Diplomatie:Heikles Telefonat mit Putin

Lesezeit: 2 min

Angela Merkel und Wladimir Putin, ein Bild aus dem Januar 2020. (Foto: Pavel Golovkin/dpa)

Kanzlerin Merkel soll mit dem russischen Präsidenten über eine mögliche Zusammenarbeit bei Impfstoffen gesprochen haben. Es ist erst das zweite öffentlich bestätigte Telefonat der beiden seit der Vergiftung von Alexej Nawalny.

Von Nico Fried, Berlin

Es ist ein Gespräch von einiger Brisanz. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am Dienstag mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert. Zuerst informierte der Kreml über das Gespräch. Demnach ging es um mögliche Perspektiven für die gemeinsame Herstellung von Impfstoffen. Die Gesundheitsministerien beider Länder und Spezialisten sollten die Gespräche dazu fortsetzen. Später bestätigte auch ein deutscher Regierungssprecher das Telefonat. "Im Mittelpunkt stand die Bekämpfung der Covid 19-Pandemie", hieß es in Berlin.

Es ist erst das zweite öffentlich bestätigte Telefonat zwischen Merkel und Putin seit der Vergiftung von Alexej Nawalny. Der russische Oppositionspolitiker war im September mit dem Nervengift Nowitschok angegriffen und nach einigen Tagen in das Berliner Krankenhaus Charité gebracht worden. Das deutsch-russische Verhältnis war danach extrem abgekühlt, die Europäische Union hat Sanktionen gegen Russland verhängt. Am 7. Dezember 2020 hatten Merkel und Putin zum ersten Mal seit den Vorkommnissen wieder miteinander telefoniert. Beide hatten auch am von Saudi-Arabien ausgerichteten virtuellen G20-Gipfel teilgenommen, dabei aber kein bilaterales Gespräch geführt.

Russland sucht Produktionskapazitäten für Sputnik V

Schon in dem ersten Telefonat im Dezember war es, damals noch am Rande, um eine mögliche Zusammenarbeit im Kampf gegen die Corona-Pandemie gegangen; schon damals wurde ein Kontakt zwischen den Gesundheitsministerien vereinbart. Russland hatte im Spätsommer 2020 die Entwicklung eines Impfstoffs vermeldet, Sputnik V, der mittlerweile auch von anderen Staaten angekauft wurde. Westliche Wissenschaftler zeigten sich angesichts fehlender wissenschaftlicher Dokumentationen zunächst skeptisch. Mittlerweile gibt es Studien, die dem russischen Vakzin zumindest eine hohe Wirksamkeit bescheinigen.

Im Gespräch Merkels mit Putin am Dienstag soll es aber dem Vernehmen nach nicht darum gegangen sein, dass Deutschland Engpässe bei der Belieferung mit Impfstoff der Firma Biontech durch Ankäufe von Sputnik V ausgleichen könnte. Die russische Seite ist vielmehr erklärtermaßen auf der Suche nach zusätzlichen Produktionskapazitäten in Europa. Erst vor wenigen Wochen hatte Putin erklärt, mitunter fehle die "notwendige Ausrüstung". Deshalb sei man bereit, mit anderen Ländern bei der Produktion russischer Impfstoffe gegen Covid-19 zusammenzuarbeiten. Dafür müsste allerdings zunächst Sputnik V in Europa zugelassen werden. Einen entsprechenden Antrag hat Russland noch nicht gestellt.

"Nicht die Augen vor den Realitäten verschließen"

In einer Befragung im Bundestag hatte Merkel am 16. Dezember den Wunsch bekräftigt, "gute strategische Beziehungen mit Russland zu haben". Das habe sie "immer und immer wieder gesagt", so die Kanzlerin auf eine Frage des AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla. "Das darf uns aber nicht die Augen vor den Realitäten verschließen lassen." Neben dem Fall Nawalny und der Stagnation im Ukraine-Konflikt nannte Merkel als Belastungen für das deutsch-russische Verhältnis den Mord im Kleinen Tiergarten in Berlin, hinter dem nach Ansicht des Generalbundesanwalts der russische Geheimdienst stecken soll und der gerade vor Gericht verhandelt wird.

Das Telefonat kommt auch deswegen zu einem bemerkenswerten Zeitpunkt, weil sich erst in den letzten Tagen vor Weihnachten Hinweise verdichtet hatten, der russische Geheimdienst stehe auch hinter dem Anschlag auf Nawalny. Merkel hatte Ende November die russische Regierung in scharfen Worten aufgefordert, den Angriff mit dem international geächteten Nervengift aufzuklären. Geschehen ist bislang nichts. Putin selbst bestreitet jede Verwicklung, zuletzt auf einer Pressekonferenz im Dezember. "Wer ist er schon?", sagte Putin damals über Nawalny. Wenn man ihn hätte vergiften wollen, "dann hätte man es auch zu Ende geführt".

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusAnschläge mit Nervengift Nowitschok
:Sorgt euch

Neben dem Coronavirus verbreitete in diesem Jahr noch etwas Unsichtbares Schrecken: das Nervengift Nowitschok. Über zwei Frauen, denen ein paar Gegenmittel zu verdanken sind, und einen Chemiefabrikanten, der Alarm schlägt.

Von Peter Richter

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: