Kanzlerin Merkel:Die Nein-wirklich-nicht-Kandidatin

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Angela Merkel versichert, sie trete wirklich nicht nochmal als Kanzlerkandidatin an. (Foto: Stefan Boness/imago)

Die Union könnte die nächste Wahl hoch gewinnen - aber die alle überstrahlende Kanzlerin tritt nicht mehr an. Laschet, Merz und Röttgen verblassen im Vergleich. Liegt die Lösung des Problems doch in München?

Kommentar von Kurt Kister

Fast war alles so wie früher. Angela Merkel gab am Donnerstagabend in ARD und ZDF Interviews, um wichtige Entscheidungen ihrer Regierung zu erläutern. Sie tat das relativ souverän, gelassen und hin und wieder mit jenem Anflug von trockenem Merkel-Humor, den jene, die sie nicht kennen oder nicht mögen, furchtbar finden oder wenigstens nicht verstehen. In den Umfragen ist die Kanzlerin bei weitem die beliebteste unter den Spitzenpolitikern und Politikerinnen. CDU und CSU wiederum liegen bei der berühmten Sonntagsfrage immer noch bei fast 40 Prozent - doppelt so viel wie die Grünen, nicht ganz dreimal so viel wie die SPD.

Das ist für die Union eigentlich eine glänzende Ausgangsposition für die Bundestagswahl, die nun wohl doch im September 2021 stattfinden wird. Im letzten Jahr sah es noch so aus, als könnte die Koalition vorzeitig zerbrechen, aber dann erschrak die neue SPD-Spitze zuerst vor ihrem eigenen Mut, und kurz danach kam die Seuche. Jetzt ist alles anders - aber dennoch nicht so toll für die Union, wie es auf den ersten Blick aussieht.

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Angela Merkel nämlich, die beste Chancen auf eine fünfte Amtszeit hätte, bleibt auch jetzt bei dem, was sie seit längerem sagt: Sie hört auf. Wenn man sie fragt, ob sie denn angesichts der besonderen Umstände nicht doch noch einmal kandidieren wolle, sagt sie: "Nein, wirklich nicht."

Auch Söder sagt, er will nicht Kanzlerkandidat werden

Zwar darf man im deutschen Wahlsystem, in dem weder die Kanzlerin noch der Bundespräsident direkt gewählt werden, die Bedeutung von Spitzenkandidaten nicht überschätzen. Und dennoch: Die richtige Kandidatin, der richtige Kandidat können über Sieg oder Niederlage entscheiden, weil sie zum Ergebnis ihrer Partei durchaus fünf oder mehr Prozentpunkte "beisteuern" können. Ein Beispiel: Möglicherweise hätte Gerhard Schröder 2002 die knappe Wahl verloren, wäre sein Gegenkandidat nicht Edmund Stoiber gewesen. Stoiber war in Teilen des Landes beliebt, in anderen nicht.

Merkel also steht nicht zur Verfügung. Auf dem zweiten Platz unter den Unionsgranden liegt Markus Söder, der selbst immer wieder behauptet, er stehe auch nicht zur Verfügung. Dass ihm übrigens gerade Stoiber von einer Kandidatur abrät, hängt nicht nur mit Stoibers Biografie, sondern auch mit seiner politischen Erfahrung zusammen.

Zwar weiß man bei Söder nie so ganz genau, ob er am Donnerstag in fünf Wochen noch das meint, was er am Dienstag letzter Woche gesagt hat. Das hat er bei Horst Seehofer gelernt, den er längst in einer machtpolitisch bemerkenswerten Art nicht nur ausgebremst, sondern von der Straße gedrängt hat. Andererseits ist Söder gerade in der Corona-Krise politisch gewachsen, was ihm viel Sympathie eingebracht hat. Es kommt nicht von ungefähr, dass er in allen Umfragen, zwar hinter Merkel, aber deutlich vor den bisher selbsterklärten Kandidaten der CDU liegt, vor Merz, Laschet und Röttgen. Im Vergleich zu Merkel und Söder sind die Drei mittlerweile ein Verlegenheitsangebot. Aber Merkel ist eben die Nein-wirklich-nicht-Kandidatin, und Söder bleibt bestimmt in Bayern, es sei denn, die Union und das Vaterland rufen Ende des Jahres so laut nach ihm, dass das sogar Friedrich Merz hört.

Laschet, Merz und Röttgen wären Krisengewinnler

Die Union ist in einem seltsamen Dilemma. Sie hat nicht nur, aber in erster Linie durch das Handeln der Bundesregierung und der Kanzlerin, den Status und die Zustimmungswerte einer Volkspartei zurückgewonnen. Ein Jahr vor der Wahl stehen grundsätzlich ihre Chancen besser als jemals zuvor in der laufenden Legislaturperiode; mit den gegenwärtigen Zahlen könnte sie sogar in einer Zweierkoalition regieren. Ihre konkurrierenden Spitzenkandidaten aber haben wenig (Laschet) oder so gut wie nichts (Merz, Röttgen) zu dieser Erholung beigetragen. Sie wären in diesem Sinne Krisengewinnler.

Man weiß nicht, wie sich die Dinge in den nächsten Monaten entwickeln werden. Die Seuche und ihre Folgen haben gezeigt, wie schnell sich alles, auch die politische Situation, ändern kann. Es ist keineswegs sicher, dass der, der beim CDU-Parteitag zum neuen Chef gewählt wird, auch der Kanzlerkandidat sein wird. Bis dahin fließt noch viel Wasser den Rhein und natürlich auch die Isar hinunter.

© SZ vom 06.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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