington, D.C., geboren und wuchs in Miami auf, ihr Vater war Justiziar, ihre Mutter leitete eine Schule. Das war ein solides Mittelklasseumfeld, aber nicht unbedingt das, woraus Amerikas bizarr teure und elitäre Spitzenuniversitäten ihre Studenten rekrutieren. Jackson schaffte es trotzdem nach Harvard, 1996 machte sie dort ihren Abschluss in Jura.

An der Mehrheit der Konservativen wird ihre Berufung nichts ändern

Danach arbeitete Jackson für verschiedene US-Bundesrichter, bevor sie 2012 von Präsident Barack Obama als Richterin an ein Bundesgericht in Washington berufen wurde. 2021 beförderte Präsident Biden sie an das wichtigste Bundesberufungsgericht des Landes, vor dem viele politisch heikle Fälle landen, den United States Court of Appeals for the District of Columbia Circuit. Im Februar 2022 schlug Biden Jackson dann als Nachfolgerin für den liberalen Verfassungsrichter Stephen Breyer vor, der in den Ruhestand geht.

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An der Sechs-zu-drei-Stimmenmehrheit, die die Konservativen derzeit am Supreme Court haben, ändert Jacksons Berufung also nichts - eine linke Richterin ersetzt einen linken Richter. Dass Jackson hinreichend qualifiziert ist, um das Amt auszufüllen, bezweifeln Fachleute ebenso wenig. Grund für einen großen Kampf zwischen Demokraten und Republikanern gibt es daher nicht, eigentlich müsste die Personalie den Senat problemlos passieren können.

Doch Jacksons Bestätigungsanhörungen haben wieder einmal gezeigt, wie politisiert das amerikanische Verfassungsgericht inzwischen ist, und wie sehr der ewige Kulturkrieg im Land auch diese Institution vergiftet, die zumindest halbwegs neutral über dem Parteiengezänk stehen sollte. Ob sie den Begriff "Frau" definieren könne, wurde Jackson zum Beispiel von einer konservativen Senatorin gefragt. Nein, antwortete Jackson, sie sei schließlich keine Biologin. Das war eine seltsame Frage an eine Kandidatin für ein juristisches Amt, allerdings auch eine seltsame Antwort von einer Bewerberin, deren Berufung ja ausdrücklich deswegen als historisch gilt, weil sie eine schwarze Frau ist. Aber Frage wie Antwort entsprangen wohl eher dem Kalkül, einem bestimmten, aktivistischen Publikum zu gefallen, weniger der Informationsvermittlung.

Daran, dass Ketanji Brown Jackson demnächst als erste schwarze Richterin ein Amt am Supreme Court antreten wird, ändern die Querschüsse der Republikaner aber wohl nichts. Die Demokraten haben genügend Stimmen, um sie zu bestätigen. Sofern nichts dramatisch schiefgeht, sollte Jackson in den kommenden Tagen zunächst vom Justizausschuss und dann vom vollen Senat gebilligt werden.

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