Schweden:Koran anzünden wieder erlaubt

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Nachdem der Rechtsextremist Rasmus Paludan im Januar in Stockholm einen Koran verbrannt hat, gab es Proteste vor dem schwedischen Generalkonsulat in Istanbul. (Foto: Yasin Akgul /AFP)

Ein Gericht in Stockholm kassiert das vor Kurzem erlassene Verbot ein, auf Demonstrationen die heilige Schrift des Islams zu verbrennen.

Von Alex Rühle, Stockholm

Der 4. April war ein bitterer Tag für Schweden: Man hatte vor knapp einem Jahr gemeinsam mit Finnland den Aufnahmeantrag bei der Nato gestellt, man wollte gemeinsam und zeitgleich beitreten. Alles lief zunächst nach Plan, 28 der 30 Mitgliedsländer unterschrieben reihum die beiden Gesuche.

Doch dann stellte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan unannehmbare Forderungen an Schweden, unter anderem, indem er die Auslieferung schwedischer Staatsbürger forderte, die in seinen Augen Terroristen sind. Erschwerend kam hinzu, dass prokurdische Demonstranten im Januar eine Erdoğan-Puppe an den Füßen aufhängten, und, schlimmer noch, dass der dänisch-schwedische Rechtsextremist Rasmus Paludan in Stockholm einen Koran verbrannte. Nach dieser Aktion vor der türkischen Botschaft brach Ankara die Gespräche mit Schweden ab.

Und so wurde am Dienstag nur die finnische Fahne vor dem Nato-Hauptquartier in Brüssel gehisst. Schweden muss weiter um seine Aufnahme in das Verteidigungsbündnis bangen, zumal da auch noch der Zocker und Zyniker Viktor Orbán in Budapest sein politisches Süppchen kocht. Er konnte auch auf wiederholte Anfrage der schwedischen Regierung nicht wirklich erklären, warum Ungarn bisher dem Antrag aus Stockholm die Unterschrift verweigert, Finnland aber durchgewinkt wurde.

Die Bedrohungslage reiche nicht aus, um die Demonstrationsfreiheit einzuschränken

Das Urteil, das die Richterin Eva-Lotta Hedin nun ausgerechnet an diesem ohnehin so schwarzen Tag verlas, düsterte die Stimmung in Stockholm noch mal mehr ein: Koran-Verbrennungen sind in Schweden auch weiterhin erlaubt.

Nach Paludans Aktion hatte es große antischwedische Demonstrationen in der muslimischen Welt gegeben. Extremistische Websites riefen offen zu Anschlägen auf, sodass der schwedische Staatsschutz Säpo bald von einer erhöhten Terrorgefahr sprach. Als dann im Februar eine kleine Stockholmer Organisation und ein Privatmann weitere Koran-Verbrennungen anmelden wollten, untersagte die Polizei beide Aktionen unter Verweis auf die gestiegene Terrorgefahr.

Das aber, so Eva-Lotta Hedin in ihrem Urteil, war verfassungswidrig. Die Verwaltungsrichterin betonte in ihrer Urteilsbegründung, dass die Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit in Schweden verfassungsrechtlich geschützte Rechte sind. Die generelle Bedrohungslage reiche nicht als Begründung dafür aus, die Demonstrationen zu verbieten.

Salwan Monika, einer der beiden Verbrennungsantragsteller, sagte dem Svenska Dagbladet, er sei "glücklich und dankbar" über Hedins Urteil. Monika, der aus dem Irak stammt, betonte, er wolle mit seiner Aktion nicht dem Nato-Antrag schaden: "Mir geht es nicht um die Nato, sondern darum, den Koran zu kritisieren, der meines Erachtens weltweit verboten werden sollte, nicht nur in Schweden."

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Einer der Antragsteller will gezielt Schwedens Nato-Beitritt verhindern

Die kleine Organisation Liberty Apallarkerna hingegen, die den zweiten Antrag gestellt hatte, zielt mit ihrer Aktion ganz bewusst auf eine Verhinderung des Nato-Beitritts. Chris Makoundoul, der Vorsitzende des Vereins, erklärte, es werde keine Verbrennung geben: "Das war nie unser Ziel, wir finden es barbarisch, Bücher zu verbrennen. Wir werden das Urteil der türkischen Botschaft vorlegen und es mit der Bitte übergeben, dass Präsident Erdoğan zu seinem Wort steht, Schweden nicht in die Nato zu lassen, wenn die Koran-Verbrennung erlaubt wird", sagte er.

Der türkische Außenminister reagierte umgehend sehr vehement und polemisch auf das Urteil, zog er doch beim Nato-Außenministertreffen in Brüssel Parallelen zwischen Nazideutschland und Schweden: "Die Nazis begannen damit, Bücher zu verbrennen, dann griffen sie religiöse Versammlungsstätten an, und dann versammelten sie Menschen in Lagern und verbrannten sie, um ihre endgültigen Ziele zu erreichen. So fangen solche Dinge an", sagte er laut türkischen Medien.

Was die erhöhte Terrorgefahr in Schweden angeht, so erklärte die schwedische Polizei ebenfalls am Dienstagnachmittag, man habe in Eskilstuna, Linköping und Strängnäs fünf junge Männer vorübergehend festgenommen, die im Verdacht stehen, einen Anschlag zu planen. Die Polizei teilte mit, man gehe nicht von einem unmittelbar bevorstehenden Anschlag aus, habe aber "einen begründeten Verdacht", zumal die fünf Männer mit internationalen islamistischen Gruppierungen in Verbindung stünden.

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