Russland:Keine lieben Grüße (mehr) aus Berlin

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"Heute denke ich an die Menschen in Russland, die dort für Freiheit und Demokratie kämpfen und in ständiger Gefahr vor Putins Regime leben": Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schickt Wladimir Putin keine Glückwünsche zur Wahl. (Foto: Christoph Söder/dpa)

Warum Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier diesmal Wladimir Putin nicht mehr zu seiner Wiederwahl gratulieren wird.

Von Sina-Maria Schweikle, Berlin

In Berlin ist man sich so ziemlich einig: "Scheinwahlen" waren das in Russland, "sogenannte Wahlen". Das Ergebnis habe von vornherein festgestanden. Von der Bundesregierung jedenfalls wird die russische Präsidentenwahl nicht als rechtmäßig anerkannt, diplomatische Grüße nach Moskau bleiben deshalb aus. Als einer der Ersten machte das Frank-Walter Steinmeier öffentlich, wie zunächst der Tagesspiegel berichtete. Über Präsidentensprecherin Cerstin Gammelin ließ er mitteilen, dass er Wladimir Putin nicht zur Wiederwahl gratulieren werde. Auf der Plattform X hieß es in einer Erklärung des Bundespräsidenten: "Heute denke ich an die Menschen in Russland, die dort für Freiheit und Demokratie kämpfen und in ständiger Gefahr vor Putins Regime leben. Wir vergessen diese Mutigen nicht." Zwar habe man Putin bei den letzten Wahlen im Jahr 2018 noch gratuliert, sehe aber in diesem Jahr davon ab. Das sei eine andere Lage gewesen, sagt Gammelin auf Nachfrage der Süddeutschen Zeitung.

Die Gratulationen, ob schriftlich, telefonisch oder gar persönlich, erfolgen zwischen Staatsoberhäuptern in engen diplomatischen Beziehungen in der Regel zeitnah nach der Wahl. Kennt und versteht man sich gut, liegt der Griff zum Telefonhörer nicht fern. Sind die Beziehungen eher geschäftsmäßig kühl, kann es vorkommen, dass erst zur Amtseinführung ein Glückwunsch verschickt wird. Nur in Ausnahmefällen wird gar nicht gratuliert. Die Verfassungsorgane würden sich gegenseitig über ihr Vorgehen informieren, sagt die Sprecherin des Bundespräsidenten.

Auch der Kanzler wird nicht gratulieren

Eng in Kontakt dürfte man also auch mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gestanden haben. Auch er wird Putin nicht gratulieren. Die Wahl sei weder "frei noch fair" abgelaufen, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann. Es habe ein "Klima der Einschüchterung" geherrscht, es habe Verhaftungen gegeben. "Russland", das habe Olaf Scholz mehrmals gesagt, "ist heute eine Diktatur und wird von Wladimir Putin autoritär beherrscht", so die Regierungssprecherin.

Nicht nur Wahlmanipulation, Repression, Betrug und Zwang wurden Putin bei den Präsidentschaftswahlen vorgeworfen, sondern auch der Bruch mit dem Völkerrecht. Die Bundesregierung verurteile, dass Russland die Wahl auch in den besetzten Gebieten in der Ukraine abgehalten hat, so die Sprecherin: "Wir erkennen das natürlich in keiner Weise an, und nur die Ukraine hätte das Recht, auf diesem Territorium auch Wahlen durchzuführen. Das ist unsere Beurteilung dieser sogenannten Wahl, und deshalb hat der Bundeskanzler auch nicht gratuliert."

Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sprach vor einem Treffen mit ihren EU-Kolleginnen und -Kollegen am Montagmorgen in Brüssel von einer "Wahl ohne Wahl" in Russland. Sie zeige nicht nur das "ruchlose Vorgehen" Putins gegenüber seinem eigenen Volk, sondern sei auch ein Verstoß gegen die Charta der Vereinten Nationen. Dass auch in Teilen der Ukraine, Moldaus und Georgiens "sogenannte Wahlen" abgehalten worden seien, "ist völkerrechtswidrig", sagte Baerbock. Auch mit Blick auf den Tod des Kreml-Kritikers und russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny kündigte Baerbock eine gemeinsame Reaktion der EU-Staaten an: Strafmaßnahmen gegen Vertreter des russischen Justizsystems. Am Montagnachmittag wurde bestätigt, dass davon eine zweistellige Zahl von Personen betroffen ist. Sie dürfen nicht mehr in die EU einreisen und keine Geschäfte mehr mit EU-Bürgern machen. Außerdem müssen ihre in der EU vorhandene Konten und andere Vermögenswerte eingefroren werden.

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