Familienpolitik:Ein Katalog der Vielfalt

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Mutter, Mutter, Kind: Der liberale Justizminister will ein Familienrecht, das "keine Familienform benachteiligt". (Foto: Mareen Fischinger/imago/Westend61)

Mehr Freiräume bei Adoptionen, ein Wechselmodell für Trennungseltern, Rechtsklarheit für Patchworkfamilien: So will Justizminister Marco Buschmann das Familienrecht modernisieren.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Kaum ein gesellschaftliches Milieu wandelt sich so schnell wie die Familie. In aller Selbstverständlichkeit wachsen Kinder heute mit unverheirateten oder getrennten Eltern auf, mit Adoptiveltern, zwei Müttern, der neuen Partnerin des Vaters. Die Rechtslage allerdings hält da nicht mit, meint Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Am Dienstag hat er in Berlin Eckpunkte für eine Reform des Abstammungs- und des Kindschaftsrechts vorgelegt. Es ist ein ganzer Katalog.

"Wir brauchen einen Modernisierungsschub in Deutschland - auch im Familienrecht", erklärte Buschmann. Die familiäre Vielfalt der Gegenwart sei in Gesetzbüchern oft nicht vorgesehen. "Den Preis dafür zahlen Eltern und Kinder: Vielen macht das Familienrecht das Leben unnötig schwer." Ziel sei nun "ein Familienrecht, das für alle Familienformen die passenden Regeln bietet - und keine Familienform benachteiligt", so Buschmann.

Auch Männer, die Samen spenden, will Buschmann besser stellen

Zunächst betrifft die Reform des Abstammungsrechts gleichgeschlechtliche Eltern und ihre Kinder. Wird ein Kind in die Ehe von zwei Frauen geboren, muss die Partnerin der leiblichen Mutter es bisher erst adoptieren, um gleichberechtigt rechtliche Mutter zu werden, ein oft umständliches Verfahren, das von heterosexuellen Eltern nicht verlangt wird. Damit soll nun Schluss sein. Nach Buschmanns Plänen soll die nicht leibliche Co-Mutter mit der Geburt des Kindes "kraft Gesetzes" Mutter sein, sofort. Außerdem kann sie die Mutterschaft anerkennen. Für einen Mann, der die Vaterschaft für ein Kind anerkennt, gilt das längst.

Aber auch Männer, die Samen spenden, will Buschmann besser stellen, damit sie später - wenn gewünscht - eine verlässliche Beziehung zum Kind haben können. Erklärt sich ein Mann zum Beispiel bereit, einem lesbischen Paar mit einer privaten "Becherspende" zu einem Kind zu verhelfen, kann in einer Elternschaftsvereinbarung geregelt werden, welche rechtliche Beziehung er später zum Kind hat. Auch der Umgang mit dem Kind kann so geregelt werden - vor der Spende, damit alle sich rechtzeitig über ihr Rolle einig sind. Ist die Vereinbarung erwünscht, muss sie beurkundet werden, beim Jugendamt oder einer Notarin.

Eine Revolution sei nicht geplant, ließ Buschmann wissen. Es bleibe dabei, dass nur zwei Personen rechtliche Eltern sein können. Anders als von manchen befürchtet, würden die Begriffe "Mutter" und "Vater" nicht abgeschafft. Auch in Zukunft soll rechtlicher Vater bleiben, wer bei der Geburt eines Kindes mit der Mutter verheiratet ist, wer die Vaterschaft anerkennt oder erfolgreich vor Gericht hat feststellen lassen. Solange ein solches Verfahren läuft, soll grundsätzlich kein anderer Mann die Vaterschaft für ein Kind anerkennen können. Damit gewinnen Männer, die vermuten, der leibliche Vater eines Kindes zu sein, mehr Zeit für eine gerichtliche Prüfung. Ebenfalls neu: eine enge soziale Bindung des Kindes zum neuen Partner der Mutter soll eine Anfechtung der Vaterschaft nicht mehr ausschließen.

Kinder sollen einfacher erfahren können, von wem sie abstammen

Größere Freiräume im Familienrecht, so nennt der Liberale Buschmann das, soll es auch bei Adoptionen geben. Bisher sind sie nur verheirateten Paaren erlaubt. In Zukunft sollen Adoptionen auch unverheirateten Partnern ermöglicht werden - oder einem Ehepartner allein. Außerdem sollen Kinder einfacher erfahren können, von wem sie abstammen. Adoptivkindern soll ab 16 Jahren eine "Alleinentscheidungsbefugnis" darüber zugestanden werden, welche Daten über die Umstände ihrer Adoption offenbart werden.

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Für einige Aufregung unter Trennungseltern dürften Buschmanns Pläne zum Wechselmodell sorgen. Gemeint ist eine Konstellation, bei der Eltern nach ihrer Trennung die Kinder zu gleichen Teilen betreuen oder jeweils zu einem "erheblichen Anteil", also nicht nur jedes zweite Wochenende. Bisher ordnen Familiengerichte dieses Wechselmodell in der Regel nicht gegen den Willen eines Elternteils an, schon gar nicht bei hochstrittigen Ex-Paaren. Das soll sich nun ändern. Buschmanns will durchsetzen, dass das Wechselmodell auch gegen Widerstände angeordnet werden kann. "Zentraler Maßstab" soll dabei die Überzeugung des Gerichts sein, dass die nahezu hälftige Aufteilung der Betreuungszeiten dem Kindeswohl "am besten entspricht". Auch das Unterhaltsrecht müsste hierzu reformiert werden, was allerdings noch nicht spruchreif ist.

Und da zu Patchworkfamilien oft ein ganzes Netz von Partnerinnen und Angehörigen gehört, die bei der Kinderbetreuung helfen, soll auch hier mehr Rechtsklarheit her. Sorgeberechtigte, also meistens die Eltern, sollen in Zukunft bis zu zwei weiteren Personen schriftlich das sogenannte Kleine Sorgerecht übertragen können. Es berechtigt zur Mitsprache im Alltag eines Kindes, die Begleitung zum Arzt oder Hausaufgabenbetreuung. Bisher ist es auf neue Ehepartner der Eltern beschränkt. In Zukunft sollen auch unverheiratete neue Partner das Kleine Sorgerecht bekommen können. Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, begrüßte die Pläne. "Viele Familien warten dringend auf diese Reform", sagte er der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag.

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