Bundesregierung:Lindner will Mittel für Entwicklungspolitik drastisch kürzen

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Entwicklungsministerin Svenja Schulze soll entgegen ihrer Art sehr deutlich gemacht haben, was sie von den Kürzungen hält. (Foto: Friedrich Bungert)

Die Sparvorgaben des Finanzministers fallen noch strenger aus als bislang bekannt. Hilfsorganisationen äußern sich entsetzt, die zuständige Ministerin Svenja Schulze wehrt sich. In der Ampel droht erneut Streit.

Von Angelika Slavik, Berlin

Haushaltsverhandlungen sind im politischen Berlin ja traditionell ein Synonym für Brutalität. Im kommenden Jahr aber, so machte es Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) seinen Kollegen schon vor Wochen klar, müsse besonders rigide gespart werden. Was das konkret bedeutet, wird nun an den Vorgaben deutlich, die Lindners Leute vor wenigen Tagen an das Entwicklungsministerium (BMZ) geschickt haben und die der Süddeutschen Zeitung vorliegen.

Das Haus von Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) ist demnach aufgefordert, seine Budgetpläne bis zum 19. April zu übermitteln. Für den sogenannten Einzelplan 23, also den Haushalt des BMZ, soll dabei ein Plafond von 9,878 Milliarden Euro gelten - so stellt sich das Bundesfinanzministerium das zumindest vor.

In den vergangenen Jahren war das Budget bereits zusammengestrichen worden

Im BMZ ist das Entsetzen groß, denn der Betrag liegt noch einmal deutlich unter dem, was in der sogenannten mittelfristigen Finanzplanung für 2025 vorgesehen war. Dort war von 10,3 Milliarden Euro die Rede - und im BMZ hatte man gehofft, diesen Betrag eher noch nach oben korrigieren zu können. Zumal das Budget für die deutsche Entwicklungspolitik in den vergangenen Jahren bereits ordentlich zusammengestrichen wurde: 2023 standen dem BMZ noch 12,16 Milliarden Euro zur Verfügung, im laufenden Jahr sind 11,2 Milliarden veranschlagt.

Dass Lindner bei der Entwicklungspolitik so kräftig kürzen will, birgt politischen Sprengstoff für die Ampelregierung. Die hatte im Koalitionsvertrag eigentlich vereinbart, mindestens 0,7 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung für Entwicklungspolitik aufzuwenden. Diese sogenannte ODA-Quote wäre nach den neuen Sparvorgaben aller Voraussicht nach nicht erfüllt.

Im Bundesentwicklungsministerium äußert man sich mit Verweis auf den laufenden Haushaltsprozess nicht. Allerdings hatte Ministerin Svenja Schulze jüngst im Rahmen einer Pressekonferenz zu einem UN-Bericht schon eine ungewöhnlich deutliche Botschaft an den Finanzminister geschickt: Deutschland sei eines der reichsten Länder der Welt, sagte Schulze. Man habe "nicht nur eine moralische Verantwortung gegenüber Menschen, die hungern oder auf der Flucht sind". Es gehe auch um eigene Interessen. Der deutsche Wohlstand sei auf Weltoffenheit aufgebaut. "Nicht in Entwicklungspolitik zu investieren, wäre gerade für ein Exportland wie Deutschland viel teurer als alles, was man national einsparen könnte." Sie wehre sich deshalb energisch gegen weitere Kürzungen in ihrem Haushalt. Es habe schon beim letzten Mal deutliche Einsparungen gegeben. Die Schmerzgrenze sei "für mich deutlich erreicht".

Hinter den Kulissen soll der Tonfall noch rauer sein

Für die eigentlich immer verbindlich auftretende Schulze ist das bemerkenswert - und hinter den Kulissen soll der Tonfall noch rauer sein.

Auch bei Nichtregierungsorganisationen stoßen Lindners Haushaltspläne auf Empörung. Stephan Exo-Kreischer, Europachef der Entwicklungsorganisation One, spricht von einem "Kahlschlag" und "mangelndem weltpolitischem Verständnis". Deutschland verliere in Afrika "einen Partner nach dem anderen, während Russland und China mit immer offeneren Armen empfangen werden", so Exo-Kreischer auf SZ-Anfrage. "Es ist erschreckend, was Lindner auf dem Altar der Schuldenbremse zu opfern bereit ist." Die Folgen von Kürzungen in der Entwicklungspolitik "kommen uns morgen um ein Vielfaches teurer zu stehen".

Die Haushaltsverhandlungen werden wegen der angespannten Finanzlage in diesem Jahr mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtet. Anders als üblich will das Bundesfinanzministerium nicht mit einzelnen Ressorts über Eckwerte ihrer Etats verhandeln, sondern hat den Ministerien stattdessen gleich Budgetobergrenzen geschickt. Würden die Pläne, die alle Häuser bis zum 19. April übermitteln müssen, nicht den jeweiligen Obergrenzen entsprechen, könnten diese nicht akzeptiert werden, ließ Lindner seine Kollegen aus der Bundesregierung wissen. Ob es dabei bleibt, wird sich weisen - das Konfliktpotenzial in der Koalition dürfte gewaltig sein. Im Fall des BMZ scheint denkbar, dass Schulze Lindners strikte Vorgaben einfach ignorieren und einen höheren Finanzbedarf anmelden wird. Der Zeitplan für eine Einigung in der Koalition ist jedenfalls eng: Am 3. Juli soll das Kabinett den Haushaltsentwurf für 2025 und die Finanzplanung bis 2028 beschließen.

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