Anklage in den USA:Der lange Arm des Regimes

FILE PHOTO: Britain-based Iranian journalist Alinejad poses for a portrait in London

Die in New York lebende iranische Aktivistin Masih Alinedschad wurde im Auftrag Teherans ausgespäht. Geheimagenten sollten sie offenbar in einem Boot aus den USA schaffen.

(Foto: Toby Melville/REUTERS)

Irans Geheimdienst plante laut dem FBI, die Regimekritikerin Masih Alinedschad aus den USA zu kidnappen - es wäre nicht das erste Komplott dieser Art.

Von Paul-Anton Krüger

Die Dreistigkeit hat offenbar auch einen erfahrenen FBI-Ermittler überrascht, der schon gegen Mitglieder des Terrornetzwerks al-Qaida ermittelt hat. "Das ist kein weit hergeholter Filmstoff", sagte William F. Sweeney, Leiter des Büros der US-Bundespolizei in New York. Er hat vier Mitarbeiter des iranischen Geheimdienstes einer Verschwörung angeklagt, die in Brooklyn im Exil lebende Journalistin und Aktivistin Masih Alinedschad zu kidnappen und nach Iran zu verschleppen. Die vier Männer halten sich allerdings vermutlich in Iran auf. Eine weitere Person wurde in Kalifornien verhaftet und muss wegen Unterstützung des Plans vor Gericht.

Alinedschad hat internationale Bekanntheit erlangt mit ihrer maßgeblich in den sozialen Medien geführten Kampagne gegen den Kopftuchzwang in der Islamischen Republik. In Iran sind mehrere Frauen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden, die Alinedschads Aufruf gefolgt waren und Protestvideos von sich gepostet hatten. Sie waren auf ihnen teilweise ohne den Hidschab zu sehen. Auch prangert Alinedschad Misshandlungen von Frauen durch staatliche Stellen an und tritt mit scharfer Kritik am Regime in Exilsendern in Erscheinung. Nach den Protesten gegen den Wahlbetrug im Jahr 2009, der dem Hardliner Mahmud Ahmadinedschad eine zweite Amtszeit als Präsident brachte, war sie ins Ausland geflohen.

Der iranische Geheimdienst hat bereits mehrmals Dissidenten im Ausland gekidnappt und nach Iran überstellt - so abwegig ist der Plot also gar nicht. Allerdings ist es das erste Mal, dass eine solche Operation in den USA aufgeflogen ist.

Staatsvertreter boten der Familie Geld, sie sollten die junge Frau in eine Falle locken

Den Journalisten Ruhollah Zam, der in Frankreich Schutz gesucht hatte, lockten Agenten in den Irak, von wo er mutmaßlich von den Revolutionsgarden nach Iran überstellt wurde. Ein Revolutionsgericht in Teheran verurteilte ihn Mitte 2020 zum Tode. Zam wurde im Dezember 2020 hingerichtet, was zu einem diplomatischen Eklat zwischen Iran und der EU führte. Auch der in den USA lebende Deutsch-Iraner Jamschid Scharmahd, der einer wenig bekannten monarchistischen Gruppe der Exil-Opposition angehört, verschwand im Juli 2020 auf einer Reise in Dubai. Er tauchte später in Iran auf, die Regierung sprach von einer "Geheimdienstoperation".

Iranische Regierungsstellen hatten laut der Anklage schon 2018 vergebens versucht, Verwandte Alinedschads in Iran dafür zu gewinnen, sie zu einer Reise in ein Drittland zu bewegen - offenkundig, um sie von dort nach Iran zu entführen. Die Verwandten lehnten das angebotene Geld demnach aber ab. Die Planungen für den Versuch, Alinedschad in den USA zu kidnappen, sollen dann Mitte vergangenen Jahres begonnen haben.

Die von Iran aus operierenden Geheimdienstler heuerten einen Privatdetektiv an, um Alinedschad auszuspähen. Sie ließen eine hochauflösende Kamera installieren, die ihre Wohnung in Echtzeit überwachte. Führungsoffizier soll ein Mann namens Alireza Shahvaroghi Farahani sein, der auch für die Entführung anderer Dissidenten verantwortlich sein soll.

Zwei weitere Angeklagte informierten sich über die Anmietung von Schnellbooten und spähten Wege aus, um Alinedschad auf ein solches Boot zu bringen. Damit hätte sie ein Kommando von New York nach Venezuela bringen sollen, das mit Iran verbündet ist. In der Anklage wird Alinedschad nicht namentlich identifiziert, sie hat aber öffentlich bestätigt, Ziel des Plots gewesen zu sein. Zudem plante der iranische Geheimdienst laut der Anklage, drei Personen aus Kanada und eine weitere aus Großbritannien nach Iran zu bringen.

Die Anklage fällt in eine Zeit wachsender Spannungen zwischen den USA und Iran und könnte laufende Verhandlungen der verfeindeten Staaten weiter erschweren. Irans Regierungssprecher Ali Rabiei hatte am Dienstag gesagt, dass Gespräche über einen groß angelegten Austausch von Gefangenen noch im Gang seien. Die US-Regierung hatte zuvor "aktive, indirekte Gespräche" bestätigt, Berichte über eine Einigung aber dementiert.

Inzwischen hat der scheidende Präsident Hassan Rohani eingeräumt, dass es vor der Amtseinführung seines Nachfolgers Ebrahim Raisi Anfang August keine Einigung über eine Rückkehr zum Atomabkommen von 2015 geben wird. Der "Tisch ist bereitet", sagte Rohani mit Blick auf die Verhandlungen bei seiner letzten Kabinettssitzung. Er hoffe, dass die 13. Regierung die Arbeit zu Ende führen könne und bedauerte, dass seiner Regierung Steine in den Weg gelegt worden seien.

Raisi, ein Hardliner und Vertrauter des ultrakonservativen Obersten Führers Ajatollah Ali Chamenei, hatte im Wahlkampf angekündigt, die Gespräche nach den Vorgaben Chameneis fortführen zu wollen. Diplomaten rechnen nicht mehr vor Mitte August mit einer neuen Verhandlungsrunde, fürchten aber, dass Iran dann neue Forderungen stellen und damit die bisher erzielten Fortschritte infrage stellen könnte.

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