Philippinen:Schulter an Schulter auf hoher See

Lesezeit: 3 min

US-Diplomat Robert Ewing (Mitte) posiert mit philippinischen Generälen und dem kommandierenden General des U.S. Marine Corps im Pazifik bei der Eröffnungszeremonie der Truppenübungen im philippinischen Quezon City. (Foto: Eloisa Lopez/Reuters)

Niemand sagt es so, doch bei den gemeinsamen Militärübungen der Philippinen und der USA geht es vor allem darum, die Seerechte gegen China zu verteidigen. Aus Peking kommt daher Kritik.

Von David Pfeifer, Bangkok

An Symbolkraft sind die aktuellen Truppenübungen der USA und der Philippinen kaum zu übertreffen. Bei den gemeinsamen Manövern, an denen bis zum 10. Mai etwa 16 700 philippinische und amerikanische Soldaten teilnehmen, soll die Rückeroberung feindlich besetzter Inseln im Norden der Philippinen, in der Nähe von Taiwan, und auf Palawan, ganz im Westen, trainiert werden. Das kann man in Peking nur so verstehen, dass geübt wird, wie man Taiwan zurückerobern könnte, sollte China sich den Staat einverleiben.

Die sogenannten Balikatan-Übungen zwischen den USA und den Philippinen finden jedes Jahr statt. Balikatan bedeutet auf Tagalog, der Alltagssprache der Philippinen, "Schulter an Schulter". In diesem Jahr sind sogar etwas weniger Soldaten im Einsatz als noch 2023, bei den bis dahin größten gemeinsamen Übungen seit deren Beginn im Jahr 1991. Trotzdem schaut die Welt diesmal ganz genau hin, angesichts der immer heftiger eskalierenden Auseinandersetzungen, die Manila und Peking in dem maritimen Gebiet ausfechten. In Manila wird es als Westphilippinisches Meer bezeichnet, in Peking Südchinesisches Meer genannt.

Auch russisch-indische Raketen sollen China abschrecken

Sogar die philippinische Küstenwache nimmt teil. Sie erlebt immer wieder Zusammenstöße mit chinesischen Patrouillen, die offiziell als Fischerboote firmieren, aber starke Wasserwerfer gegen philippinische Schiffe einsetzen, wenn diese versuchen, strategisch wichtige Militärposten wie die Sierra Madre auf der umstrittenen Second-Thomas-Untiefe zu versorgen. Das Atoll der Spratly-Inselgruppe liegt etwa 200 Kilometer westlich von Palawan, wo nun geübt wird, und innerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszone der Philippinen - aber 1300 Kilometer von der chinesischen Küste entfernt. Auch Australien und Frankreich engagieren sich bei den Übungen, beide Länder haben ihre Verteidigungsbeziehungen mit den Philippinen ausgebaut, seit Peking seine aggressive Ausdehnung in dem Gebiet vorantreibt.

Aus Delhi wiederum kam am Freitag die Meldung, öffentlichkeitswirksam vor dem Start der Balikatan-Übungen platziert, dass man die erste Charge von Brahmos-Überschall-Marschflugkörpern mit einer Reichweite von 450 Kilometern mit einer Militärmaschine an die Philippinen geliefert habe. Indien und China liegen sich seit mehr als zwei Jahren im Himalaja feindlich gegenüber.

Die Brahmos wurden in einem Joint-Venture zwischen Indien und Russland entwickelt, der Name der Rakete leitet sich von den Flüssen Brahmaputra und Moskwa ab. Der 375 Millionen US-Dollar schwere Verteidigungsdeal zwischen Manila und Delhi war im Januar 2022 abgeschlossen worden. Wenige Monate bevor der USA-freundliche Ferdinand Marcos Jr. zum neuen Präsidenten der Philippinen gewählt wurde. Nun sollen die russisch-indischen Raketen der Abschreckung Pekings auch im Sinne der USA dienen. So komplex ist die Weltlage derzeit.

Vom Spiel der "Kanonenbootmuskeln" spricht ein chinesischer General

Offiziell will man nur die Koordination zwischen den Streitkräften der USA und der Philippinen verbessern. "Wir führen Übungen durch, die normal sind", erklärte US-Generalleutnant William Jurney, Leiter der Balikatan-Übung, bei einem Briefing am Montag. Peking wiederum kritisierte die Übungen mit der Begründung, sie würden Spannungen verschärfen und die regionale Stabilität untergraben. Tatsächlich aber hat vor allem die Hinwendung von Präsident Marcos Jr. an die USA und andere Verbündete wie Japan die Lage verändert. Und neben der Bedrohung Taiwans geht es den beteiligten Nationen auch um fundamentale wirtschaftliche Interessen.

Durch den maritimen Wirtschaftsraum, auf den Peking Anspruch erhebt, fließt nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters ein jährliches Handelsvolumen von mehr als drei Billiarden US-Dollar. Es ist eine der verkehrsreichsten Handelsrouten der Welt, sie durchquert die Wirtschaftszonen von Brunei, Indonesien, Malaysia, Vietnam - und eben die der Philippinen. Aber auch Japan und Südkorea sind betroffen. Der Ständige Schiedsgerichtshof in Den Haag entschied 2016, dass Pekings Ansprüche keine völkerrechtliche Grundlage haben. Chinas Führung ignoriert das Urteil, hat seitdem seine Patrouillen verstärkt und mit der Aufschüttung von künstlichen Inseln, die es zu Militärbasen ausgebaut hat, Konflikte mit fast allen Anrainerstaaten provoziert.

General Zhang Youxia, der stellvertretende Vorsitzende der Zentralen Militärkommission Chinas, sagte am Montag auf einer Marinekonferenz in Qingdao, das Meer dürfe kein Schauplatz sein, auf dem Länder ihre "Kanonenbootmuskeln" spielen lassen. "Die Abriegelung der Meere, die Einkreisung und die Blockade von Inseln werden die Welt nur in einen Strudel von Spaltung und Turbulenzen stürzen." Ein Sprecher des Außenministeriums in Peking sagte erst im März, China und die Philippinen hätten gar keine Territorialstreitigkeiten, weil China die "unbestreitbare Souveränität" in der Region besäße. Peking erklärt immer wieder, dass es den Dialog zur Beilegung der Streitigkeiten sucht. Allerdings nur zu seinen Bedingungen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusChina
:Macht ohne Schranken

China hat mit 22 457 Kilometern die längste Landesgrenze der Welt und einige Nachbarn im Pazifik. Die autoritäre Regierung inszeniert sich gern als friedliebend, rüttelt aber immer wieder an den Grenzen der umliegenden Länder - gerade mit einer neuen Karte. Ein Überblick über eine bedrohliche Lage.

Von Lea Sahay, David Pfeifer, Thomas Hahn

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: