Ministerpräsidentenkonferenz:Worüber Bund und Länder heute beraten

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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) berät am Mittwochnachmittag mit den Länderchefs über die Finanzierung der Entlastungen. (Foto: Stefanie Loos/AFP)

Gaspreisbremse, Wohngeld, 49-Euro-Ticket, Flüchtlingsversorgung: Beim Gipfel von Bund und Ländern geht es um viel. Ein Überblick, wo es noch hakt.

Von Carina Seeburg

"Ich bin mir sehr sicher, dass wir heute ein Ergebnis erzielen können", sagt Daniel Günther (CDU) aus Schleswig-Holstein. "Ich gehe davon aus, dass ich heute Planungssicherheit habe", sagt Bodo Ramelow (Linke) aus Thüringen. Und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) spricht von "Fairness", "guter Annäherung" und einem "respektvollen Umgang".

Es ist viel demonstrativer Optimismus im Spiel vor der Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz an diesem Mittwoch. Am Vormittag bereits haben die Länderchefs alleine zusammengesessen. Seit 15 Uhr tagt die Bund-Länder-Runde im Kanzleramt, anschließend wollen sich Kanzler Olaf Scholz (SPD), der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil öffentlich äußern und erklären, was herausgekommen ist bei ihrem Treffen.

Es geht um viel Geld. Die Runde debattiert darüber, wie die Bürgerinnen und Bürger bei den hohen Energiepreisen entlastet werden können. Im Zentrum der Gespräche dürften die Gaspreisbremse und die Strompreisbremse stehen. Außerdem wollen sich Bund und Länder nach monatelangem Streit endlich auf ein bundesweites 49-Euro-Ticket für den Nahverkehr einigen. Ebenfalls debattiert wird über die Leistungen für Geflüchtete und eine Wohngeldreform.

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Beim vorangegangenen Treffen Anfang Oktober waren Bund und Länder ohne Ergebnisse auseinander gegangen. Der Druck auf Kanzler und Ministerpräsidenten, nun zu einer Einigung zu kommen, ist seitdem erheblich gestiegen. Strittig ist aber oftmals die Finanzierung. Ein Überblick über die noch offenen Punkte.

Gaspreisbremse und Entlastung bei den Strompreisen

Aus den Ländern wächst der Druck auf die Ampelkoalition, die angekündigte Gaspreisbremse, die Teil des 200 Milliarden Euro starken Entlastungsschirms ist, schneller einzuführen als bisher geplant. Eine Expertenkommission hat die Einführung der Preisbremse für März 2023 vorgeschlagen, bis dahin sollen Bürger und Unternehmen dadurch entlastet werden, dass der Staat die Abschlagsrechnungen im Dezember übernimmt. Die Bundesregierung will außerdem den Strompreis für Privathaushalte ab Anfang kommenden Jahres bei 40 Cent pro Kilowattstunde deckeln. Dies soll der Beschlussvorlage zufolge für ein Grundkontingent von 80 Prozent des Jahresverbrauchs gelten.

Geht es nach den Länderchefs, soll die Preisbremse allerdings schon im Januar kommen, denn sie fürchten eine "Winterlücke" zwischen der Übernahme der Abschlagszahlung im Dezember und dem Start der Gaspreisbremse im März. Besonders kleine und mittlere Unternehmen könnten demnach angesichts der drastisch gestiegenen Energiepreise in Schwierigkeiten geraten.

In diesem Punkt hat die Bundesregierung bereits eingelenkt: Die Gaspreisbremse soll nach Auffassung von Kanzler Scholz bereits im Februar und damit einen Monat früher greifen als von der Expertenkommission empfohlen. Das geht aus der Beschlussvorschlag des Kanzleramts für die Ministerpräsidentenkonferenz hervor. "Die Gaspreisbremse wird wie von den Expertinnen und Experten vorgeschlagen, zum 1. März 2023 eingeführt. Eine Rückwirkung zum 1. Februar 2023 wird angestrebt", heißt es dazu in dem Papier.

Die Zeit dränge, "wir müssen wirklich jetzt Klarheit schaffen", sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) vor den Gesprächen der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten am Nachmittag. Es klaffe in der Beschlussvorlage nicht nur eine Lücke im Januar, in dem die Menschen keine Entlastungen bekommen, sagte der CDU-Politiker, es fehle auch Ausgleich in anderen Bereichen. So mahnte Wüst Gerechtigkeit für Menschen mit Öl- und Holzpellet-Heizungen an. Auch für diese Brennstoffe gingen die Preise seit Monaten nur nach oben. "Darüber wird man sprechen müssen", sagte Wüst.

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Kommentar von Claus Hulverscheidt

Versorgung von Geflüchteten

Hunderttausende Menschen sind vor dem Krieg aus der Ukraine nach Deutschland geflohen. Die Länder verlangen daher, dass der Bund seine Zusage aus dem Frühjahr einlöst, sie bei den Kosten für die Unterbringung und Betreuung stärker zu unterstützen. Umstritten war dabei bis zuletzt die Höhe der Hilfen in diesem Bereich. Die Bundesregierung will Länder und Kommunen der Beschlussvorlage zufolge nun mit insgesamt 4,25 Milliarden Euro im laufenden und im kommenden Jahr unterstützen.

Für die Aufnahme von Geflüchteten will der Bund demnach im laufenden Jahr zusätzliche 1,5 Milliarden Euro bereitstellen. Für 2023 sind Mittel in gleicher Höhe für die Versorgung von Geflüchteten aus der Ukraine vorgesehen. Zudem bringt der Bund ebenfalls für 2023 eine Pauschale von 1,25 Milliarden Euro ins Spiel, die Länder und Kommunen bei ihren Kosten bei der Aufnahme von Menschen aus anderen Staaten unterstützen soll. "Über die weitere Entwicklung werden Bund und Länder Ostern 2023 sprechen", heißt es in dem Entwurf.

Aus Ländersicht fällt allerdings auch der neue Vorschlag des Kanzlers zu gering aus, denn die Landesregierungen kommen ihrerseits bei Berechnungen auf Gesamtkosten von mehr als 15 Milliarden Euro für dieses und das kommende Jahr. Damit klafft zum Start der Verhandlungen noch immer eine Lücke von rund zehn Milliarden Euro zwischen den Forderungen der Länder und dem Angebot aus Berlin.

Bundesweites Ticket für Bus und Bahn

Eigentlich besteht bereits Einigkeit, dass es ein 49-Euro-Ticket geben soll. Doch die Länder machen dauerhaft höhere Zuschüsse vom Bund zur Bedingung. Wenn der Bund nicht zu hohen Milliardenhilfen bereit sei, müssten die Länder "leider Nein zum Ticket sagen", sagte Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann der Süddeutschen Zeitung.

Kurz vor den Beratungen von Bund und Ländern haben zudem die Verkehrsverbände eine Einigung im Streit über die Finanzierung des Nahverkehrs gefordert. Auch daran hänge das geplante 49-Euro-Ticket. "Wir brauchen von den Länderchefs und der Bundesregierung jetzt endlich eine tragbare Lösung für die Gesamtfinanzierung unserer Branche", sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen, Oliver Wolff, am Dienstag.

Der Bund signalisierte den Ländern im Vorfeld der Konferenz, mehr Geld für den Nahverkehr zu zahlen. Die Frage ist, ob dies den Ländern ausreicht. Wie aus der Beschlussvorlage des Kanzleramts hervorgeht, will der Bund für 2022 zusätzliche Regionalisierungsmittel in Höhe von einer Milliarde Euro zahlen - die Länder hatten von diesem Jahr an 1,5 Milliarden Euro mehr gefordert.

Kanzler Scholz zeigte sich dennoch zuversichtlich. Man habe sich mit den Ländern schon fast auf ein solches "Deutschlandticket" verständigt, sagte der SPD-Politiker gestern bei einem Bürgerdialog im niedersächsischen Gifhorn. Heute sei der Tag, "an dem es dann endgültig gelingen soll".

Finanzierung der Wohngeldreform

Die Bundesregierung hat eine Wohngeldreform in die Wege geleitet, die Anfang 2023 greift. Statt 600 000 sollen künftig zwei Millionen Menschen von der Sozialleistung profitieren. Von Januar an soll der staatliche Mietzuschuss somit an 1,4 Millionen Bürger zusätzlich gezahlt und zudem um 190 Euro pro Monat angehoben werden. Außerdem soll es für alle Wohngeldbezieherinnen und -bezieher in diesem Jahr einen Heizkostenzuschuss geben.

Bisher wird das Wohngeld je zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert, doch die Länder wollen nun, da der Kreis der Berechtigten erweitert wird, nicht länger mitmachen. Sie fordern stattdessen, dass der Bund die Kosten alleine übernimmt.

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