Staatsfinanzen:Grünen-Chefin Lang fordert Investitionen jenseits der Schuldenbremse

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Grünen-Chefin Ricarda Lang. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Nötig seien Projekte für "mehr Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit". Im Streit zwischen der Familienministerin und dem Finanzminister versucht Lang, Optimismus zu verbreiten.

Von Oliver Klasen

Die Stimmung in der Ampelkoalition ist gerade im Keller, um es nett auszudrücken. SPD-Chef Lars Klingbeil hat vor ein paar Tagen das Wort "fassungslos" benutzt, so richtig widersprochen haben dieser Zusammenfassung auch die beiden kleineren Regierungspartner nicht. FDP und Grüne beharken sich derzeit besonders unerbittlich. Die Hauptprotagonisten: Familienministerin Lisa Paus und Finanzminister Christian Lindner. Paus blockiert das Wachstumschancengesetz, das 6,5 Milliarden Euro an Entlastungen für Unternehmen vorsieht, weil Lindner ihrer Ansicht nach nicht genug Geld für eines ihrer Projekte zur Verfügung stellen will, die Kindergrundsicherung, die armen Familien zugute kommen soll.

Der Zoff zwischen den beiden kleinen Koalitionspartnern ist eine Grundmelodie, die sich beinahe durch die gesamten 20 Monate Regierungszeit zieht. Niemand in der Koalition scheint gerade eine Idee zu haben, wie man das zügig abstellt. Die einzige Hoffnung ruht auf der Klausur in Meseberg Ende August. In dem brandenburgischen Barockschloss ist schon so manche Regierungskrise entschärft worden.

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Nun setzt Grünen-Chefin Ricarda Lang einen Kontrapunkt gegen die miese Stimmung. "Ich würde uns allen zu ein bisschen mehr Gelassenheit raten", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Man habe sich darauf verständigt, ruhiger aus dem Sommer kommen zu wollen. Dazu gehöre es auch, "nicht vermeintliche Koalitionskrisen herbeizureden", so Lang. 26 Vorhaben habe das Kabinett in dieser Woche beschlossen, darunter Start-Up-Finanzierung und Solarkraftförderung. Nur ein Projekt sei um zwei Wochen verschoben worden.

In der Öffentlichkeit wird sie mit ihrer Interpretation der Wirklichkeit kaum durchkommen. Ihr Vorstoß zielt eher nach innen, auf die eigene Partei und auf die FDP. Das Ziel: den Streit zwischen Paus und Lindner zu einer lösbaren Meinungsverschiedenheit einzudampfen. Beide Projekte, das Wachstumschancengesetz und die Kindergrundsicherung, würden kommen, versichert Lang. Man sei sich in der Koalition einig, Wachstumsimpulse zu setzen. Dabei sei das Wachstumschancengesetz ein erster Schritt mit guten Punkten wie der Prämie für klimafreundliche Investitionen.

Allerdings, so Lang, sollte die Regierung dabei nicht stehenbleiben, sondern weitere Projekte anschieben, "für mehr Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit". Die Ausgaben des Staates erhöhen, das widerstrebt allerdings der FDP. Ihr ist die Schuldenbremse heilig. Nach Jahren der Corona-Krise mit horrenden Haushaltsdefiziten wollen die Liberalen zur haushaltspolitischen Normalität zurück und Ausgabendisziplin wahren, wie Finanzminister Christian Lindner immer wieder betont.

Dass die Schuldenbremse von 2024 an wieder eingehalten werden soll, steht auch im Koalitionsvertrag der Ampel. Die Grünen-Chefin plädiert nun für ein Instrument, dass die Schuldenbremse nicht abschaffen, sie aber aus ihrer Sicht elegant umgehen würde: öffentliche Investitionsgesellschaften.

Lang will noch mehr Töpfe jenseits des Bundeshaushaltes erschließen

"Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, dass wir nicht an die Schuldenbremse rangehen. Das darf aber nicht zur Ausrede werden, uns nicht mit anderen Finanzierungsmöglichkeiten für notwendige Zukunftsinvestitionen auseinanderzusetzen. Denn die gibt es", sagt Lang.

Auch die Investitionsgesellschaften stehen im Koalitionsvertrag. Wirtschaftsminister Habeck hat sich mehrfach für solche Gesellschaften stark gemacht. Die Idee: Der Staat stattet die Gesellschaften mit einem gewissen Eigenkapital aus, so dass diese über Kredite weiteres Kapital aufnehmen und investieren können. Der Bund würde dafür geradestehen. "Ohne jede Auswirkung auf die Schuldenbremse können wir etwa problemlos die Bahn oder die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben so ausstatten, dass sie den Herausforderungen unserer Zeit gerecht werden", sagt Lang. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, kurz Bima, könne dann zum Beispiel in den sozialen Wohnungsbau investieren. "Das wäre eine Win-Win-Situation - für die vielen Menschen, die auch in Zukunft noch bezahlbaren Wohnraum suchen, und für die Baubranche, die etwas Unterstützung in der aktuellen Lage besonders gut gebrauchen kann", so die Grünen-Chefin.

Die Investitionsgesellschaften wären ein weiteres Mittel, um neben dem normalen Bundeshaushalt Geld auszugeben. Solche Zusatztöpfe gibt es unter der Ampel bereits in großem Umfang. Die beiden größten davon sind das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr sowie der sogenannte Klima- und Transformationsfonds. Er wurde mit nicht genutzten Corona-Hilfen gefüttert und ist inzwischen auf mehr als 200 Milliarden Euro angewachsen, die bis 2027 ausgegeben werden sollen. Kritiker sprechen angesichts der riesigen Summen, die in den Zusatztöpfen geparkt sind, von Schattenhaushalten.

Genau wie Habeck spricht sich Lang zudem erneut für die Einführung eines vergünstigen Industriestrompreises aus, um energieintensive Industrien in Deutschland zu halten. Einige Experten halten einen subventionierten Preis zumindest für eine Übergangszeit für denkbar, so lange, bis die Energiewende vorangeschritten ist und genug erneuerbare Energien zur Verfügung stehen. Finanzminister Lindner ist jedoch bisher dagegen.

Mit Material der Nachrichtenagenturen

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