Bundesregierung:Lindners Schatzkästlein

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Der Ausbau der erneuerbaren Energien wird mit 12,6 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert - im Bild ein Solarfeld in Schleswig-Holstein. (Foto: Axel Heimken/dpa)

Mit dem Klima- und Transformationsfonds bezahlt die Koalition den Teil des ökologischen Umbaus, für den wegen der Schuldenbremse im normalen Haushalt kein Geld da wäre. Geht das auf Dauer gut?

Von Henrike Roßbach, Berlin

Als Christian Lindner am 16. Dezember 2021 zum ersten Mal im Bundestag als Finanzminister redete, nahm er sein Manuskript mit ans Rednerpult. Das entspricht nicht unbedingt seiner Gewohnheit, am liebsten redet er frei, zieht höchstens mal einen zusammengefalteten kleinen Zettel aus der Hosentasche. An jenem Dezembertag aber wollte er auf Nummer sicher gehen - auch weil es um eine verfassungstechnisch heikle Mission ging: Die frisch ins Amt gekommene Bundesregierung hatte beschlossen, via Nachtragshaushalt 60 Milliarden Euro an ungenutzten Corona-Krediten in den Energie- und Klimafonds zu verschieben, der später zum Klima- und Transformationsfonds werden und dem Land den Weg in die Klimaneutralität ebnen sollte.

Jetzt, eineinhalb Jahre später, ist der Klima- und Transformationsfonds, kurz KTF, wieder ins Zentrum der politischen Debatte gerückt. Vergangene Woche hat das Kabinett den Wirtschaftsplan für den Fonds verabschiedet - also die genaue Auflistung, für welche Projekte, Förderprogramme und Subventionen bis 2027 wie viel Geld aus dem KTF fließen soll. Und am Mittwoch hat das Kabinett nun auch das Haushaltsfinanzierungsgesetz beschlossen, in dem weitere Regelungen für diesen Schattenhaushalt getroffen werden.

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Bis 2027 sind Ausgaben von 211,8 Milliarden Euro vorgesehen

Denn genau das ist der KTF, eine Schatzkiste der Bundesregierung nebenbei, die nicht mitzählt bei der Schuldenbremse und den Koalitionsfrieden sichern soll - indem aus ihr Ausgaben finanziert werden, für die der Finanzminister in seinem schuldenbremsenkonformen Bundeshaushalt keinen Spielraum sieht. Der Vorläufer des heutigen Fonds ist der 2011 errichtete Energie- und Klimafonds, ein Sondervermögen, mit dem schon die damalige Regierung den Weg in die Klimaneutralität ebnen wollte. Inzwischen hat der Fonds erhebliche Ausmaße angenommen; bis 2027 sind Ausgaben von 211,8 Milliarden Euro vorgesehen, weshalb sich die Frage stellt: Ist dieser KTF vielleicht schon das Konjunkturprogramm, über das jetzt einige Politiker immer lauter reden? Zum Bespiel jene aus der Grünen-Fraktionsspitze, die gerade ein 30-Milliarden-Paket gefordert haben?

Die Rücklagen des Fonds dürften Ende dieses Jahres bei knapp 71 Milliarden Euro liegen. Zusätzlich verfügt er über laufende Einnahmen: Aus dem europäischen Emissionshandel sollen allein 2024 gut acht Milliarden in den Fonds fließen, aus dem nationalen CO₂-Preis rund elf Milliarden. Letzterer, also der Preis für eine Tonne Kohlendioxid, steigt für alle fossilen Brennstoffe im kommenden Jahr von derzeit 30 auf dann 40 Euro; ein Jahr später sollen es 50 Euro sein. Weshalb für das Jahr 2027 schon mit 22 Milliarden Euro aus dieser Geldquelle gerechnet wird.

Eigentlich hatte die Ampel aber versprochen, den Bürgern den CO₂-Preis über eine pro Kopf ausgezahlte Klimapauschale zurückzugeben. Das würde dafür sorgen, dass diejenigen Bürger, die kleine Wohnungen heizen und kleine Autos betanken, am Ende mehr zurückbekommen, als sie gezahlt haben - und umgekehrt; eine soziale Komponente also. Das Problem ist, dass der Staat bislang keine Möglichkeit hat, seinen Bürgern Geld zu überweisen. Die muss erst noch geschaffen werden. Das Finanzministerium arbeitet dran, noch aber lässt die Klimapauschale auf sich warten.

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Sollte das Verfassungsgericht den Fonds kippen, hätte die Ampel ein gewaltiges Problem

Bei seinem Auftritt zum Nachtragshaushalt im Winter 2021 sagte Lindner: "Also, meine Damen und Herren, wir brauchen den Mut zum Aufbruch." Es gehe um den Weg aus der Corona-Krise, um den wirtschaftlichen Erfolg und - auch das - "um die Verantwortung für die zukünftigen Generationen". Deshalb die 60 Milliarden für den Klimafonds, der sei für den notwendigen "Nachholprozess" das "geeignete Instrument". Er beteuerte damals, es gehe mitnichten darum, "allgemeine Projekte der Ampelkoalition oder etwa Staatskonsum" zu finanzieren. Die Mittel würden "zielgerichtet eingesetzt für transformative Investitionen". Das war deshalb wichtig, weil die Union gegen den Haushaltsstunt der Ampel in Karlsruhe klagen wollte. Inzwischen hat sie das in die Tat umgesetzt; mit einem Urteil wird im Herbst gerechnet. Sollte das Verfassungsgericht zu dem Schluss kommen, dass die Regierung die Corona-Kredite nicht hätte umwidmen dürfen, hätte die Ampel ein gewaltiges Problem.

Im Zentrum der KTF-Programme stehen im kommenden Jahr die energetische Gebäudesanierung (knapp 19 Milliarden Euro), der Ausbau der erneuerbaren Energien (12,6 Milliarden), die Elektromobilität (4,7 Milliarden) und der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft (3,8 Milliarden). Allerdings finden sich inzwischen auch etliche Posten im Wirtschaftsplan des Fonds, für die der Interpretationsspielraum von "Klima" und "Transformation" schon etwas gedehnt werden muss. So ist etwa die Förderung der Mikroelektronik - sprich: milliardenschwere Subventionen für die Ansiedlung von Chipfabriken - in den KTF gewandert, allein 2024 sind vier Milliarden vorgesehen. Auch die Bahn soll insgesamt 12,5 Milliarden aus dem Fonds bekommen, davon vier Milliarden 2024. Nun kann man natürlich sagen, dass die Bahn ein klimafreundliches Transportmittel ist. Eigentlich aber sollte die Bahn einen großen Teil ihrer zusätzlich benötigten Mittel aus der Erhöhung der Lkw-Maut bekommen - die braucht die Regierung aber nun zum Teil für andere Ausgaben. Außerhalb des Schatzkästchens.

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