Nahost:Hilfe für Gaza läuft wieder an

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Vertriebene Palästinenser erhalten Hilfe von UN-Mitarbeitern in Rafah, Gaza. (Foto: -/AFP)

Die Bundesregierung reagiert erleichtert auf den Bericht zum Hilfswerk UNRWA und setzt die Zusammenarbeit fort. Wie schwierig Hilfeleistung auch jenseits von Gaza ist, erlebt Entwicklungsministerin Schulze im Westjordanland.

Von Michael Bauchmüller und Paul-Anton Krüger, Berlin

Drei Monate ist es her, da geriet auch das UN-Hilfswerk UNRWA zwischen die Fronten des Gaza-Kriegs. Israel habe mitgeteilt, dass mehrere Mitarbeiter des Hilfswerks in den Hamas-Angriff vom 7. Oktober verwickelt seien, gab seinerzeit UNRWA-Chef Philippe Lazzarini bekannt. Deutschland setzte daraufhin die Bewilligung neuen Geldes für die Arbeit der UN-Organisation im Gazastreifen aus. Die Vereinten Nationen versprachen eine unabhängige Prüfung der Vorwürfe.

Seit dieser Woche liegt der Bericht der "Independent Review Group" vor, geleitet von der einstigen französischen Außenministerin Catherine Colonna. Sie hatte die weitergehende Frage zu prüfen, ob das UNRWA die geforderte politische Neutralität wahrt. Israel hatte von einer Unterwanderung durch die Hamas gesprochen. An diesen Bericht hatte die Bundesregierung die Wiederaufnahme der Zahlungen geknüpft. Dagegen war die direkte Beteiligung von UNRWA-Mitarbeitern an dem Terrorangriff der Hamas nicht Gegenstand der Untersuchung Colonnas. Diesen Vorwürfen gehen die UN intern nach.

Einen Ausfall der Hilfe gab es nicht

Colonna verlangt Konsequenzen etwa für die Innenrevision des Hilfswerks und eine stärkere Besetzung mit internationalem Personal, aber auch mehr externe Aufsicht über Projekte und mehr interne Fortbildung. Auch sollen Personallisten weiterhin mit israelischen Sicherheitsbehörden abgeglichen werden. Die 50 Empfehlungen des Colonna-Berichts müssten nun "unverzüglich umgesetzt werden", verlangten Auswärtiges Amt und Entwicklungsministerium, sehen aber die Voraussetzungen nun gegeben, die Zusammenarbeit auch im Gazastreifen wieder aufzunehmen.

"Wir sind ganz froh, dass dieser Bericht so positiv ist", sagt Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD), die dieser Tage in der Region weilt. "Mit dem Bericht im Rücken können wir die Arbeit fortsetzen." Ausgefallen war in der Zwischenzeit keine Hilfe; zwar wurden keine neuen Mittel bewilligt, es standen aber auch keine zur Bewilligung an. Für Jordanien, Libanon oder das Westjordanland dagegen lief die Hilfe wie gehabt weiter.

Schulze besucht das Dörfchen Biddu

Ausdrücklich begrüßt die Bundesregierung, dass die einstige niederländische Finanzministerin Sigrid Kaag nun als zentrale UN-Hilfskoordinatorin für Gaza fungiert. Die Bundesregierung werde Kaag "nach allen Kräften unterstützen". Wie Australien, Kanada, Schweden und Japan werde man die Zusammenarbeit mit dem UNRWA in Gaza "in Kürze" wieder aufnehmen. Der kurzfristige Finanzierungsbedarf sei derzeit durch vorhandene Mittel gedeckt. Die Hilfe sei "angesichts der anhaltenden humanitären Katastrophe in Gaza wichtiger denn je".

Wie schwierig die Lage auch jenseits von Gaza ist, davon hatte sich Schulze am Dienstag überzeugen können. Die Ministerin besuchte das Dörfchen Biddu, keine zehn Kilometer Luftlinie von Jerusalem entfernt - im Westjordanland. Von den 6000 Einwohnern hätten mehr als 2800 nach dem 7. Oktober ihre israelischen Arbeitserlaubnisse verloren, erfuhr Schulze dort. Insgesamt 500 000 Arbeitsplätze seien verloren gegangen, die Arbeitslosigkeit im Westjordanland liege mittlerweile bei 40 Prozent. "Das ist zusätzlicher sozialer Sprengstoff in einer ohnehin höchst angespannten Lage", sagt Schulze.

Bei einem Treffen mit dem neuen palästinensischen Premier Mohammad Mustafa in Ramallah sagte sie den Start einer neuen Initiative für Arbeitsplätze zu, die zunächst mit 25 Millionen Euro ausgestattet werden soll. So sollen etwa kleine und mittlere Unternehmen unterstützt werden, der Bau und Betrieb von Kindergärten, oder auch Kommunen, die Menschen kurzfristig beschäftigen, und sei es für die Pflege von Grünflächen. Ziel sei es, im Westjordanland und Ostjerusalem in den nächsten drei Jahren 25 000 Jobs zu schaffen oder zu erhalten. Andere Geber sollen sich der Initiative anschließen können. Es gehe auch darum, der palästinensischen Bevölkerung Stabilität zu geben, sagte Schulze.

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