Bei Airbus im bayerischen Manching ist es ziemlich laut. Vor dem Eingang zum Werksgelände haben sich gut 25 hupende Traktoren in Stellung gebracht und fordern auf Transparenten ein Ende der Ampel-Koalition oder zumindest weniger Belastungen für ihren Berufsstand. Immer mal wieder knallt und grollt es außerdem am grauen Winterhimmel, aber nicht, weil auch die Götter sauer auf die Ampel sind, sondern weil mutmaßlich einer der Eurofighter oder ein anderes der Flugzeuge, die hier bei Ingolstadt gefertigt und gewartet werden, mal so richtig seine Triebwerke austestet.
Den protestierenden Bauern geht es auf Nachfrage dabei gar nicht um Airbus, den Eurofighter oder den von der Bundesregierung angekündigten Export von bis zu 48 dieser Maschinen an Saudi-Arabien - das alles scheint ihnen sogar ziemlich egal zu sein. Sie sind einfach grundsätzlich gegen die Ampel und ihre Politik.
Bundeskanzler Olaf Scholz, der bei Airbus auf dem Weg zur Trauerfeier für die verstorbene Fußballlegende Franz Beckenbauer in München eine Zwischenlandung einlegt, ist aber wegen der Kampfflugzeuge hier, nicht wegen der Agrarpolitik seiner Regierung. Der wahrscheinliche Export der Kriegsmaschinen hat dazu geführt, dass es neben der Kritik an der Ampel nun auch noch Kritik aus der Ampel gibt.
Die Bauchschmerzen der Grünen
Vor allem der grüne Koalitionspartner tat sich mit der Entscheidung des Kanzlers schwer. Anton Hofreiter kritisierte den Verkauf an die "Diktatur Saudi-Arabien", wenn Deutschland gleichzeitig die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die von Russland angegriffene Ukraine verweigere. Sara Nanni, verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, mahnte an, man müsse sich ja fragen, was mit solchen Flugzeugen "in 5 oder 15 Jahren" geschehe.
Derzeit helfen saudi-arabische Kampfflugzeuge aber dabei, die von den Huthi-Milizen aus Jemen gestarteten Raketen auf Israel abzufangen. Auch solche geostrategischen Faktoren spielen inzwischen bei Rüstungsentscheidungen eine Rolle, gerade in Hinblick auf die bisher praktisch nur angekündigte Zeitenwende.
In einer neuen grauen Fliegerjacke, die ihm die Angestellten von Airbus überreicht hatten, stellte Scholz dann auch gleich vor der Kulisse eines Eurofighter den Kontext klar, in dem in Deutschland aktuell über Rüstungsprojekte diskutiert werden müsse: "Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat es uns wieder klar und deutlich gemacht: Wir brauchen eine starke Verteidigungswirtschaft und auch eine starke Bundeswehr, ein starkes Nato-Bündnis, damit wir gewährleisten können, dass Frieden und Sicherheit in Europa erhalten bleiben."
Rüstungsindustrie wartet auf weitere Bestellungen
Der eigentlich schon für Dezember geplante Besuch des Kanzlers bei Airbus, der dann wegen der Haushaltskrise verschoben wurde, soll deshalb offenbar auch den Willen demonstrieren, die deutsche und europäische Rüstungsindustrie in mehrfacher Hinsicht zu stärken. Bislang ist bis 2030 noch die Fertigung von 58 Eurofighter-Jets vorgesehen - 38 für die Bundeswehr, 20 für Spanien. Wie es danach mit dem Modell weitergeht, ist bisher nicht ganz klar.
Die Rüstungsindustrie wartet derzeit auf die Bestellungen einer Weiterentwicklung des Eurofighter, der sogenannten 5. Tranche. Die Entscheidung dazu müsse laut Airbus in dieser Legislaturperiode fallen, um die Lieferketten sicherzustellen. Scholz sagte dazu in Manching nichts. Er betonte aber, wie wichtig die Flugzeuge seien, deren Fertigung und Wartung er sich hier hat zeigen lassen.
Ohne neue Eurofighter-Aufträge droht möglicherweise eine Lücke bei der Fertigung europäischer Luftkampfsysteme. Denn das "Future Combat Air System" (FCAS), das aus einem neuen Flugzeug und mehreren Begleitdrohnen bestehen soll und sich unter anderem auch bei Airbus in Entwicklung befindet, wird nicht vor 2040 einsatzbereit sein. Wie der Eurofighter - der von Deutschland, Spanien, Italien und Großbritannien produziert wird - ist auch FCAS ein europäisches Projekt unter deutscher, französischer und spanischer Beteiligung. "Es geht hier auch um die Zukunft der Frage, wie wir das in Europa gemeinsam voranbringen wollen", sagte Scholz zu der Bedeutung dieser Kooperationen.
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Derzeit ist der französische Rafale-Jet auf dem Exportmarkt eine Konkurrenz zum Eurofighter. Auch das war ein Faktor bei der Entscheidung für die Exporte nach Saudi-Arabien.
Am Ende sagte der Bundeskanzler in der Eurofighter-Fertigungshalle dann noch: "Das war für mich ein ganz wichtiger Besuch hier, der mich durchaus zuversichtlich hinterlässt, dass wir die Aufgaben, vor denen wir stehen, auch gemeinsam bewältigen." Wie genau diese Aufgaben aussehen, ist nicht ganz klar geworden. Die Zeitenwende wirkt jedenfalls noch immer so, als zeichne sie sich gerade erst am Horizont ab. Immerhin: Die Bauern und ihre Traktoren waren zum Ende des Kanzlerbesuchs friedlich abgezogen.