Nahost-Friedensgespräche:Speeddating im Weißen Haus

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Obama lädt die Nahost-Konfliktparteien zu Friedensgesprächen. Doch Israelis und Palästinenser zeigen keinen echten Friedenswillen - Hauptsache, man ist nicht schuld am Scheitern.

Peter Münch

Es ist nur ein Kurztrip nach Washington, und doch eine Reise mit schwerem Gepäck. Wenn Israels Premierminister Benjamin Netanjahu und Palästinenserpräsident Machmud Abbas am Dienstag mit ihren Delegationen nach Washington fliegen, dann haben sie nicht nur Pläne und Skizzen für eine zukünftige Friedenslösung dabei, sondern sie schleppen auch den Ballast all der bisher gescheiterten Bemühungen mit sich. Die Friedensfeinde daheim haben ihnen auch noch ein paar Säcke voller Wackersteine mitgegeben.

Brandherd Ostjerusalem: Israelische Soldaten vergangene Woche vor ausgebrannten Autos, die Palästinenser angezündet hatten. (Foto: REUTERS)

Für den Beginn neuer Friedensverhandlungen nach 20 Monaten Stillstand gilt das alte nahöstliche Sprichwort: Aller Anfang ist schwer - und jeder Schritt danach ist ein noch komplizierteres Wagnis. Die Erwartungen an dieses Gipfeltreffen sind also gering, auch wenn die Hoffnungen gezielt genährt werden und die Polit-Choreographen in Washington nicht an Fahnen und Fanfaren sparen.

Am Mittwoch eröffnet US-Präsident Barack Obama die Festlichkeiten mit einer Art Speeddating im Weißen Haus. In schneller Folge trifft er Netanjahu, Abbas, die beiden regionalen Friedenspaten-Potentaten Hosni Mubarak aus Ägypten und König Abdallah aus Jordanien sowie Tony Blair, den stets optimistischen Vertreter des Nahost-Quartetts aus UN, EU, USA und Russland. Danach geht es um 20.30 Uhr zum gemeinsamen Abendessen - relativ spät aus Rücksicht auf den Ramadan.

Am nächsten Morgen sollten dennoch zumindest Netanjahu und Abbas ausgeschlafen sein, denn im Außenministerium sind bei Hillary Clinton mindestens drei Stunden für die erste Runde direkter Gespräche angesetzt. Und hier dürfte gleich der erste Streit ausbrechen: über einen Baustopp für die jüdischen Siedlungen auf besetztem palästinensischen Land.

Über diesen Punkt wird seit Monaten gestritten, und es ist eine Art Stellvertreterkonflikt, hinter dem erst noch all die anderen Probleme lauern, die eigentlich für eine endgültige Friedenslösung gelöst werden müssten. Dass sich beide Seiten so sehr auf diese Frage kaprizieren, hat einen einfachen Grund: Hier ist es relativ leicht, der jeweils anderen Seite vor den Augen der Weltöffentlichkeit und der amerikanischen Schiedsrichter den Schwarzen Peter zuzuschieben.

Zwei Strategen im ständigen Druckausgleich

Erst hatte Netanjahu im vergangenen November einen zehnmonatigen Baustopp für die Siedlungen im Westjordanland verfügt - und Abbas stand plötzlich als Blockierer da, weil er trotzdem nicht an den Verhandlungstisch zurückkehren wollte und auf einen unbefristeten Baustopp beharrte, der auch für den arabischen Ostteil von Jerusalem gelten müsse. Nun hat sich der Palästinenserpräsident kurz vor Ablauf des Baumoratoriums auf direkte Friedensgespräche eingelassen - mit dem Kalkül, dass der ganze Druck nun auf Netanjahu lastet. Wenn er den Baustopp nicht verlängert, wird ihm dies als Provokation ausgelegt. Die Verantwortung für ein Scheitern der neuen Friedensrunde läge damit bei ihm.

Konstruktiv ist ein solches blame game, bei dem es zuvörderst darum geht, den andern schlecht aussehen zu lassen, gewiss nicht. Aber es zeigt deutlich, dass hier keine Visionäre am Tisch sitzen, die ihren Völkern nach Jahrzehnten der Spannung und Gewalt endlich Frieden bringen wollen.

Hier treffen sich zwei Strategen, die so viel mit dem Druckausgleich im eigenen Lager zu tun haben, dass kaum Raum bleibt für weiterreichende Entscheidungen. Wie es nach dem Washingtoner Auftaktgipfel weitergeht, steht deshalb in den Sternen, und selbst die US-Regierung scheint dafür noch keine konkreten Pläne gemacht zu haben.

Netanjahu hat angeregt, dass er und Abbas sich künftig regelmäßig alle zwei Wochen treffen sollen, um wie geplant innerhalb eines Jahres zu einem Verhandlungsabschluss zu kommen. Auf der wöchentlichen Kabinettssitzung am Sonntag erklärte er geschmeidig, dass es sein Ziel sei, einen Friedensschluss zu erreichen, der für Generationen gelte.

Die Stunde der Saboteure

Der palästinensische Chef-Unterhändler Saeb Erekat jedoch hat die Planung regelmäßiger Treffen als "verfrüht" zurückgewiesen. Denn über allem Anfang steht die Drohung der Palästinenser mit dem Ende der Gespräche, sollte der Siedlungsbaustopp am 26. September nicht verlängert werden.

Es wird viel Druck und Phantasie von Seiten der Vermittler nötig sein, um ein frühes Scheitern dieses neuen Friedensprozesses zu verhindern. Die Amerikaner dürften sich dabei nun zunächst auf die israelische Seite konzentrieren, die Palästinenser sollen von Mubarak und König Abdallah bei der Stange gehalten werden.

Jordaniens Monarch hat dazu am Wochenende vor den gefährlichen Folgen eines Fehlschlags gewarnt. Die Bevölkerung solle "ihre Führer ermächtigen, die Probleme zu lösen". Ums Volk jedoch werben derzeit auch die Scharfmacher auf beiden Seiten, denn Friedensverhandlungen sind immer auch die Stunde der Saboteure.

Von Gaza aus drohte die Hamas den palästinensischen Verhandlungsführern, man werde "auf den Köpfen derer herumtrampeln, die es wagen sollten, das Recht auf Rückkehr der Flüchtlinge aufzugeben". Und in Jerusalem leistete sich Rabbi Ovadia Josef, der spirituelle Führer der mit vier Ministern in der Regierung vertretenen Schas-Partei, einen bösen Ausfall. Abbas und die Palästinenser sollten "vom Erdboden verschwinden", sagte der greise Rabbi, "der Herrgott sollte sie mit der Pest bestrafen."

© SZ vom 30.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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