China und die Philippinen:Auf Kollisionskurs

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Die philippinische Armee veröffentlichte diese Aufnahme der Kollision eines chinesischen Boots mit einem Schiff der philippinischen Küstenwache. (Foto: AP/AP)

In Manila wird eine Sicherheitssitzung einberufen, weil Chinas Küstenwache philippinische Boote gerammt hat. Auch andere Staaten in der Region beklagen sich über Pekings Aggressionen.

Von David Pfeifer, Bangkok

Es geht um eine Insel, die eigentlich keine Insel ist. Die Sierra Madre, ein verrostetes altes Kriegsschiff, wurde 1999 auf einem Riff, das Second Thomas Shoal genannt wird, absichtlich auf Grund gesetzt, um die Ansprüche der Philippinen auf dieses Gebiet im Südchinesischen Meer zu bekräftigen. Doch auch andere Nationen erheben Anspruch auf das Second Thomas Shoal - allen voran China. Das hat in der Vergangenheit immer wieder zu Konflikten geführt und am Sonntag gleich zu zwei Kollisionen.

Am Montag wurde daraufhin der chinesische Botschafter in Manila einbestellt, da man Peking "illegales und gefährliches" Verhalten im Südchinesischen Meer vorwirft. "Vorfälle wie dieser untermauern die These, dass nicht die Philippinen der Aggressor sind, sondern die andere Partei, nämlich China", sagte Teresita Daza, die Sprecherin des philippinischen Außenministeriums, am Montag auf einer Pressekonferenz. "Alle diplomatischen Möglichkeiten sind ausgeschöpft."

Blick vom Deck der absichtlich auf Grund gelaufenen "Sierra Madre" im Südchinesischen Meer. (Foto: Erik de Castro/Reuters)

Die Philippinen werfen der chinesischen Küstenwache "gefährliche Blockademanöver" vor, die zu einer Kollision mit einem philippinischen Versorgungsschiff führten, etwa 25 Kilometer vor dem Second Thomas Shoal. Das liegt weniger als 200 Kilometer von Palawan entfernt, also innerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszone der Philippinen, aber mehr als 1000 Kilometer von Chinas nächstgelegener großer Landmasse, der Insel Hainan. Die philippinische Küstenwache zeigte auf einer Pressekonferenz Satellitenbilder, auf denen man drei oder vier kleine Boote erkennt, umgeben von sieben größeren Schiffen der chinesischen Küstenwache.

Die chinesische Seite erklärte später, es habe eine "leichte Kollision" zwischen einem ihrer Schiffe und einem philippinischen Boot gegeben, während man das Schiff "rechtmäßig" daran gehindert habe, "illegale Baumaterialien" zur Sierra Madre zu transportieren. Die regelmäßigen Versorgungsmissionen sind für die philippinischen Soldaten bestimmt, die an Bord der Sierra Madre stationiert sind, damit sie nicht einfach weggeräumt werden kann.

Eine der verkehrsreichsten Handelsrouten der Welt führt durch das Gebiet

Bei einem anderen Vorfall wurde ein Schiff der philippinischen Küstenwache, das eine routinemäßige Versorgungsmission begleitete, von einem Schiff der chinesischen Küstenwache gerammt. China beschuldigt das philippinische Schiff, "absichtlich" Unruhe zu stiften, indem es "vorsätzlich" in ein chinesisches Fischereifahrzeug gerast sei. Es steht gewissermaßen Aussage gegen Aussage. Nur häufen sich in jüngerer Zeit die Klagen vieler Länder in der Region über Peking, was die Spannungen im Südchinesischen Meer stetig steigen lässt.

Peking beansprucht die Souveränität über fast das gesamte Südchinesische Meer, einschließlich Teilen der ausschließlichen Wirtschaftszonen von Brunei, Indonesien, Malaysia, Vietnam - und eben der Philippinen. Eine der verkehrsreichsten Handelsrouten der Welt führt durch das Gebiet und man vermutet dort bedeutende Öl- und Erdgasreserven. Der Ständige Schiedsgerichtshof in Den Haag erklärte 2016, dass Chinas Ansprüche keine rechtliche Grundlage haben. In Peking ignoriert man den Schiedsspruch.

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Die Spannungen zwischen Manila und Peking sind besonders heikel, weil die Philippinen weitreichende Sicherheitsabkommen mit den USA geschlossen und in jüngster Zeit noch intensiviert haben. Das US-Außenministerium warf Peking als Reaktion auf die Kollisionen "gefährliche und ungesetzliche Handlungen" vor und bekräftigte, dass sich der Vertrag über gegenseitige Verteidigung mit Manila "auf bewaffnete Angriffe auf philippinische Streitkräfte, öffentliche Schiffe und Flugzeuge - einschließlich derjenigen der Küstenwache - überall im Südchinesischen Meer erstreckt". Das chinesische Außenministerium erklärte hingegen: "China hat in dieser Angelegenheit große Zurückhaltung und Geduld bewahrt."

Die kanadischen und japanischen Botschaften in Manila brachten ebenfalls ihre Unterstützung für die Philippinen und ihre Besorgnis über den Zusammenstoß zum Ausdruck. Der Botschafter der Europäischen Union, Luc Veron, sagte: "Diese Vorfälle, ihre Wiederholung und Intensivierung sind gefährlich und sehr beunruhigend." Der philippinische Präsident Ferdinand Marcos Jr. hielt am Montag eine Sicherheitssitzung ab, um "die jüngste Verletzung durch China" zu besprechen, und wies die Küstenwache seines Landes an, den Vorfall zu untersuchen, der laut seinem Büro "auf höchster Regierungsebene ernst genommen wird". Die Spannungen zwischen China und den Philippinen haben unter Marcos Jr. zugenommen, der im Gegensatz zu seinem Vorgänger Rodrigo Duterte, der die Nähe zu Peking suchte, engere Beziehungen zu den traditionellen Verbündeten, den USA, aufbauen will.

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