Cum-Ex-Ermittlungen:Hanseatische Zurückhaltung

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Ermittelt bundesweit in den meisten Cum-Ex-Verdachtsfällen: die Kölner Staatsanwaltschaft. (Foto: Christoph Hardt/imago images/Future Image)

Warum sich ausgerechnet Kölner Staatsanwälte um mutmaßliche Steuerbetrügereien im Norden der Republik kümmern.

Von Peter Burghardt und Klaus Ott, Hamburg

Hat der Hamburger Fiskus die hanseatische Privatbank Warburg geschont, als im Herbst 2016 auf eine mögliche Steuerforderung in Höhe von 47 Millionen Euro verzichtet wurde? Nicht nach Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg. Die schreibt in einem Bescheid vom 10. August 2022, es habe "nach hier verfügbarer Faktenlage keine Protektion" von Warburg vorgelegen. Die Feststellung trifft sie just gut eine Woche vor einer Zeugenvernehmung von Bundeskanzler Olaf Scholz an diesem Freitag im Hamburger Untersuchungsausschuss. Der soll mögliche politische Verquickungen um Warburg und den Cum-Ex-Steuerskandal aufklären.

Dass sich Hamburgs Finanzverwaltung im Herbst 2016 gegen eine Steuerforderung entschieden habe, sei das Ergebnis einer "Risiko-Nutzen-Analyse" gewesen, vermerkt die Generalstaatsanwaltschaft. Das wirkt wie ein politischer Freispruch für Scholz kurz vor dessen Zeugeneinvernahme. Doch so klar scheinen die Dinge wohl doch nicht zu liegen. Die Staatsanwaltschaft Köln jedenfalls versucht noch immer, mit großem Elan und viel Akribie herausfinden, was damals in Hamburg gelaufen ist. Und ob der seinerzeitige SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs mit seinem aktenkundigen Einsatz für Warburg die Privatbank begünstigt habe. Die Kölner Staatsanwälte haben seit 2014 die meisten Cum-Ex-Verdachtsfälle bundesweit bearbeitet.

Den Hamburger Ermittlern waren Cum-Ex-Geschäfte nur einen "Beobachtungsvorgang" wert

Es ist schon bemerkenswert, wie sehr sich die Hamburger Ermittlungsbehörden im Cum-Ex-Skandal zurückhalten. Auch die einstige Staatsbank von Hamburg und Schleswig-Holstein, die HSH-Nordbank, hatte bei diesen Deals zu Lasten der Staatskasse kräftig mitgewirkt. Später zahlte sie inklusive Zinsen 126 Millionen Euro zurück. Der Hamburger Staatsanwaltschaft war alles lediglich einen "Beobachtungsvorgang" wert, ermittelt wurde in dieser Sache in der Hansestadt nie. Darum kümmert sich ebenfalls die Staatsanwaltschaft im fernen Köln. Sie ist auf höchst verdächtige Vorgänge in der HSH-Nordbank gestoßen - ebenso wie bei Warburg.

Der Hamburger Rechtsanwalt Gerhard Strate, einer der bekanntesten und streitbarsten Strafverteidiger der Republik, ist noch einen Schritt weiter gegangen als die Kölner Staatsanwaltschaft. Strate hat im Februar 2022 bei der Hamburger Generalstaatsanwaltschaft gegen den Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher und seinen Vorgänger Olaf Scholz Strafanzeige wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung gestellt. Tschentscher und Scholz hätten ihre schützenden Hände über Warburg gehalten, schreibt Strate.

Dem ist weder die Staatsanwaltschaft Hamburg, die sich zuerst um Strates Strafanzeige kümmerte, noch später die Generalstaatsanwaltschaft gefolgt. Beide haben Ermittlungen gegen Tschentscher und Scholz abgelehnt; zuletzt die Generalstaatsanwaltschaft mit dem Bescheid vom 10. August, der an Strate ging. Auch die Staatsanwaltschaft Köln, die bei Cum-Ex wenig zimperlich ist, geht nicht gegen die beiden SPD-Politiker vor. Ansonsten aber ist für die federführende Ermittlerin in Köln, Anne Brorhilker, die Hamburger Rücksichtnahme auf Warburg "nicht nachvollziehbar". Das hat Brorhilker Ende 2021 im U-Ausschuss in Hamburg als Zeugin zu Protokoll gegeben. Was die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg jetzt aber nicht von der Feststellung abhielt, es habe "keine Protektion" von Warburg gegeben.

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