Wahlkampf in Indien:Tanz um die heilige Kuh

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Anhänger der Aam Aadmi Partei im nordindischen Amritsar bejubeln das Wahlergebnis. (Foto: Stringer/Reuters)

In fünf indischen Bundesstaaten sind nach wochenlangen Wahlen die Stimmen ausgezählt. Waren die Sorgen der Regierungspartei unter Narendra Modi begründet?

Von David Pfeifer, Bangkok

Natürlich ging es auch um heilige Kühe bei diesen Wahlen. Wie könnte es in Indien anders sein? Sie sind zu einem Problem geworden im größten Bundesstaat Uttar Pradesh mit mehr als 200 Millionen Einwohnern, und so wurden sie auch zum Wahlkampfthema. Sind die Kühe zu alt, um Milch zu geben, wurden sie früher verkauft, geschlachtet und exportiert. Doch die Bharatiya Janata Party (BJP), die in Delhi an der Macht sitzt und auch in Uttar Pradesh den Chefminister stellt, ging vom vergangenen Jahr an hart gegen die Schlachtungen vor, im Rahmen ihrer hindunationalistischen Politik.

Etwa 1,6 Millionen streunende Kühe verursachen seitdem Unfälle, vernichten Teile der mageren Ernte, attackieren sogar Menschen. Die Kühe, die den Hindus heilig sind, den Muslimen aber nicht, waren nicht das einzige Thema im vergangenen Wahlkampf, aber ein großes - neben dem schlechten Pandemiemanagement in Delhi und dem rüden Umgang mit protestierenden Bauern. Die große Frage war, ob die BJP unter Premierminister Narendra Modi und Yogi Adityanath, dem Chefminister in Uttar Pradesh, für ihren Kurs abgestraft werden würde.

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Als die Auszählung am Donnerstag in Uttar Pradesh begann, wo seit Februar gewählt wurde, war schnell klar, dass Yogi Adityanath an der Macht bleiben würde. Bei 56 Prozent Wahlbeteiligung gingen mehr als 60 Prozent der Stimmen an die BJP. Die Partei konnte sich in vier der fünf Bundesstaaten, die Wahlen abhielten, durchsetzen. Im wohlhabenden Küstenstaat Goa liegt sie vor dem Nationalkongress, hier werden Koalitionsverhandlungen beginnen. Im abgelegenen Manipur hat eine von der BJP geführte Koalition die meisten Stimmen und wird weiterregieren. Auch im Bergstaat Uttarakhand holte die BJP eine Mehrheit, vor dem zweitplatzierten Nationalkongress, wenn auch eine deutlich kleinere als in Uttar Pradesh.

Nur im Punjab setzte sich die relativ neue Aam Admi Party (AAP) mit einer beeindruckenden Mehrheit gegen den Nationalkongress durch. Sie gewann 111 von 117 Sitzen. Die AAP hatte mit dem Versprechen eines Wandels einen emotionalen Wahlkampf geführt. Sie hielt der amtierenden Regierung vor, den Punjab in den Ruin zu treiben, umwarb Wähler und Wählerinnen mit der Aussicht auf sinkende Lebenshaltungskosten, 1000 Rupien weniger im Monat, knapp zwölf Euro. Auch eine bessere Infrastruktur und kostenlose Stromaggregate wurden versprochen. Solche sehr konkreten Verheißungen sind im indischen Wahlkampf üblich.

Die Wut auf Modi legte sich - aber nicht überall

Dass die BJP im Punjab nicht mehr Stimmen gewinnen konnte, lag letztlich wohl an den aufbegehrenden Bauern. Sie hatten im vergangenen Jahr ihr größtes Protest-Camp an der Grenze zu Delhi errichtet und nehmen nachhaltig übel, dass Modi ohne Diskussion mit ihnen seine Landwirtschaftsreform durchpeitschen wollte.

Das aber erklärt nicht den Erfolg der Regierungspartei im noch bedeutenderen Agrarstaat Uttar Pradesh. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten wird eine Partei in diesem Bundesstaat wiedergewählt. Normalerweise sind die Menschen nach jeder Legislaturperiode so enttäuscht, dass sie beim nächsten Mal für jemand anderes votieren. Die Bauern in Uttar Pradesh hatten im vergangenen Sommer noch gedroht, sich geschlossen hinter eine andere Partei zu stellen, egal welche. Doch dann zog Narendra Modi die umstrittene Agrarreform zurück, und die Wut legte sich.

Nachdem die Pandemie im vergangenen Frühsommer binnen weniger Tage das indische Gesundheitssystem kollabieren ließ und in Delhi Menschen vor überfüllten Krankenhäusern erstickten, veröffentlichte India Today im August 2021 eine Umfrage: Nur noch 24 Prozent der Bevölkerung glaubten demnach, dass Modi geeignet sei, das Land weiter zu führen - eine Verschlechterung um 40 Prozent. Allerdings war Yogi Adityanath zur gleichen Zeit in Uttar Pradesh unterwegs, ließ sich überall sehen und hören, versprach Hilfe und lieferte sie häufig auch. Und Adityanath ist nicht nur ein sehr sicht- und nahbarer Politiker, er ist obendrein Hindu-Priester.

Die BJP erarbeitete 2021 ein Gesetz zu einer Zwei-Kind-Politik, das sich klar gegen Muslime im Land richtet, die häufig mehr Nachwuchs bekommen. Damit schürte die Partei die Furcht unter der hinduistischen Mehrheit, dass sie bald in die Minderheit geraten könnte. Zudem investierte die radikale Freiwilligenorganisation der BJP, der Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS), in einen Tür-zu-Tür-Wahlkampf. Wenn es um die intensive Bearbeitung einzelner Bevölkerungsgruppen durch den RSS geht, ist in Indien von der "Wahlmaschine" der BJP die Rede.

Alte Kühe verzehren im Schatten ihr Gnadenheu

Der RSS war auch die treibende Kraft hinter dem Bau des hinduistischen Ayodhya-Tempels in Uttar Pradesh. Er entsteht, unterstützt von Chefminister Yogi Adityanath, unter großen Sicherheitsvorkehrungen auf den Ruinen einer niedergebrannten Moschee. Wer das RSS-Wohnheim in Ayodhya besucht, muss sich ungefragt Tiraden gegen die Familienplanung der muslimischen Mitbürger anhören, und dass sie Ärger machen würden, wo auch immer sie in der Mehrheit sind. Auf dem großen Gelände findet sich aber auch ein Stall, in dem alte Kühe im Schatten stehen und bei Wasser und Heu ihre letzten Tage genießen.

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