Am Ende ist Heinrich Strößenreuther eines ganz wichtig: "Da ist alles faktenbasiert. Die Technologien sind da und die Finanzen auch." Sein einstündiger Vortrag hätte sonst beim unbedarften Zuhörer den Eindruck eines klimaneutralen Fantasialandes erwecken können. Deutschland soll demnach bis 2030 eine klimaneutrale Energieversorgung haben. Das ist das Ziel der Klima-Union, als deren Vorsitzender und Mitgründer der 53-jährige einstige Bahn-Manager und Fahrrad-Aktivist auftritt. Als Nebeneffekt werde alles billiger, versichert er: der Strom, das Heizen, das Autofahren. Eine solch kühne Vision haben bislang nicht einmal die grünsten Optimisten vorgestellt.
Dabei will die Klima-Union eben nicht zu den Grünen gehören, sondern zur CDU und CSU. Der Verein hat sich vor ein paar Monaten gegründet und will effektive Klimapolitik in die Unionsparteien einbringen, zu den Gründungsmitgliedern zählt neben dem einstigen Grünen Strößenreuther, der dafür extra in die CDU eingetreten ist, etwa die 25-jährige Wiebke Winter aus dem Bundesvorstand der CDU.
Die Gruppe wurde wohlwollend empfangen im Kreis der unionsnahen Vereine, weil Klimapolitik bislang schwach besetzt ist im Portfolio der Konservativen. Sie wirkt dabei ein wenig wie ein grünes U-Boot, das die Skeptiker zum Umdenken bringen will. An diesem Montag verkündete die Klima-Union einen Coup: Friedrich Merz ist an Bord.
Jener Friedrich Merz also, der noch vor Kurzem die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaft, Claudia Kemfert, in der Fernsehtalkshow Lanz fast ausgelacht hatte, als diese davon sprach, dass Klimaschutz ein Grundrecht gerade jüngerer Generationen sei. Die Klima-Union hat Merz aber zu Dialogen mit führenden Vertretern der Energiewirtschaft bewegen können. Diese haben offenbar etwas bewirkt. Stück für Stück seien neue Gedanken bei Merz freigelegt worden, berichtete Klima-Union-Vorstandsmitglied Felix Rodenjohann. Jetzt wirbt Merz, im Team des Kanzlerkandidaten Armin Laschet für Wirtschaftspolitik zuständig, auf der Social-Media-Plattform Instagram für einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien.
Gewinnbeteiligung soll Widerstände überwinden
Die Rechnung der Klima-Union ist ein sehr ambitioniertes, aber bei idealen Voraussetzungen erreichbares Ziel. Sie geht von einem weiterhin sinkenden Preis für Strom aus Windkraft und Photovoltaik aus. Zudem spare sich Deutschland den Import von Öl und Gas, was jährlich 63 Milliarden Euro koste. "Lieber 63 Milliarden von Sonne und Deich als für Putin oder'n Scheich", dichtet Strößenreuther dazu. In der Batterie-Technologie erwarte der Verein eine rasante Entwicklung, sowohl was Preise wie auch Speicherkapazität betreffe.
Widerstände in der Bevölkerung etwa gegen Windkraftanlagen wollen die christdemokratischen Klimaschützer durch eine finanzielle Gewinnbeteiligung der Kommunen besänftigen. Das habe sich bereits in mehreren Orten in Deutschland bewährt. Statt Pflanzen für Biogasanlagen anzubauen, sollen Sonnenkollektoren auf den Feldern stehen, das erhöhe die Effizienz der Energiegewinnung um ein Vielfaches. Zudem plädiert die Klima-Union für eine Photovoltaik-Pflicht auf Neubauten, Subventionen für Gasheizungen in Gebäuden sollen fallen. Im Güterverkehr solle weniger auf die Bahn als auf Elektro-Oberleitungen auf Autobahnen für Lkws gesetzt werden. Das Geld für all die Maßnahmen soll größtenteils aus der Privatwirtschaft kommen.
Aufgabe der Politik sei es, dafür Genehmigungen etwa für Windräder schneller zu erteilen, Bürokratie in allen Facetten abzubauen. Kommt die Klima-Union damit in der CDU/CSU durch, würden die Parteien Hindernisse beseitigen, die sie in den vergangenen 16 Jahren Regierungszeit zu einem Großteil selbst aufgestellt haben.
Im Wahlprogramm ist von den Forderungen nicht viel zu finden
Mit dem Wahlprogramm der Union hat das alles nur bedingt zu tun. Die Klima-Union bedauert, dass die Klimaziele darin weder konform mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens seien noch den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts erfüllten, nicht zu viele Lasten auf künftige Generationen zu verschieben.
Doch die Gruppe will nicht aufgeben. Immerhin hätten es einige Formulierungen ins Wahlprogramm geschafft, es sei eben ein politischer Prozess, sagt Rodenjohann. Sie würde nun versuchen, Mitglied um Mitglied auf ihre Seite zu bringen. Denn nur die Volksparteien hätten die Kompetenz und die Schlagkraft, einen solchen Wandel zu schaffen. "Wir sind angekommen in der CDU und CSU", sagt Wiebke Winter, "weil wir eben nicht in die Opposition gehen, sondern den Weg gemeinsam beschreiten, der am Ende alle retten wird."