G-7-Treffen auf Capri:Auswege aus der Eskalationsspirale

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Bundesaußenministerin Annalena Baerbock im Gespräch mit US-Außenminister Antony Blinken, auf Capri. (Foto: Kira Hofmann/IMAGO/photothek)

Israel soll am Freitag mit einem Vergeltungsschlag auf Irans Angriff reagiert haben. Die G-7-Staaten warnen vor einer Ausweitung des Konflikts in Nahost.

Von Paul-Anton Krüger, Capri

Die G-7-Außenminister durchlebten bei ihrem Treffen auf Capri eine unruhige Nacht, nicht nur weil am frühem Freitagmorgen ein Gewitter mit gewaltigem Donner und Sturzregen über die italienische Mittelmeerinsel zog. Sie wurden von ihren Mitarbeitern aus den Betten geklingelt, als die Nachrichten eintrafen, dass Israel einen militärischen Gegenschlag auf Iran unternimmt. Tags zuvor hatten sie noch eindringlich dazu aufgerufen, die Lage nicht weiter zu eskalieren, ein Appell, der sich erkennbar an den israelischen Premier Benjamin Netanjahu richtete.

Allerdings hatte wohl niemand aus dem Kreis der Minister damit gerechnet, dass Israels Regierungschef und sein Kriegskabinett auf eine Antwort verzichten würden, nachdem das Regime der Islamischen Republik in der Nacht zum Sonntag mehr als 300 Drohnen, Marschflugkörper und auch ballistische Raketen auf Israel abgefeuert hatte. Das Ausmaß des Angriffs sei "beispiellos" gewesen, was seine Größe und die zum Einsatz gebrachten Waffensysteme angehe, sagte US-Außenminister Tony Blinken bei seiner Pressekonferenz am Freitag auf Capri.

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Offenbar hat Israel auf Irans Luftschläge reagiert und in der Nacht mit Drohnen einen iranischen Militärflugplatz angegriffen. Das iranische Regime will davon kaum etwas wissen, auch Benjamin Netanjahu schweigt bisher. Was passiert ist - und was es bedeuten könnte.

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Ansonsten gab sich der Amerikaner wortkarg. "Die Vereinigten Staaten sind in keiner Weise in irgendwelche offensiven Operationen involviert gewesen", sagte er. Die G-7-Staaten seien fokussiert darauf, die Spannungen zu deeskalieren und weitere Konflikte zu vermeiden. Mehr wollte er auch auf mehrmalige Nachfrage nicht preisgeben.

Zumindest wurde klar, dass die USA von der Attacke nicht überrascht wurden, anders als von dem israelischen Angriff am 1. April auf Generäle der Revolutionsgarde in Damaskus - Ausgangspunkt des aktuellen Schlagabtauschs. Allerdings plauderte dies Gastgeber Antonio Tajani aus - nicht Blinken. Die USA seien "in letzter Minute" in Kenntnis gesetzt worden.

Iraner demonstrieren nach dem Freitagsgebet in der Hauptstadt Teheran gegen Israel. (Foto: ATTA KENARE/AFP)

Für Bundesaußenministerin Annalena Baerbock dürfte sich ihr enges Verhältnis zu Blinken ausgezahlt haben, denn öffentlich waren auch am Freitagnachmittag kaum belastbare Informationen verfügbar. Von Explosionen in der Stadt Isfahan berichteten iranische Staatsmedien, drei Drohnen seien dort abgeschossen worden. In US-Medien dagegen war unter Berufung auf Regierungsquellen in Washington und Jerusalem von Raketen die Rede, die einem Luftwaffenstützpunkt gegolten hätten. Offizielle Stellungnahmen gab es weder seitens Israels noch vom Regime in Teheran.

In Berlin wird die Lage genauestens verfolgt

Baerbocks Statement ähnelte dann nicht zufällig Blinkens dürren Worten. Was zähle, seien "maximale Abstimmung und Vertrauen zwischen G7" und den "Kolleginnen und Freunden". Man sei in der vergangenen Nacht in engem Austausch gewesen. Die Ministerin sagte, sie äußere sich "vor dem Hintergrund von Berichten" über Militärschläge, und bekräftigte, die G7 forderten "alle Seiten dazu auf, eine weitere Eskalation zu verhindern".

In Berlin habe der Krisenstab getagt, die Bundesregierung verfolge die Lage genauestens. Iran habe versucht, "eine ganze Region ins Chaos zu stürzen", das dürfe nicht ohne Konsequenzen bleiben. Deswegen hätten die G7 beschlossen, das "Regime mit weiteren Sanktionen und Maßnahmen zu belegen".

Die äußerst zurückhaltende Kommunikation erklärt sich mit der stillen Hoffnung, dass sich der direkte Schlagabtausch zwischen Israel und Iran an diesem Punkt wieder unter Kontrolle bringen lässt. Wenn iranische Staatsmedien verbreiten, es seien Drohnen von "Infiltratoren im Land" gestartet worden, dann nimmt das Druck vom Regime, erneut mit einem Angriff auf israelisches Territorium zu reagieren. Ob Israels Regierung die Sache als abgeschlossen betrachtet, ist allerdings eine offene Frage.

Der Konflikt dürfe auf keinen Fall auf andere Länder übergreifen, machte Gastgeber Tajani vorsorglich klar. Er hob Libanon hervor, wo Italien Soldaten für die UN-Truppe Unifil stellt. Sie soll einen Puffer bilden zwischen Israel und der von der iranischen Revolutionsgarde kontrollierten Schiiten-Miliz Hisbollah. Die Miliz greift regelmäßig Ziele in Israel an, die israelische Streitkräfte antworten mit Artilleriebeschuss und Luftangriffen - auch in Syrien, wo die Revolutionsgarde präsent ist. Am Freitag gab es auch Berichte, dort seien Radarstellungen der Flugabwehr angegriffen worden.

Auf Capri traten die anderen Themen in den Hintergrund. Blinken machte allerdings deutlich, dass man die Augen von der Situation im Gazastreifen nicht abwenden werde. Es müsse unverzüglich mehr Zugang für humanitäre Hilfe geben und eine Verteilung im gesamten Gazastreifen. Zudem sagten die wichtigsten westlichen Industriestaaten der Ukraine zu, sie schnellstmöglich mit zusätzlichen Luftverteidigungssystemen zu beliefern. Positiv aufgenommen wurde eine entsprechende Initiative Deutschlands.

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