Europäische Union:EU-Parlament beschließt Lieferkettengesetz

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Mit ihrem Lieferkettengesetz will die EU weltweit Menschenrechte stärken, etwa in der Demokratischen Republik Kongo, wo Arbeiter häufig unter schlechten Bedingungen für wenig Geld Rohstoffe in Minen abbauen. (Foto: Junior Kannah /AFP)

Luftverschmutzung, Menschenrechte, Verpackungsmüll: In Straßburg stimmen die Abgeordneten an diesem Mittwoch über mehrere bedeutende Reformen ab. Ein Überblick.

Es ist ein Tag der Entscheidungen: Die Abgeordneten im Straßburger Europaparlament stimmen an diesem Mittwoch über mehrere wegweisende Gesetzesvorhaben ab. Es geht um Menschenrechte, Luftverschmutzung und Agrarpolitik. Das sind die wichtigsten Themen:

EU-Lieferkettengesetz

Große Unternehmen sollen künftig zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie von Menschenrechtsverletzungen wie Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Darauf zielt das EU-Lieferkettengesetz ab, für das eine Mehrheit der Parlamentarier stimmte. Zudem müssen größere Unternehmen Klima-Pläne erstellen.

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Vertreterinnen und Vertreter des Europaparlaments und der EU-Staaten hatten vor der Abstimmung hart verhandelt. Ein erster Kompromiss fand zunächst keine ausreichende Mehrheit und wurde nochmals abgeschwächt.

Statt wie ursprünglich geplant, soll das Gesetz nicht schon für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und mindestens 150 Millionen Euro Umsatz gelten, sondern erst ab 1000 Beschäftigten und 450 Millionen Euro Umsatz. In den ersten Jahren nach der Einführung des Gesetzes sind die Grenzen noch höher. Dennoch würde die neue Regelung in bestimmten Aspekten über das deutsche Lieferkettengesetz hinausgehen. Dort ist im Gegensatz zu der europäischen Version ausgeschlossen, dass Unternehmen für Sorgfaltspflichtverletzungen haftbar sind.

Kritiker - wie etwa die FDP - äußern die Sorge, dass bürokratische Belastungen für Unternehmen durch das Gesetz zu groß seien. Als die Mitgliedstaaten ihren Beschluss in Brüssel fassten, enthielt sich Deutschland wegen des Widerstands der Liberalen seiner Stimme und verweigerte auch der abgeschwächten Version die Zustimmung.

  • Kommentar: Das Lieferkettengesetz ist nur noch ein Schatten seiner selbst (SZ Plus)

Luftverschmutzung

Schlechte Luft bleibt nach Einschätzung der EU-Umweltagentur EEA das größte von Umweltbedingungen ausgehende Gesundheitsrisiko. Für Feinstaub, Stickstoffdioxid (NO₂) und Schwefeldioxid (SO₂) sollen deshalb von 2030 an schärfere Grenzwerte gelten, beschlossen die Abgeordneten in Straßburg.

Die EU-Staaten müssen noch zustimmen, das gilt aber als Formsache. Bürger sollen künftig etwa Anspruch auf Entschädigung bekommen, wenn sie wegen nicht eingehaltener Grenzwerte krank werden. Für bestimmte Feinstaubpartikel sowie Schwefeldioxid sollen die Grenzwerte halbiert werden. Nach der Abstimmung im Europaparlament müssen die EU-Staaten die neuen Regeln noch bestätigen. Das ist in der Regel Formsache und für kommende Woche vorgesehen.

Durch die Aktualisierung der Luftqualitätsstandards werde die Umweltverschmutzung in der gesamten EU halbiert "und der Weg für eine gesündere, nachhaltigere Zukunft geebnet", sagte der sozialdemokratische EU-Abgeordnete Javi López, der im Parlament für das Vorhaben zuständig war.

Agrarreform

Wütende Bauern haben in diesem Jahr nicht nur in Deutschland, sondern auch schon mehrfach in Brüssel demonstriert und mit ihren Traktoren das Europaviertel lahmgelegt. Und der Protest zeigt Wirkung: Vielen europäischen Politikern ist es ein großes Anliegen, die aufgebrachten Landwirte rechtzeitig vor der Europawahl Anfang Juni zu beruhigen.

Das Europaparlament in Straßburg dürfte nun am späten Mittwochnachmittag für ein Reformpaket stimmen, das den Bauern weniger Bürokratie und mehr Einkommen bringen soll - aber auch die Umwelt- und Klimapolitik der EU gefährdet, wie Kritiker bemängeln.

Die Landwirtinnen und Landwirte werden damit dauerhaft von der Pflicht entbunden, vier Prozent der Ackerflächen brachliegen zu lassen. Wer es dennoch tut, muss dafür vom Staat entlohnt werden, die EU setzt also auf Freiwilligkeit. Aufgeweicht werden Regeln für die Fruchtfolge, die erlassen worden waren, damit die Böden sich besser erholen können. Etliche andere Ökoregeln können die nationalen Regierungen zudem flexibler als bisher anwenden. Betriebe unter zehn Hektar Fläche sollen nicht mehr kontrolliert werden, ob sie die Regeln wirklich anwenden.

Verpackungsmüll

Verpackungsmüll ist allgegenwärtig und ein großes Problem für die Umwelt. Mit neuen Regeln aus Brüssel soll er nun reduziert werden. Die Abgeordneten stimmten am Mittwoch in Straßburg für ein Verbot von bestimmten Einweg-Verpackungen - etwa für unverarbeitetes frisches Obst und Gemüse oder Einzelverpackungen wie für Zucker ab 2030. Insgesamt soll Verpackungsmüll in der Staatengemeinschaft bis 2040 schrittweise um mindestens 15 Prozent reduziert werden.

In Zukunft soll es für jegliche Verpackungen strengere Vorschriften geben. Mit bestimmten Ausnahmen etwa für Textilien, Keramik oder Gummi sollen den Angaben zufolge sämtliche Verpackungen recycelbar sein. Unter anderem für Umverpackungen gilt künftig, dass der Leerraumanteil höchstens 50 Prozent betragen darf. Gastronomen müssen es künftig akzeptieren, wenn Verbraucher eigene Behälter für den Transport von Speisen mitbringen. Außerdem sollen sie den Angaben nach bis zum Ende des Jahrzehnts zehn Prozent ihrer Produkte in wiederverwendbaren Verpackungen anbieten.

Nach der Abstimmung im Plenum des Europaparlaments müssen auch noch die EU-Staaten die neuen Vorschriften bestätigen. Das ist in der Regel Formsache.

Gewalt gegen Frauen

Sexuelle und häusliche Gewalt sollen in der EU künftig einheitlich schärfer geahndet werden. Wie eine Mehrheit der Europaabgeordneten am Mittwoch in Straßburg entschied, sollen Cyber-Stalking, Zwangsheirat, weibliche Genitalverstümmelung oder das Verschicken intimer Bilder ohne Einverständnis künftig in der gesamten EU unter Strafe stehen.

Betroffene müssen zudem Zugang zu geschützten Unterkünften haben. Die Behörden der Mitgliedstaaten müssen künftig auch die Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen, dass nicht einvernehmliche sexuelle Handlungen als Straftat gelten.

Der Deutschen Frauenrat begrüßte die Richtlinie. Vorstandsmitglied Sylvia Haller bezeichnet die neue EU-Richtlinie im Gespräch mit der Deutschen Press-Agentur als Meilenstein, monierte aber eine schwerwiegende "Leerstelle beim Tatbestand Vergewaltigung." In der Richtlinie wurden keine EU-weiten Standards zu Vergewaltigungen geregelt.

Das Parlament hatte eine solche Regelung gefordert, wonach jeder sexuellen Handlung zugestimmt werden müsse: Nur Ja heißt Ja. Mehrere Länder in der EU, darunter Deutschland, hatten das aber blockiert. Die Kritiker argumentierten, dass es für eine solche einheitliche Regelung keine rechtliche Grundlage im Europarecht gebe, die EU damit ihre Kompetenzen möglicherweise überschreite. Ein entsprechender Artikel hat es daher nicht ins Gesetz geschafft.

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