Christian Lindner will jetzt gerne besichtigen, was sie für ihn aufgebaut haben, hier am Truppenübungsplatz im litauischen Rukla. "Fangen wir mit der Panzerhaubitze an?", fragt er Oberst Klaus-Peter Berger, der hier das Kommando hat. Der FDP-Bundesfinanzminister ist diese Woche ins Baltikum gereist; zwei Tage, drei Länder: Lettland und Estland am Donnerstag, Litauen am Freitag, und so ziemlich alles, was Lindner auf dieser Reise gesehen und gehört hat, hat ihm ausgesprochen gut gefallen.
In Riga erklärten ihm sechs junge Start-up-Unternehmer im stuckverzierten Konferenzsaal der deutschen Botschaft, wie wichtig die attraktiven estnischen Steuerregelungen mit Blick auf die Kapitalbeteiligung von Mitarbeitern für sie seien. Eine Sache, von der Lindner daheim in Berlin schon länger seine Koalitionspartner zu überzeugen versucht - noch aber hat der Bundestag sein Zukunftsfinanzierungsgesetz nicht verabschiedet. In Tallinn wiederum gefällt ihm besonders die Drei-Minuten-Steuererklärung, die in dem durchdigitalisierten Land schon seit Jahren Standard ist.
Bald soll in Litauen dauerhaft eine gesamte deutsche Brigade stationiert werden
Und dann sind da noch die bilateralen Gespräche mit seinen jeweiligen Amtskolleginnen und -kollegen, nach denen Lindner und seine Gastgeber sich jedes Mal sehr einig sind, dass die Schuldenregeln in der EU zwar reformiert, aber keineswegs geschliffen werden dürften. So viel Harmonie kann der Minister daheim, in seiner Ampelkoalition mit SPD und Grünen, eher selten genießen.
Und jetzt ist er also in Rukla, wo rund 850 deutsche Soldaten stationiert sind, die meisten davon im Rahmen der "Enhanced Forward Presence Battlegroup". Seit einigen Jahren schon sichert der multinationale Gefechtsverband die Ostflanke des Nato-Gebiets. Und bald soll in Litauen sogar eine gesamte deutsche Brigade dauerhaft stationiert werden, rund 4000 Soldaten. Den Zeitplan hat Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bereits bekannt gegeben, im Dezember sollen Details folgen, etwa zur Vergütung oder Unterbringung.
Um zu verstehen, welche Bedeutung die Präsenz von Nato-Truppen für die Menschen hier seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine hat, reichen kurze Spaziergänge durch die Hauptstädte der drei baltischen Staaten. Überall sind ukrainische Flaggen zu sehen, vor öffentlichen Gebäuden genauso wie im Souvenirshop.
Die deutschen Soldaten, sagt Oberst Berger in Rukla zu Lindner, seien hier auch "kleine Botschafter". Man werde hoch geschätzt von den Menschen vor Ort. Was Deutschland hier leiste, sei ein substanzieller Beitrag in Richtung einer glaubwürdigen Abschreckung gen Osten.
Lindner bekennt sich zum Zwei-Prozent-Ziel - immerhin
Lindner hat jetzt die Panzerhaubitze 2000 erreicht und befragt die anwesenden Soldaten, was sie in ihrer Freizeit so täten und ob die Sportmöglichkeiten ausreichend seien. Man sei gut versorgt, bekommt er zur Antwort. "Keine Wunschliste? Eine Erleichterung", scherzt Lindner. Auch da ist er anderes gewohnt von zu Hause, wo er in den Haushaltsverhandlungen über Monate hinweg milliardenschwere Forderungen seiner Kabinettskollegen abwehren musste.
Ums Geld geht es aber natürlich trotzdem während Lindners Reise durchs Baltikum. In Estland betont der dortige Finanzminister, dass sein Land 3,2 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgebe, in Litauen sind es 2,7 Prozent. Lindner kann sich bei seinen Auftritten am Donnerstag und Freitag immerhin dazu bekennen, dass Deutschland jetzt das Zwei-Prozent-Ziel der Nato dauerhaft einhalten werde. Doch dass dies nicht leicht wird, weiß der Finanzminister natürlich. Denn wenn das 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für die Bundeswehr erst mal aufgebraucht ist, müssen die zusätzlichen Milliarden aus dem normalen Haushalt aufgebracht werden. Auch für die geplante Brigade in Litauen.
Lindner ist nun beim Leopard 2 angekommen, jenem Kampfpanzer, den Deutschland erst nach langen und zähen Debatten in die Ukraine geliefert hat. Der Minister befragt die vier Soldaten, die zur Besatzung gehören, nach ihrem Werdegang. Er habe Informatik studiert, sagt einer von ihnen. Lindner ist beeindruckt. Da gäbe es ja durchaus zivilberufliche Alternativen, sagt er. "Aber nur wenige, die mir dieses Arbeitsumfeld bieten", entgegnet der Soldat mit großem Ernst.
Am Ende, nachdem Lindner noch durch das Zielfernrohr eines Scharfschützengewehrs geguckt hat, erklärt Oberstleutnant Andreas Kirchner, Kommandeur der EFP-Battlegroup, die "statische Waffenschau" für beendet. Der Minister bedankt sich, dass all das möglich gemacht worden sei für seinen Besuch, das sei ja auch immer ein gewisser Aufwand. "Aber da Sie als Bundesfinanzminister sicher auch bald viel für uns möglich machen, war das das geringste Problem", entgegnet der Oberstleutnant. In die allgemeine Heiterkeit hinein versichert Lindner schnell sein stets offenes Ohr für die Anliegen der Streitkräfte. Und "ein bisschen was an Geld" hätten sie ja auch schon organisiert.