Kabinettsklausur in Meseberg:"Wir werden hämmern und klopfen, aber mit Schalldämpfer"

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Sichtlich um einen heitere Geschlossenheit bemüht: Finanzminister Christian Lindner, Kanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Foto: Tobias Schwarz/AFP)

Die Ampelkoalition verspricht, künftig geräuschloser zu arbeiten. Auf ihrer Klausurtagung hat sie sich auf milliardenschwere Entlastungen für Unternehmen verständigt und Maßnahmen zum Bürokratieabbau. Ein Überblick über die Beschlüsse.

Von Martin Tofern

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) haben sich bei der Pressekonferenz zum Abschluss der Klausurtagung auf Schloss Meseberg alle Mühe gegeben, eine gewisse Geschlossenheit zu demonstrieren. "Wir haben viele Beschlüsse auf den Weg gebracht", mit diesen Worten lobte der Kanzler die Arbeit der Regierung. "Jetzt haben die Gesetzgebungskörperschaften gut zu tun, und das ist gut so."

Auch Habeck äußerte sich zufrieden mit der Klausurtagung: "Es war atmosphärisch wie inhaltlich eine gute Tagung", sagte er. Man habe sich am Abend auch mit übergreifenden Fragen beschäftigt: "Eine Gesellschaft braucht Ziele und den Optimismus, diese Ziele auch erreichen zu können." Die Arbeitsatmosphäre auf der Tagung beschrieb er mit dem Begriff "lernende Geschlossenheit".

Auch Lindner lobte die Beschlüsse der Regierung und erklärte zum Stil der Koalitionsarbeit: "Wir sind eine Regierung, bei der gehämmert und geschraubt wird. Das macht natürlich Geräusche, aber es kommt am Ende auch etwas heraus." Wie lässt sich das mit der Forderung des Kanzlers synchronisieren, in Zukunft geräuschlos zu arbeiten? "Wir werden hämmern und klopfen, aber mit Schalldämpfer", sagte dazu grinsend der Kanzler auf die Frage eines Journalisten.

Wachstumschancengesetz

Über die Bemühungen um eine geschlossene Arbeitsatmosphäre hinaus hat die Ampel tatsächlich ein großes Paket an Beschlüssen gefasst. So - als eines der wichtigsten Vorhaben - das sogenannte Wachstumschancengesetz. Es enthält 50 Steuererleichterungen, durch die Unternehmen bis 2028 viel Geld sparen sollen, nämlich bis zu 32 Milliarden Euro.

Der Kern ist eine Prämie für Investitionen in den Klimaschutz. Unabhängig vom Gewinn soll eine steuerliche Zulage von 15 Prozent der Investitionssumme gezahlt werden. Vor allem der Mittelstand soll von einer Ausweitung der Verlustverrechnung profitieren. Neue Abschreibungsmöglichkeiten sollen die Liquidität von Unternehmen verbessern. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen sollen dadurch zu Investitionen angeregt werden. Wirtschaftsverbände, die auch große Konzerne repräsentieren, kritisieren die Maßnahmen als zu halbherzig. Die Industrie vermisst darüber hinaus ein Bekenntnis zu einem subventionierten Strompreis. Später dazu befragt, ob die EU einem günstigen Strompreis für die Industrie zustimmen würde, sagte der Wirtschaftsminister: "Natürlich gibt es dazu Gespräche. Aber mehr ist dazu nicht zu sagen - heute jedenfalls nicht."

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Bürokratieentlastungsgesetz

Justizminister Marco Buschmann (FDP) will mit einem Bürokratieentlastungsgesetz vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen den Aufwand im "Bürokratie-Dickicht" Deutschland spürbar reduzieren. Für die Wirtschaft seien die komplizierten Verfahren ein echter Grund, nicht zu investieren, meint die Regierung. Eine Maßnahme in dem Paket: Die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege sollen von zehn auf acht Jahre verkürzt werden.

Hotels müssen künftig nicht mehr für jeden einzelnen Gast einen Meldeschein ausfüllen. Ein konkreter Gesetzentwurf soll noch im laufenden Jahr vorgelegt werden.

Geplant ist auch, dass die vorgeschriebenen Aufzeichnungen über Allergene, Zusatzstoffe und Aromen in lose verkauften Lebensmitteln künftig nicht mehr schriftlich beim Verkäufer vorliegen müssen. Eine Aufzeichnung in digitaler Form soll dann genügen.

Nach Angaben Buschmanns werden durch die geplanten Maßnahmen 2,3 Milliarden Euro im Jahr eingespart. "In den Betrieben wird schneller künftig Papier auch mal weggeworfen werden können", sagte er. Allerdings sei es mit dem geplanten Gesetz nicht getan. "Bürokratieabbau ist eine Daueraufgabe." So werde Wirtschaftsminister Habeck das Vergaberecht angehen und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eine ganze Reihe von Maßnahmen im Gesundheitswesen vorlegen. Außerdem solle eine europäische Entbürokratisierungsinitiative gestartet werden, denn der Großteil der bürokratischen Belastungen stammte aus der Umsetzung von Europarecht.

Digitalisierung des Gesundheitswesens

Auf den Weg gebracht hat die Regierung auch zwei Gesetze von Minister Lauterbach, um die lange schleppende Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzubringen. So sollen alle Versicherten 2025 elektronische Patientenakten bekommen, es sei denn, sie widersprechen dem aktiv. Durch die bessere Verfügbarkeit der Daten sollen Doppeluntersuchungen vermieden und medizinische Behandlungen verbessert werden.

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Georgien und Moldau als sichere Drittstaaten

Asylanträge von Menschen aus Georgien und der Republik Moldau sollen künftig schneller bearbeitet und abgelehnte Asylbewerber einfacher abgeschoben werden können. Das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf beschlossen, der die Aufnahme beider Länder in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten zum Ziel hat. Sowohl Georgien als auch Moldau wollen Mitglieder der Europäischen Union werden. Zudem kommt laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bereits jetzt jeder zehnte abgelehnte Asylantrag aus einem der beiden Länder. Die Bundesregierung beabsichtigt zudem, mit den Regierungen in Tiflis und Chișinău Migrationsabkommen zu schließen. Das fördere die Fachkräftezuwanderung und ermögliche gleichzeitig eine Rücknahme derer, die in Deutschland kein Bleiberecht hätten, so Faeser.

Reform des BND-Gesetzes

Das Kabinett hat eine Reform des BND-Gesetzes beschlossen, mit dem der deutsche Auslandsgeheimdienst besser vor Spionage geschützt werden soll. Die Ministerriege stimmte nach Angaben aus Regierungskreisen einem entsprechenden Entwurf aus dem Kanzleramt zu. Mit den Reformplänen wird auch auf die Russland-Spionageaffäre des Bundesnachrichtendienstes vom vergangenen Jahr reagiert. Um den BND künftig besser gegen Spionage durch eigene Mitarbeiter abzusichern, sollen zum Beispiel verdachtsunabhängige Personen-, Taschen- und Fahrzeugkontrollen durchgeführt werden können. Auch private Geräte wie Smartphones sollen kontrolliert werden können, wenn ein Verdacht vorliegt.

Einsatz von KI in der Verwaltung

Die Bundesregierung will in den kommenden zwei Jahren die technischen und rechtlichen Voraussetzungen für den Einsatz von KI-Anwendungen in der Verwaltung schaffen. Das geht aus der neuen Datenstrategie hervor, die auf der Kabinettsklausur beschlossen wurde. "Wir wollen die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz auch für die öffentliche Hand nutzbar machen", heißt es dazu in dem 26-seitigen Dokument, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

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