Maskenaffäre:Staatsanwaltschaft München spricht im bayerischen Gesundheitsministerium vor

Lesezeit: 3 min

Hat die Regierung von Markus Söder FFP2-Masken überteuert gekauft? Diesem Verdacht gehen die Ermittler nach. Im Mittelpunkt steht einer der Deals, bei denen Andrea Tandler Provisionen in zweistelliger Millionenhöhe kassiert hat.

Von Klaus Ott, Jörg Schmitt und Ronen Steinke, München

Die Ermittler kamen diskret und unauffällig. Am Mittwochvormittag haben nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR zwei Vertreter der Staatsanwaltschaft München I im bayerischen Gesundheitsministerium vorgesprochen. Johann Kornprobst, Leiter der Staatsanwaltschaft München I, war persönlich vor Ort; zusammen mit einer Staatsanwältin aus der politischen Abteilung. Sie wandten sich an den Amtschef des Ministeriums und hatten eine Reihe von Fragen.

Anlass der Aktion: Ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts, das Ministerium habe zu Beginn des Corona-Pandemie Anfang März 2020 bei der Schweizer Firma Emix eine Million Corona-Schutzmasken überteuert gekauft. Zum Preis von 8,90 Euro pro FFP2-Maske - weit mehr als bei anderen Maskenankäufen der Freistaats Bayern in jener Zeit.

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Der SPD-Landtagsabgeordnete Florian von Brunn hatte in der Sache am 26. Februar Strafanzeige gestellt, die politische Abteilung der Staatsanwaltschaft München I ermittelt nun. Das Gesundheitsministerium wollte sich wegen des laufenden Verfahrens nicht dazu äußern.

Das Verfahren beruht auf Paragraf 266 Strafgesetzbuch, der die Veruntreuung von Steuergeldern für strafbar erklärt, und richtet sich gegen Unbekannt. Es gibt also keine namentlich Beschuldigten im Gesundheitsministerium oder nachgeordneten Behörden. Gleichwohl könnte das Verfahren die Staatsregierung in Erklärungsnot bringen. "Gut, dass die Justiz handelt", sagt von Brunn, der auch SPD-Vorsitzender in Bayern ist. "Es dürfte ein ziemlich einmaliger Vorgang sein, dass die Staatsanwaltschaft in einem Ministerium aufschlägt."

Allein im Mai 2020 sollen 14 Millionen Euro Provision geflossen sein

Was den Fall so brisant macht: Es geht um einen jener Maskendeals, bei denen die Münchner Unternehmerin Andrea Tandler zusammen mit einem Partner Provisionen in insgesamt zweistelliger Millionenhöhe kassiert hat. Andrea Tandler, Tochter des früheren CSU-Generalsekretärs und Ex-Ministers Gerold Tandler, hatte für die Schweizer Firma Emix Tarding in Deutschland mehrere Geschäfte mit Corona-Schutzkleidung vermittelt. Der Bund, Bayern und Nordrhein-Westfalen hatten für insgesamt 683 Millionen Euro bei Emix eingekauft.

Laut Vereinbarung mit Emix sollten Tandler und ihr Partner Darius N. über die gemeinsame Firma Little Penguin (Zwergpinguin) 5 bis 7,5 Prozent Provision bekommen; je nach Vertrag. Das wären zwischen 34 und 51 Millionen Euro. Ein Großteil des Geldes ist auch geflossen. Allein im Mai 2020 sollen es 14 Millionen gewesen sein. Die jetzigen Ermittlungen wegen Untreue richten sich nicht gegen Tandler und ihren Partner. Und auch nicht gegen die die CSU-Europaabgeordnete und Strauß-Tochter Monika Hohlmeier. Sie hatte der mit ihr befreundeten Andrea Tandler Kontakte zur damaligen bayerischen Gesundheitsministerin Melanie Huml und zu Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vermittelt. Nach allem, was bislang bekannt hat, hat Hohlmeier dafür nichts bekommen. Keinen Euro und keinen Cent.

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Der SPD-Politiker von Brunn wirft dem Gesundheitsministerium vor, "Mondpreise" für die von Emix gelieferten Masken gezahlt zu haben. Es bestehe der Verdacht, dass die 8,90 Euro netto pro Maske völlig überteuert gewesen seien. Das seien 61 Prozent mehr als beim nächstteuren Maskengeschäft - und gigantische 358 Prozent mehr als beim billigsten Anbieter in den ersten Monaten der Pandemie.

Von Brunn schreibt in seiner Strafanzeige, es liege auf der Hand, dass die Tochter des früheren CSU-Generalsekretärs Tandler einen hervorragenden Draht zur bayerischen Staatsregierung und zum von der CSU geführten Gesundheitsministerium habe. "Offenbar wurde hier ein Geschäft an jeder wirtschaftlichen Logik vorbei getätigt. Teile des überteuerten Kaufpreises, der aus Steuergeldern bezahlt wird, sind in Form von Maklergebühren an Frau Tandler geflossen."

SPD droht Söder mit Untersuchungsausschuss

Der SPD-Politiker findet es erstaunlich, dass überhaupt eine Maklerin notwendig gewesen sei. In der Causa hat er mehrere Anfragen im Landtag gestellt; die bisherigen Antworten sind für ihn unbefriedigend. Von Brunn wirft Ministerpräsident Markus Söder und dem neuen Gesundheitsminister Klaus Holetschek vor, nichts dazu beigetragen zu haben, "diesen unglaublichen Skandal aufzuklären". Söder und Holetschek hätten vielmehr "die Öffentlichkeit in die Irre geführt und vertuscht". Der SPD-Mann hat beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof Klage auf Auskunft eingereicht. Die SPD droht Söder neuerdings sogar mit einem Untersuchungsausschuss im Landtag.

Holetschek hat von Brunns Vorwürfe wiederholt zurückgewiesen. Zu Beginn der Pandemie sei es um "Leben und Tod" gegangen. Schutzkleidung für Ärzte, Pfleger und andere Personengruppen sei Mangelware gewesen, man habe schnell handeln müssen. "Soweit aus dringenden und zwingenden Beschaffungsverpflichtungen zur Erfüllung staatlich hoheitlicher Aufgaben des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung auch eine Einholung von Vergleichsangeboten nicht möglich war, musste der Auftrag unmittelbar vergeben werden", sagt Holetschek.

Der Kaufvertrag des Freistaats mit der Schweizer Firma Emix über eine Million Masken des Standards FFP2 zum Preis von 8,90 Euro pro Stück datiert vom 3. März 2020. Drei Wochen später kaufte die Staatsregierung bei einer Firma in Baden-Württemberg ebenfalls eine Million FFP2-Masken. Zum Preis von 5,98 Euro pro Stück, also fast drei Euro billiger. Alle anderen Masken kosteten noch weniger.

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