Noch bevor Ariane Kari ihren neuen Job antrat, war sie schon ins Zentrum der scharfen Debattenkultur geraten, die derzeit im politischen Berlin herrscht. Die Fraktion der CDU/CSU hatte ihr sogar eine kleine parlamentarische Anfrage gewidmet mit 16 Fragen, in denen es hauptsächlich darum ging, warum die Bundesregierung jetzt eine Tierschutzbeauftragte brauche und wieso Ariane Kari dafür die Richtige sein soll.
"Obwohl sich bereits mehr als 50 Mitarbeiter im Bundeslandwirtschaftsministerium um Tierschutz und Tiergesundheit kümmern, wird eine neue hoch dotierte Beauftragten-Stelle mit zusätzlichem Personal eingerichtet", erklärte der CDU-Abgeordnete Steffen Bilger der SZ. Der agrarpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Albert Stegemann, setzte im Redaktionsnetzwerk Deutschland noch einen drauf: Die Ernennung sei überflüssig und falsch, die Tierhalter würden keine neue kostspielige Stelle in der Bundesregierung brauchen, die ihnen reinredet.
Mit diesen Willkommensgrüßen hat die Union den Ton für die 36-Jährige aus Pforzheim gesetzt, sie betritt damit den Ring im Kulturkampf rund um Ernährung und Landwirtschaft, bei dem es im Kern um die Frage geht: Wie will diese Gesellschaft mit Tieren umgehen?
Über den Stand der Dinge herrschen sehr unterschiedliche Ansichten. Einerseits steht das Tierwohl seit 2002 als Staatsziel im Grundgesetz. Andererseits beklagen Tierschutzorganisationen erhebliche Missstände auf vielen Ebenen. Häufig geht es um die industrielle Fleischproduktion. Geheim gedrehte Aufnahmen in Ställen mit teils grausamen Zuständen haben wohl ihren Anteil daran, dass der Fleischkonsum in Deutschland Jahr für Jahr zurückgeht.
Bald soll das Tierschutzgesetz novelliert werden: Das wird Karis erste Prüfung
Neben der Debatte um Haltungsformen von Nutztieren wird sich Kari wohl auch mit Qualzucht von Haustieren, illegalem Handel von Wildtieren, durch Mähdrescher gehäckselten Rehkitzen, Tiertransporten oder Tierversuchen beschäftigen. Sie setze darauf, den Menschen zu erklären, was tierische Bedürfnisse überhaupt bedeuteten, sagte sie am Montag zu ihrem Amtsantritt in Berlin, denn "Wissen schützt Tiere". Transparenz bei der Tierhaltung sei wichtig. Zudem brauche es bessere rechtliche Rahmenbedingungen, etwa bei Heimtieren.
Die Tierärztin begann ihre Karriere 2012 im Regierungspräsidium Tübingen und war zuletzt stellvertretende Landestierschutzbeauftragte im Ministerium für Ernährung in Baden-Württemberg. Sie wird in Fachkreisen allseits geschätzt. In Berlin erhält sie eine eigene Geschäftsstelle plus vier Mitarbeiter. Von dort aus soll sie weisungsfrei und fachlich unabhängig die gesamte Regierung und den Bundestag beraten und Akteure zusammenbringen, erklärte Agrarminister Cem Özdemir (Grüne). Ihre erste Prüfung dürfte die Novelle des Tierschutzgesetzes sein, Özdemirs Ministerium hat laut Medienberichten einen ersten Referentenentwurf vorgelegt.
Darin soll etwa die ganzjährige Anbindehaltung von Rindern verboten werden, Strafen für Tierquälerei sollen erheblich steigen. Für qualgezüchtete Tiere soll ein Ausstellungs- und Werbeverbot kommen, in Schlachthöfen eine Videoüberwachung. Zudem soll künftig wirtschaftliches Interesse "keinen vernünftigen Grund für eine Beeinträchtigung von Leben und Wohlbefinden eines Tieres darstellen". Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Bauernverbands, warnte sogleich, Letzteres könne das Ende der landwirtschaftlichen Tierhaltung bedeuten und so nicht stehen bleiben.
Tierschutz und Gewinnmargen der Agrarwirtschaft vertragen sich eben selten, das Finden von Kompromissen gestaltet sich oft schwierig und führt zu emotionalen Debatten. Oder wie Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, formuliert: "Frau Kari steht vor einer Mammutaufgabe und braucht jetzt eine laute Stimme."