Sudan:Der Krieg im Schatten anderer Kriege

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Allein in das Nachbarland Tschad haben sich Hunderttausende Sudanesinnen und Sudanesen geflüchtet. (Foto: JORIS BOLOMEY/AFP)

Wegen des bewaffneten Konflikts in ihrem Heimatland stehen Millionen Sudanesen vor einer Hungersnot. Bei einem Treffen in Paris versprechen Regierungsvertreter aus Europa und Afrika Hilfe. Doch wie gelangt sie zu den Menschen?

Von Paul-Anton Krüger, Paris

Frankreichs Außenminister Stéphane Séjourné versucht es mit einer Zusicherung an die Sudanesinnen und Sudanesen: "Wir haben Sie nicht vergessen", sagt er im prächtigen Großen Speisesaal seines Amtssitzes am Quai d'Orsay in Paris, umringt von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell und dem für humanitäre Hilfe und Krisen zuständigen EU-Kommissar Janez Lenarčič. "Wir setzen heute eine vergessene Krise auf die Tagesordnung", fährt der Gastgeber fort.

Zusammen mit Deutschland und der EU hat sein Land zu einer Sudan-Konferenz eingeladen, ein Jahr nach Ausbruch des neuen Kriegs. Die Armee unter dem Militärmachthaber General Abdel Fattah al-Burhan kämpft gegen die sogenannten Rapid Support Forces (RFS) von General Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemeti. In der Region um die Hauptstadt Khartum gibt es schwere Kriegsschäden. Mindestens 15 000 Menschen wurden bei den Kämpfen getötet, die tatsächlichen Zahlen liegen vermutlich weit höher. Etwa 8,6 Millionen Menschen hat der Krieg aus ihrer Heimat vertrieben. Die Hälfte der Bevölkerung von mehr als 51 Millionen Menschen ist laut den Vereinten Nationen auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Es gibt zu wenig Hilfe - und die kommt oft nicht durch

Die Welt hat den Konflikt zunehmend aus den Augen verloren, nachdem westliche Staaten ihre Bürger per Luftbrücke ausgeflogen hatten. Nur sechs Prozent des Betrags von 2,5 Milliarden Euro, den die UN für die humanitäre Hilfe als notwendig erachten, waren vor der Konferenz zugesagt. Allerdings kommt die Hilfe vielerorts auch wegen der Kämpfe gar nicht zu den Menschen durch.

Die Konferenz in Paris, eigentlich drei Konferenzen in einer, sollte nun dazu beitragen, die Lage zu verbessern, wurde aber überschattet von dem Angriff Irans auf Israel in der Nacht zum Sonntag. Schon zuvor war der Konflikt im Sudan vor dem Krieg im Gazastreifen in den Hintergrund getreten, auch wenn Hilfsorganisationen eindringlich warnen, die Lage im Sudan sei dabei, sich "zur größten humanitären Krise der letzten Jahrzehnte zu entwickeln", wie es Amy Pope, die Chefin der Internationalen Organisation für Migration, formuliert.

Hilferufe im prächtigen Rahmen: Außenministerin Annalena Baerbock und ihr französischer Kollege Stéphane Séjourné (re.) während der Konferenz in Paris. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

In Paris fanden sich am Montagvormittag Vertreter von etwa 60 Staaten aus der Region und Europa zusammen, um über politische Fortschritte hin zu einer Waffenruhe zu beraten. Alle Vermittlungsbemühungen sind bislang ohne Erfolg geblieben, so die Verhandlungen im saudischen Dschiddah, bei denen Saudi-Arabien und die USA vermittelten, aber auch eine Initiative Ägyptens oder Vorstöße von Regionalorganisationen wie der Afrikanischen Union. In Paris einigten sich die Staaten nun darauf, wie die unterschiedlichen Initiativen besser miteinander verknüpft werden sollen. Die Kriegsparteien selbst waren nicht eingeladen.

Ohne Einmischung von außen wären die Kämpfe womöglich schnell vorbei

Zudem ging es darum, auf jene Regionalmächte einzuwirken, von denen die beiden Seiten Unterstützung erhalten. Öffentlich genannt wurden sie in Paris nicht, um Vermittlungsbemühungen nicht zu erschweren. Hinlänglich bekannt aber ist, dass die Vereinigten Arabischen Emirate die RSF unterstützen, auch mit Waffenlieferungen, Ägypten dagegen Armeechef al-Burhan zur Seite steht. Ohne die Einmischung von außen wären die Kämpfe möglicherweise schnell vorbei. Die rivalisierenden Militärführer hätten beide mit einem schnellen Sieg gerechnet, könnten den Konflikt auf absehbare Zeit militärisch aber nicht für sich entscheiden, lautet die Analyse westlicher Diplomaten.

Am Nachmittag folgte eine Geberkonferenz. Konkrete Verbesserungen für die Not leidende Bevölkerung hängen aber nicht alleine davon ab, ob genug Geld für humanitäre Hilfe zusammenkommt, sondern auch davon, dass Organisationen diese im Land verteilen können. Das ist derzeit in vielen Gebieten nicht der Fall.

Außenministerin Baerbock kündigte bereits am Vormittag an, dass die Bundesregierung 244 Millionen Euro zur Verfügung stellt. Sie rief andere Staaten auf, sich "ein Herz zu nehmen und ihren Beitrag ebenso zu leisten". Die EU will laut Kommissar Lenarčič im Jahr 2024 fast 355 Millionen Euro bereitstellen. Frankreich wollte nach Informationen aus Diplomatenkreisen 110 Millionen Euro geben, die US-Regierung 147 Millionen US-Dollar. Wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Montag bekanntgab, summierten sich die Beträge letztlich auf mehr als zwei Milliarden Euro, die der Sudan erhalten soll. Zuvor hatten die Organisatoren gehofft, es könnte mehr als eine Milliarde Euro werden.

Parallel zu den beiden Sitzungen brachten die Ausrichter auch Vertreter der sudanesischen Zivilgesellschaft zusammen. Unter ihnen war der frühere Premier der zivilen Regierung vor dem Militärputsch 2021, Abdalla Hamdok, den Baerbock zu einer Unterredung traf. Hamdok habe davor gewarnt, dass sich der Krieg verfestigen und zu einem Zerfall des Landes führen könnte, heißt es aus deutschen Delegationskreisen. Dann drohten weitere massenhafte Not, Flucht und Vertreibung.

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