Entlastungspaket:Streit zwischen Rabatt und Zuschuss

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Erste Hilfe, für jene die viel fahren oder alle, die wenig verdienen? Die hohen Treibstoffpreise sollen abgefedert werden. (Foto: Philipp von Ditfurth/dpa)

Die Bürger sollen schnell vom Druck der teuren Treibstoffpreise entlastet werden. Aber nach welchem Modell? Die Vorstellungen der Koalitionspartner sind noch ziemlich weit voneinander entfernt.

Von Michael Bauchmüller, Constanze von Bullion, Paul-Anton Krüger, Roland Preuß und Henrike Roßbach, Berlin

Der allererste Druck ist raus. Um rund sieben Prozent ist der Dieselpreis gefallen, seit er mit neuen Höchstständen nicht nur das Bundeskartellamt, sondern auch Finanzminister Christian Lindner von der FDP auf den Plan gerufen hat. Doch weiterhin misst der ADAC Preise weit über zwei Euro, und die Debatte um ein weiteres Entlastungspaket tobt. Braucht es einen staatlich finanzierten "Krisenrabatt", wie ihn Lindner vorgeschlagen hat? Eine höhere Pendlerpauschale? Oder gar ein "Mobilitätsgeld", das Arbeitnehmer mit dem Gehalt bekommen?

Letzteres hat Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ins Gespräch gebracht, und funktionieren soll es nach Angaben aus Regierungskreisen so: Je nach Einkommen sollen Beschäftigte über die Lohnabrechnung einen monatlichen Zuschuss erhalten. Der soll gestaffelt werden, je niedriger der Lohn, desto höher der Zuschuss: Menschen mit einem Bruttoeinkommen bis 2000 Euro sollen monatlich 50 Euro erhalten, bis 3000 Euro 35 Euro und bis 4000 noch 20 Euro. Wer mehr verdient, geht in Heils Modell leer aus. Selbständigen will der Sozialminister zunächst eine "Flatrate" von 35 Euro anbieten, am Ende soll die Summe über die Steuern angepasst werden, sodass die gleichen Summen wie bei den Beschäftigten erreicht werden. Man rechne mit Kosten von etwa 850 Millionen Euro, heißt es aus Regierungskreisen.

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Den Plan der SPD müssten die Arbeitgeber umsetzen

Auf SPD-Seite sieht man das Modell als soziale Alternative zu Lindners Tankrabatt, weil dieses gezielt diejenigen entlaste, die sich die höheren Energiekosten am wenigsten leisten könnten. Zudem könnte das Geld schnell an die Empfänger gebracht werden, schon im Juni soll das Mobilitätsgeld ausgezahlt werden, da alles über die Lohnabrechnung laufe.

Umsetzen müssten das Modell die Arbeitgeber, sie sollen sich den Zuschuss über die Lohnsteuer, die sie an den Staat abführen, wiederholen. Die Betriebe hätten also Mehraufwand. Zudem wird noch über einen Zuschuss für weitere Gruppen wie Rentner diskutiert.

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Die Idee trägt Züge des " Energiegelds", mit dem auch die Grünen in den Wahlkampf gezogen waren. Als Ausgleich für einen steigenden CO₂-Preis auf Sprit und Heizstoffe sollte hier jede Bürgerin und jeder Bürger eine Rückzahlung erhalten, und zwar in gleicher Höhe, unabhängig vom Einkommen. Ärmere Haushalte würden davon überdurchschnittlich profitieren. Die Sache hat nur einen Haken: Der Staat kennt nicht die Bankverbindung aller seiner Bürger. Kurzfristig würde das also nichts. Über die Lohnabrechnung ginge das schneller.

Die FDP will besonders die Pendler entlasten

Doch die FDP hegt Vorbehalte. Von einem "guten Modell" erwarte sie, dass es etwa die bürokratische Umsetzung nicht allein den Unternehmen anlastet, sagt Johannes Vogel, Parteivize und Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion. Sie stärkt unverdrossen ihrem Parteichef Lindner den Rücken. Fraktionschef Christian Dürr sagte am Montag, dass Vielfahrer nun mal stärker belastet seien als andere, was aus seiner Sicht für den Tankrabatt spricht. Und Vogel betonte: "Entgegen mancher Gerüchte" seien "noch keine Vorentscheidungen getroffen und auch keine Modelle vom Tisch, im Gegenteil". Man müsse die Menschen entlasten, insbesondere jene, "die aufs Auto angewiesen sind", wie etwa Pendlerinnen und Pendler, aber auch Gewerbetreibende.

Erst kürzlich hatte sich die Koalition auf ein Entlastungspaket verständigt, das auch eine rückwirkende Anhebung der Pendlerpauschale auf 38 Cent je Kilometer vorsieht, jedenfalls für Strecken jenseits von 21 Kilometern. Allerdings spüren Steuerzahler das erst mit der Steuererklärung für 2022, also im kommenden Jahr.

Das nächste Entlastungspaket soll deshalb schneller wirken. FDP-Mann Vogel verlangte am Montag, dass die Verhandlungen darüber ohne Verzögerungen zu einem Abschluss kommen müssten, schließlich sei die Belastung für die Bürger akut. Allerdings trieb er damit faktisch auch sich selbst zur Eile an, denn er ist Teil der sogenannten Neunergruppe - drei Verhandler je Regierungsfraktion -, die seit Tagen über das Entlastungspaket diskutiert. Am Montagabend wollte die Runde ein weiteres Mal zusammenkommen. Ausgang? Ungewiss. Danach gefragt, wann eine Entscheidung zu erwarten sei, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittag nur: "Zeitnah." Man arbeite "mit Hochdruck" an einer Entlastung, es werde "schnell und gründlich" diskutiert.

Die Grünen sind genervt. Sie wollen eine gerechte und nachhaltige Lösung

Die Grünen sind nach einer Woche ergebnislosen Verhandelns inzwischen genervt. In den Gesprächen über das Entlastungspaket gehe so gut wie nichts voran, in wesentlichen Punkten sei man weit voneinander entfernt, hieß es am Montagnachmittag. Für Verärgerung sorgte außerdem, dass nach FDP-Chef Christian Lindner am Wochenende auch SPD-Vize Lars Klingbeil seine Vorschläge zum Thema Spritpreis bei der Bild-Zeitung ablud statt beim Koalitionspartner. Schlechter Stil, finden die Grünen.

Lindners Vorschlag eines Tankrabatts bekommt hier keine Zustimmung, vor allem weil dadurch Besserverdiener und Vielfahrer begünstigt würden. "Es ist uns wichtig, dass wir breit entlasten, sozial gerecht und nachhaltig", sagte Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge der SZ. "Wir müssen aber auch den Verbrauch reduzieren, zum Beispiel durch Gebäudesanierung und mehr Energieeffizienz."

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