Desinformation und Propaganda:Wie Russland digitalen Krieg gegen den Westen führt

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"Globaler Bedrohungsfaktor": Unter Präsident Wladimir Putin, einem Ex-KGB-Offizier, führt Russland einen Propagandafeldzug gegen den Westen. (Foto: Pavel Byrkin/dpa)

Hacker greifen Parlamente an, Bots verbreiten automatisiert Lügen. Seit Jahren versucht Russland, westliche Gesellschaften zu spalten. Auch die deutsche Politik warnt vor der Bedrohung.

Von Simon Hurtz, Berlin

Wladimir Putin führt längst Krieg gegen den Westen. Bei den Angriffen werden keine Waffen abgefeuert, sondern, bildlich gesprochen, Nebelkerzen gezündet. Der Kampf tobt nicht auf Schlachtfeldern, sondern im Netz. Diesen Operationen fallen keine Menschen zum Opfer, es ist die Wahrheit, die auf der Strecke bleibt.

Kurz nach der US-Präsidentschaftswahl 2016 wurde zum ersten Mal deutlich, wie Russland versucht, politischen Einfluss im Ausland zu nehmen. Auf Facebook und Twitter verbreiteten Zehntausende gefälschte Konten Lügen und Propaganda. Die Kampagne sollte die Polarisierung verstärken, das Vertrauen ins politische System schwächen und Menschen davon abhalten, zur Wahl zu gehen.

Auf den ersten Blick scheinen die Manipulationsversuche erfolgreich gewesen zu sein. Donald Trump gewann die Wahl, und bis heute hält sich in linksliberalen Kreisen die Annahme, dass eine teuflische Mischung aus russischen Trollen und fiesen Psychotricks der Trump-Kampagne dafür verantwortlich sei. Belegen lässt sich das nicht. Im Gegenteil: Studien schüren Zweifel, dass russische Bots, also automatisiert gesteuerte Accounts in sozialen Medien, den Wahlausgang beeinflusst haben.

Deutschland "im Mittelpunkt russischer Einflussoperationen"

Das ist kein Grund für Entwarnung. Die US-Wahl liegt acht Jahre zurück, seitdem haben sich Taktik und Methoden der russischen Akteure weiterentwickelt. Mitte März tagte das Parlamentarische Kontrollgremium für die Überwachung der Geheimdienste. Das Thema: "Russische Einflussnahme in Deutschland". Eindringlich warnten die Abgeordneten, Russland ziele auf "Destabilisierung, Verunsicherung und gesellschaftliche Spaltung" ab, Deutschland stehe "im Mittelpunkt russischer Einflussoperationen".

Manche Angriffe sind offen und brachial. Bereits 2015 drangen Hacker des russischen Militärgeheimdiensts GRU in die IT-Systeme des Bundestags ein, installierten Schadsoftware und erbeuteten sensible Daten. In den vergangenen Jahren attackierten russische Hackergruppen wie "Ghostwriter" und "Cozy Bear" mehrmals deutsche Behörden, Parlamente sowie Politikerinnen und Politiker. Zuletzt fälschten die Angreifer eine Einladung zu einem vermeintlichen Abendessen der CDU, dahinter verbarg sich ein Link mit Schadsoftware.

Das ist aber nur ein Teil des hybriden digitalen Kriegs, den Russland führt. Viele Angriffe laufen subtiler ab, etwa die "Doppelgänger"-Kampagne. Während die russische Armee in der Ukraine einmarschierte, begann eine andere Operation in mehreren europäischen Ländern, darunter auch in Deutschland. Seit Frühjahr 2022 tauchen immer wieder gefälschte Webseiten auf, die bekannten Medien wie der Süddeutschen Zeitung, dem Spiegel oder der Welt nachempfunden sind. Darauf finden sich frei erfundene Texte und Videos, die prorussische Propaganda streuen. In sozialen Medien teilen Tausende Bots Links zu den gefälschten Seiten.

Facebooks Mutterkonzern Meta sprach damals von einer der "größten und aggressivsten" russischen Desinformationskampagnen, sperrte viele Accounts und blockierte Tausende Domains. Trotzdem läuft die Operation bis heute weiter. Im März tauchten etwa gefälschte Spiegel-Seiten auf, die behaupteten, die Ukraine stecke hinter dem Anschlag auf das Konzert in Moskau. Insbesondere die Plattform X unternimmt nur wenig gegen die Manipulationsversuche, riesige Bot-Netzwerke verbreiten dort weiterhin Lügen.

Auch die USA setzen auf Informationsmanipulation

Dabei profitiert Russland vom technologischen Fortschritt. Denn noch nie war es so einfach und so kostengünstig, massenhaft Fehlinformationen in die Welt zu setzen. Über Internet und soziale Medien erreichen die Mitarbeiter der berüchtigten Trollfabriken von St. Petersburg aus Menschen in der ganzen Welt. Mithilfe künstlicher Intelligenz lassen sich viele Kampagnen automatisieren. Die Qualität der Fälschungen steigt, der Aufwand sinkt. Es braucht nur noch wenige Programmierer, um Zehntausende Fake-Accounts zu betreiben, die täglich Hunderttausende Nachrichten absetzen.

Vor diesem digitalen Trommelfeuer warnte im Januar das Auswärtige Amt, das russische Stimmungsmache auf X untersucht hatte. "Desinformation ist zu einem globalen Bedrohungsfaktor geworden", sagte ein Sprecher dem Spiegel. "Sie wird von denjenigen, die unsere Werte nicht teilen, gezielt eingesetzt, um ganze Gesellschaften zu destabilisieren - nicht nur in westlichen Demokratien, sondern überall." Allerdings kommen die meisten Studien auch zum Ergebnis, dass Verbreitung und Wirksamkeit von Desinformation eher überschätzt werden. Die wenigsten Menschen ändern ihre Meinung, weil Bot-Netzwerke Links zu obskuren Webseiten verbreiten.

Es gibt im Übrigen, wie erst vor Kurzem bestätigt wurde, nicht nur russische Kampagnen zur Informationsmanipulation. Im März berichtete die Nachrichtenagentur Reuters, dass Fake-Accounts in sozialen Medien zumindest 2019 reihenweise negative Berichte über den chinesischen Präsidenten Xi Jinping verbreitet hätten. Auftraggeber für die Kampagne der CIA : der damalige US-Präsident Donald Trump.

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