Deutschland und Frankreich:Panzerplan mit Nebenwirkung

Lesezeit: 3 min

Wollen bald über Kampfpanzer sprechen: Verteidigungsminister Boris Pistorius und sein französischer Amtskollege Sébastien Lecornu (2. v. r.). (Foto: Geoffrey van der Hasselt/AFP)

Deutsche Hersteller erwägen ein neues Rüstungsprojekt, doch Verteidigungsminister Pistorius bekennt sich zur längst verabredeten Kooperation mit Frankreich. Bei der aber hakt es.

Von Paul-Anton Krüger und Mike Szymanski, Berlin

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck denkt gerne in großen Linien. Bei seiner Rede vor der Botschafterkonferenz im Auswärtigen Amt sprach der Grünen-Politiker über geoökonomische Konsequenzen aus den Veränderungen in der Welt. Eine "europäische Rüstungsindustrie, also eine europäische Rüstungsindustrie, die nicht an der Kleinstaaterei von 27 Staaten, die jeweils ihre eigenen Normen haben für irgendwelche Motorgehäuse, scheitert, wäre dringend erforderlich, eine notwendige strategische Antwort auf die Situation, die wir gerade gegenwärtigen", sagte er.

Nun ist der Gedanke nicht ganz neu. Im Jahr 2017 schon hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem gerade neu gewählten französischen Präsidenten Emmanuel Macron vereinbart, gemeinsam Großgerät einer neuen Generation zu entwickeln, vernetzt und kombiniert mit unbemannten Systemen - als Nachfolger für die Kampfjets Eurofighter und Rafale sowie die Kampfpanzer Leopard 2 und Leclerc. Gemeinsam sollten die immensen Entwicklungskosten gestemmt werden. Die Programmkosten für das Future Air Combat System (FCAS), bei dem Frankreich die Führung hat, wie für das von Deutschland geleitete Main Ground Combat System (MGCS) wurden mit je 100 Milliarden Euro veranschlagt. Das sah aus wie das neue Rückgrat einer europäischen Rüstungskooperation, offen für weitere Partner.

Es droht ein Zerwürfnis zwischen Paris und Berlin

Doch bei beiden Programmen hakt es. Weil aber die Projekte und die Arbeitsteilung zwischen deutschen und französischen Rüstungsunternehmen zumindest politisch miteinander verknüpft sind, könnte das Ende des einen Programms letztlich auch ein Auseinandergehen bei dem anderen nach sich ziehen - und ein massives Zerwürfnis zwischen den Regierungen in Paris und Berlin. Wie europäische Rüstungskooperation funktionieren kann, müsste dann wohl völlig neu gedacht werden. Doch der Reihe nach.

Ein Sprecher des Unternehmens KNDS, einer Holding, die aus dem deutschen Panzerbauer Krauss-Maffei Wegmann und dem französischen Rüstungsunternehmen Nexter besteht, sagte der Süddeutschen Zeitung, dass KNDS sich an einem Industriekonsortium für das Projekt "Future Main Battle Tank" (FMBT) beteilige. Darüber hatte zuerst das Handelsblatt berichtet. Auch dabei ist demnach Rheinmetall, der andere deutsche Panzerkonzern, zugleich Konkurrent und Partner von KNDS. Es handele sich um "ein europäisches Programm, bei dem das industrielle Setup noch offen ist", so KNDS weiter, das Konsortium sei für alle Nationen offen. Rheinmetall wollte sich nicht dazu äußern.

Hintergrund ist eine Ausschreibung im Zuge des European Defence Fund (EDF), mit dem die EU-Kommission gemeinschaftliche, grenzüberschreitende Forschung und Entwicklung im Bereich der Verteidigung fördert. Auf Anregung Frankreichs hin können bis November dort unter anderem Projekte für einen Kampfpanzer eingereicht werden. Die zu vergebenden Mittel liegen im niedrigen zweistelligen Millionenbereich - in der ersten Runde. Insgesamt könnten sie aber Milliardenhöhe erreichen.

An der Bewerbung beteiligt sind dem Vernehmen nach die beiden deutschen Panzerbauer Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall sowie Firmen aus Italien, Spanien und Schweden - nicht aber aus Frankreich. Nexter sollte sich nach den Wünschen Deutschlands nicht beteiligen, man beharrte auf deutscher Führung. Thales, ein weiterer französischer Konzern, zog sich offenbar deshalb zurück. Zugleich sind die Konzernmutter von Krauss-Maffei Wegmann, KNDS, und Rheinmetall aber die zentralen Akteure beim MGCS-Projekt mit Paris.

Strittig ist, wer die Hauptwaffe bauen darf

In Berlin sieht man die Projekte nicht als unmittelbare Konkurrenz, zumal die EU-Kommission noch nicht über den Zuschlag entschieden hat und der Bundestag für den deutsch-französischen Panzer Entwicklungsmittel jüngst bewilligt hat. In Paris allerdings wird die Bewerbung durchaus als Signal der deutschen Seite im Ringen um Projektanteile gewertet. Die Industrie wolle offenbar zeigen, dass sie auch mit anderen Partnern einen marktfähigen Panzer entwickeln könne.

Weiter umstritten sind tatsächlich die Projektanteile beim MGCS, vor allem wer die Hauptwaffe baut, das Geschütz, und mit welchem Kaliber es ausgestattet werden soll. Die Führung der Bundeswehr und der französischen Armee sollen ein gemeinsames Grundlagenpapier mit Anforderung für den neuen Panzer erarbeiten, quasi ein Neubeginn im Prozess. Es soll vorliegen, wenn Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am 22. September zu seinem Kollegen Sébastien Lecornu nach Frankreich reist. Auch bei dem Treffen des Bundeskabinetts mit der französischen Regierung Anfang Oktober in Hamburg soll das Projekt auf die Tagesordnung, heißt es aus Paris.

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Pistorius bekennt sich zu dem deutsch-französischen Projekt: Mit MGCS "wollen wir eines der modernsten und schlagkräftigsten Kampfpanzer-Systeme der Zukunft entwickeln", sagte er der SZ. Kampfpanzer seien von zentraler Bedeutung, wenn es um die Verteidigung des eigenen Landes geht. "Daher ist es wichtig, dass wir dieses Waffensystem für die Zukunft weiterentwickeln. Deutschland und Frankreich stimmen sich bei dem Programm Main Ground Combat System eng ab", so Pistorius. Dass es gleichzeitig eine Initiative der EU-Kommission gebe, "steht unserem deutsch-französischen Vorhaben nicht im Weg. Im Gegenteil. Die beiden Projekte ergänzen sich".

Allerdings gibt es in Berlin auch Sympathien für ein mögliches Panzerprojekt unter deutscher Führung. Das sei "eine Alternative, die man ernsthaft in Erwägung ziehen muss", sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Schwarz der SZ; er ist Berichterstatter für den Verteidigungshaushalt. Ein solches Projekt könne "Zeit und Geld sparen und trägt auch dem Gedanken Rechnung, dass man in Europa gemeinsam etwas entwickeln will", sagte er. Dann allerdings müsste man tatsächlich ganz neu über europäische Rüstungskooperation nachdenken.

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