Gewerkschaften:Der zähe Kampf gegen die hohen Preise

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Kundgebung der IG Metall: Unternehmen, die einen Auftrag vom Bund haben wollen, müssen sich künftig an den Tarif halten. (Foto: Daniel Löb/dpa)

Die Gewerkschaften stemmen sich gegen die Auswirkungen der Inflation - doch bei den Beschäftigten kam davon noch nicht besonders viel an.

Von Benedikt Peters

Inflation, das ist für die Gewerkschaften eine zweischneidige Sache. Nicht, dass die Arbeitnehmervertreter sich freuten, wenn die Preise durch die Decke gehen. Und doch: In der Energiekrise, die das Leben deutlich teurer macht, liegt für Gewerkschafter eine Chance. Es sind Zeiten, in denen sie sich besonders profilieren können als die Anwälte der Angestellten und Arbeiter, indem sie höhere Löhne durchsetzen und so die Leute vor den heftigen Preissteigerungen schützen.

Bleibt die Frage, inwiefern den Gewerkschaften dies bisher gelungen ist. Die Hans-Böckler-Stiftung, die den Arbeitnehmervertretern nahesteht und somit unberechtigter Kritik unverdächtig ist, hat Zahlen ermittelt. Sie kommen einem eher schlechten Zeugnis gleich, zumindest auf den ersten Blick. Im Krisenjahr 2022 stiegen die Löhne demnach zwar auf dem Papier moderat an, tatsächlich aber wurden sie von der Inflation - aufs Jahr gerechnet 7,9 Prozent - sofort wieder aufgefressen. Unter dem Strich, so die Böckler-Stiftung, stehe ein "in der Geschichte der Bundesrepublik einzigartiger Reallohnverlust" von durchschnittlich etwa 4,7 Prozent.

Haben die Gewerkschaften die Krise also verschlafen? Der Schluss wäre trotzdem falsch, da er eines außer Acht ließe: Tarifpolitik wirkt immer zeitverzögert. Die Arbeitnehmervertreter haben im vergangenen Jahr sehr wohl kräftige Lohnerhöhungen vereinbart, die - gemeinsam mit den Entlastungspaketen der Bundesregierung - die Inflation weitgehend auffangen. Aber die meisten Arbeitnehmer spüren das nicht sofort, weil die neuen Tarifverträge erst etwas später in Kraft treten.

Das illustriert zum Beispiel der wichtigste Abschluss des vergangenen Jahres: In der Metall- und Elektroindustrie einigten sich die Tarifparteien im Herbst auf ein kräftiges Plus für knapp vier Millionen Arbeitnehmer: 8,5 Prozent mehr Lohn in zwei Schritten und zwei Sonderzahlungen von insgesamt 3000 Euro. Doch das Geld kommt erst in diesem und im nächsten Jahr bei den Beschäftigten an. Ganz ähnlich lief es auch in der Chemie- und Pharmaindustrie, dort bekommen 580 000 Beschäftigte den Großteil der Gehaltserhöhungen auch erst seit Januar 2023.

In anderen Branchen haben die Gewerkschaften noch nicht verhandelt, weil die Tarifrunden erst in diesem Jahr anstehen. Die bisher erhobenen Lohnforderungen zeigen, dass die Arbeitnehmervertreter viel daransetzen, mindestens einen Inflationsausgleich herauszuholen. Bei der Deutschen Post fordert Verdi für die etwa 160 000 Beschäftigten 15 Prozent mehr Lohn - und schreckt, wie sich Ende vergangener Woche zeigte, nicht vor größeren Streiks zurück. Im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen, wo die Verhandlungen für etwa 2,5 Millionen Arbeitnehmer am Dienstag beginnen, soll es 10,5 Prozent mehr geben. Die Mindestforderung von monatlich 500 Euro Plus, die Verdi und der Beamtenbund dort erheben, würde für Menschen mit niedrigen Einkommen sogar noch deutlich höhere Steigerungen von mehr als 20 Prozent bedeuten.

Insgesamt geht es in den Tarifrunden in diesem Jahr um die Gehälter von etwa elf Millionen Beschäftigten, auch im Einzelhandel, in verschiedenen Industriezweigen und im öffentlichen Dienst der Länder laufen die Verträge aus. Die Auseinandersetzungen dürften heftig werden, da die Gewerkschaften unter großem Druck stehen und ihre Mitglieder nicht enttäuschen wollen, auf deren Beiträge sie schließlich angewiesen sind. Zugleich stehen auch die Arbeitgeber unter Druck, auch sie leiden schließlich unter den hohen Energiepreisen. Dass der öffentliche Dienst im Frühjahr zu Arbeitsniederlegungen aufrufen wird, ist wahrscheinlich - und es dürften nicht die letzten Warnstreiks im Jahr 2023 sein.

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