Dobrindt gegen Merkel:Streit um Essener Tafel

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CSU-Landesgruppenchef Dobrindt verteidigt den Ausschluss von Ausländern bei der Essensausgabe - anders als die CDU-Vorsitzende Merkel.

Von Robert Roßmann und Christian Wernicke, Berlin/Essen

Der Aufnahmestopp für Ausländer bei der Essener Tafel entzweit jetzt auch die Union. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte am Dienstag, er halte die Entscheidung für "nachvollziehbar". Er habe mit dem Vereinsvorsitzenden Jörg Sartor gesprochen und unterstütze dessen Vorgehen. Es sei "richtig, dafür zu sorgen, dass es nicht zu einer Verdrängung kommt". Es dürfe nicht sein, dass jene, "die angestammt berechtigt sind" durch respektloses Verhalten anderer abgeschreckt würden. Dobrindt widersprach damit CDU-Chefin Angela Merkel, die das Vorgehen der Tafel kritisiert hatte.

Die Essener Tafel vergibt neue Berechtigungen zum Empfang von Lebensmitteln vorübergehend nur noch an Bürger mit deutschem Ausweis. Begründet wird dies damit, dass sich vor allem ältere Menschen und alleinerziehende Frauen wegen des hohen Ausländeranteils unter den Hilfesuchenden nicht mehr wohlgefühlt hätten und deshalb das Angebot nicht mehr wahrnähmen. Die Essener Tafel hatte darauf hingewiesen, dass wegen "der Flüchtlingszunahme in den vergangenen Jahren der Anteil ausländischer Mitbürger bei unseren Kunden auf 75 Prozent angestiegen" sei. Laut Vereinschef Sartor hat es unter den Ausländern bisweilen auch "mangelnden Respekt gegenüber Frauen" gegeben.

Dobrindt sagte, die Situation bei der Lebensmittelausgabe in Essen zeige, "dass die Integrationsfähigkeit unseres Landes eine Grenze hat". CDU-Chefin Merkel hatte den Aufnahmestopp dagegen am Montagabend in einem RTL-Interview kritisiert. Zu dem Ausschluss von Ausländern sagte die Kanzlerin, man sollte keine "solchen Kategorisierungen vornehmen". Das sei "nicht gut". Sie hoffe, dass "man da auch gute Lösungen findet, die nicht Gruppen ausschließen".

Der Vorstand der Essener Tafel entschied am Dienstag in einer Krisensitzung, trotz der Kritik an dem Aufnahmestopp für Ausländer festzuhalten. Die Tafel ist jedoch bereit, an einem "runden Tisch" mit Wohlfahrtsverbänden und Migranten-Selbsthilfegruppen nach Kompromissen zu suchen. Ziel soll es aber bleiben, vorrangig Alleinerziehende, Familien mit Kindern und Senioren mit kostenlosen Lebensmitteln zu versorgen. Nach der Sitzung nahm der Sozialdezernent der Stadt, Peter Renzel (CDU), den Verein in Schutz. Er sagte: "Wir dürfen die Ehrenamtlichen nicht alleinlassen." Renzel deutete den Streit als Signal dafür, dass etliche Städte im Ruhrgebiet nach dem vermehrten Zuzug von Flüchtlingen seit 2015 "die Grenze der Belastbarkeit" erreicht hätten.

Tafel-Chef Sartor sagte, neben Dobrindt habe ihm auch CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer per Telefonat "den Rücken gestärkt". Mit der Kritik Merkels könne er aber gut leben: "Sie hat ein Problem erkannt, das ist positiv für die Tafel." Die Kanzlerin hatte am Vormittag in einem Telefonat mit Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) angekündigt, sie wolle sich baldmöglichst ein Bild von der Arbeit der Tafel machen. "Sie ist herzlich eingeladen", sagte Sartor.

© SZ vom 28.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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