Russlands hybride Kriegsführung:Geheimdienstgremium warnt vor Operationen gegen Deutschland

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Auf einer Demonstration gegen Putins Angriffskrieg in Bremen. (Foto: Mohssen Assanimoghaddam/picture alliance/dpa)

Mordanschläge, bezahlte Extremisten, Förderung von Migration: Das Parlamentarische Kontrollgremium fordert von der Regierung besseren Schutz vor Moskaus Aktivitäten.

Von Markus Balser, Berlin

Was in dieser verschwiegenen Runde des Bundestags besprochen wird, dringt eigentlich nur selten nach draußen. Das Parlamentarische Kontrollgremium für die Kontrolle der Geheimdienste (PKGr) tagt wegen tiefer Einblicke in die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes, des Bundesamts für Verfassungsschutz und des Militärischen Abschirmdienstes immer geheim. Am Donnerstag allerdings sahen sich die Abgeordneten zu einer öffentlichen "Unterrichtung" gezwungen. Titel: "Russische Einflussnahme in Deutschland".

Aus dem Papier wird deutlich, welche Sorgen die Mitglieder wie den PKGr-Vorsitzenden und Grünen-Fraktionsvizechef Konstantin von Notz umtreiben. Denn sie gehen davon aus, dass weder Politik noch Gesellschaft die Gefahren durch Russlands Aktivitäten in Deutschland bislang ernst genug nehmen. Nach dem Austausch mit den Geheimdiensten, aber auch nach "internationalen Austausch" gehe man davon aus, dass Russland hierzulande nicht nur Spionage betreibe. Deutschland stehe vielmehr "im Mittelpunkt russischer Einflussoperationen".

Die Ziele des Putin-Regimes: "Destabilisierung, Verunsicherung und gesellschaftliche Spaltung"

Russland versuche aktiv und auf verschiedenen Ebenen illegitim auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Einfluss zu nehmen, heißt es weiter. Es gehe dabei etwa um die "gezielte Instrumentalisierung und Förderung von Migration, Wahlbeeinflussung und Beeinflussung der politischen Willensbildung bis hin zur - auch finanziellen - Unterstützung extremistischer Gruppierungen". Selbst vor Mordanschlägen auf deutschem und europäischem Boden schrecke Russland nicht zurück. "Die Angriffe zielen auf Destabilisierung, Verunsicherung und gesellschaftliche Spaltung."

Selten zuvor haben Regierung oder Behörden eine ähnlich eindringliche Warnung verfasst. Das Gremium sieht sich zum Handeln gezwungen, weil es das Land trotz aller Warnungen und vieler Vorfälle in den vergangenen Jahren noch immer für schlecht vorbereitet und geschützt hält. Die Tragweite der Bedrohung sei weder von allen politisch Verantwortlichen noch in der Gesellschaft insgesamt erkannt. Deutschland müsse sich deutlich robuster, resilienter und wehrhafter aufstellen. "Dazu gehört es auch, die breite Öffentlichkeit fortlaufend zu informieren, für die Gesamtbedrohungslage zu sensibilisieren und gegebenenfalls zu warnen", heißt es in dem Schreiben weiter. Es reiche nicht mehr aus, einzelne hybride Angriffe zu identifizieren und nach dem Aufdecken lediglich einzeln zu betrachten. Deutschland müsse die "ganzheitliche Strategie dahinter" erkennen.

Die Taurus-Abhöraffäre hatte erst vor kurzem offenbart, dass man selbst in Teilen der Bundeswehrführung äußerst lax mit Spionagerisiken umgeht. Ein Gespräch über mögliche Waffenlieferungen wurde unverschlüsselt geführt. Das Papier signalisiert auch, wie groß die Sorgen sind, dass Russland versuchen könnte, die bevorstehenden wichtigen Wahlen in diesem Jahr zu beeinflussen. Im Juni steht die Europawahl an, im Herbst folgen gleich drei Landtagswahlen in ostdeutschen Bundesländern.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Ampelkoalition noch immer schwer damit tut, wichtige Vorhaben zum Schutz der kritischen Infrastruktur zu verabschieden. So kommt ein Verbot zentraler Bauteile des chinesischen Mobilfunkausrüsters Huawei im neuen deutschen Mobilfunknetz nicht voran. Auch das "Kritis-Dachgesetz", das privaten Betreibern kritischer Infrastrukturen einen besseren Schutz der Anlagen vorschreiben und diesen vereinheitlichen soll, hinkt dem eigentlichen Zeitplan hinterher.

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