Union:Söder fordert Neuwahl

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Seite an Seite für die Schuldenbremse: CDU-Chef Friedrich Merz (li.) und der CSU-Vorsitzende Markus Söder. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Der CSU-Chef sieht eine "Staatskrise" und verlangt, den Bundestag vorzeitig aufzulösen. Er hat auch schon eine feste Vorstellung davon, an welchem Tag die Wähler abstimmen könnten - und welche Koalition danach regieren soll.

Von Robert Roßmann, Berlin

CSU-Chef Markus Söder verlangt eine vorgezogene Neuwahl des Bundestags. Als Termin schlägt er den 9. Juni 2024 vor - an dem Tag soll bereits die Europawahl stattfinden. Regulär wird der Bundestag erst im Herbst 2025 wieder gewählt.

Er glaube nicht daran, dass die Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) noch die Kraft habe, die aktuellen Probleme des Landes zu lösen, sagte Söder am Montag mit Verweis auf die Haushaltskrise und den Streit in der Ampelkoalition. Die Fliehkräfte in dem Dreierbündnis seien groß, die "innere Substanz" schwinde, deshalb "wäre eine vorzeitige Neuwahl der richtige Weg". Die Ampelregierung sollte jetzt die Vertrauensfrage stellen, "nicht im Parlament, sondern vor dem deutschen Volk".

Erst vor einem Monat hatte er einen anderen Vorschlag

Mit seinem Vorstoß ändert Söder seinen Kurs. Erst vor einem Monat hatte er die Bildung einer "Regierung der nationalen Vernunft" verlangt. Damals wollte er, dass der Bundeskanzler die FDP und die Grünen aus der Regierung wirft und stattdessen die Union als Juniorpartner in sein Kabinett holt. Damit hatte der CSU-Chef Unmut in der CDU ausgelöst. Warum sollte die Union als Juniorpartner in ein Bündnis mit der SPD gehen, obwohl sie in den Umfragen gerade doppelt so stark wie die Sozialdemokraten ist, wurde damals in der CDU-Spitze gefragt.

In der CDU war man über den unabgesprochenen Vorschlag Söders ausgesprochen verärgert - auch weil Generalsekretär Carsten Linnemann wenige Tage zuvor den Kurs seiner Partei öffentlich vorgegeben hatte. "Wenn sich diese Bundesregierung nicht zusammenrauft und zerbricht, geht kein Weg an Neuwahlen vorbei", hatte Linnemann damals gesagt. Jetzt ist Söder auf diesen CDU-Kurs eingeschwenkt. Er begründet das damit, dass sich die Lage nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Staatsfinanzen deutlich verschärft habe. Diese "Klatsche" für die Ampelkoalition habe die Regierung "in eine absolute Notlage" gebracht, Deutschland sei jetzt in einer "Staatskrise".

So einfach lässt sich das Parlament nicht auflösen

Der Weg zu einer Neuwahl ist allerdings nicht so einfach, wie Söder den Eindruck erweckt. Selbst wenn der Bundeskanzler eine anstreben würde - und dafür gibt es nicht die geringsten Anzeichen -, könnte er eine solche Wahl nicht von sich aus erzwingen. Die Opposition kann das erst recht nicht. Bei einem Scheitern der Ampelkoalition würde Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vermutlich verlangen, dass erst andere mögliche Bündnisse sondiert werden, bevor er eine Neuwahl zulässt. Die Union könnte sich dann gedrängt sehen, erst einmal über eine rot-schwarze oder über eine Jamaika-Koalition reden zu müssen.

Söder verlangte am Montag aber nicht nur eine vorgezogene Bundestagswahl, er forderte auch, nach dieser Wahl eine Koalition aus Union und SPD zu bilden. Schwarz-Grün sei "kein echtes Zukunftsmodell für große Probleme", sagte der CSU-Chef. Es sei "ein gutes Modell für schöne Zeiten, aber für schwere Zeiten einfach nicht".

In der unionsinternen Debatte über den Umgang mit der Schuldenbremse stellte sich Söder klar hinter den Kurs von Friedrich Merz. Der CDU-Vorsitzende verteidigt die Bremse vehement. Das Grundgesetz schütze mit ihr "die Staatsfinanzen vor dem allzu dreisten Zugriff der Regierenden, es schützt auch den Haushaltsgesetzgeber vor sich selbst, und es schützt die Spielräume in den öffentlichen Haushalten für zukünftige Generationen", findet Merz. Das könnte man auch "Nachhaltigkeit" in den Staatsfinanzen nennen, "ein Begriff, den SPD und Grüne in jeder umweltpolitischen Debatte gern im Munde führen, in den Haushaltsberatungen dagegen nie".

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In der vergangenen Woche hatten sich allerdings gleich drei CDU-Ministerpräsidenten für Änderungen an der Schuldenbremse offen gezeigt. Am deutlichsten war dabei Kai Wegner, der Regierende Bürgermeister von Berlin, geworden. Die Schuldenbremse sei "im Sinne solider Finanzen" zwar eine gute Idee, hatte Wegner auf der Plattform X geschrieben. Ihre derzeitige Ausgestaltung halte er "allerdings für gefährlich". Es sei zu befürchten, "dass die Schuldenbremse mehr und mehr zur Zukunftsbremse" werde. Auch die Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt) und Michael Kretschmer (Sachsen) hatten Veränderungsbereitschaft signalisiert. Und in Schleswig-Holstein musste die Regierung von Daniel Günther bereits eine Haushaltsnotlage feststellen lassen.

Söder sagte, er habe ja Verständnis für die Haushaltsprobleme, die der ein oder andere habe. Und man sei "immer bereit, Deutschland zu helfen". Aber die Hilfe liege nicht darin, die Schuldenbremse abzuschaffen, aufzuweichen oder "neu umzudekorieren". Das lehne er ab, sagte Söder. Und da seien "sich die Spitzen von CDU und CSU einig". Er wolle deshalb eine ganz klare Botschaft an alle senden, "die jetzt in der Union diskutieren": Eine Abschaffung, Aufweichung, Modellierung oder Neuorientierung der Schuldenbremse "ist der falsche Weg".

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