CDU in Baden-Württemberg:Im Fernduell mit Özdemir

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Baden-Württembergs CDU-Chef Manuel Hagel auf dem Landesparteitag in Ludwigsburg. (Foto: Jan-Philipp Strobel/dpa)

Manuel Hagel, Hoffnungsträger der Südwest-CDU, soll seine Partei 2026 zurück an die Macht führen. In Umfragen steht sie gut da, die Kommunal- und Europawahlen im Juni werden ein erster Realitätscheck.

Von Roland Muschel, Ludwigsburg

Man kann Manuel Hagel in diesen Tagen beim Wachsen zuschauen. Zum Beispiel am vergangenen Wochenende im Ludwigsburger Forum, Landesparteitag der baden-württembergischen CDU.

Früher, zu seiner Zeit als Generalsekretär, hätte Hagel bei so einer Gelegenheit mit hoher Wahrscheinlichkeit die Gendersensibilität der Grünen angeprangert oder das Recht auf Fleisch in Baden-Württembergs Kantinen verteidigt. Aber mittlerweile ist Hagel in Personalunion Chef der Landespartei und der Landtagsfraktion. Und wenn der Eindruck nicht ganz täuscht, tastet sich da einer ran an eine neue Rolle, an die große Politik. In Ludwigsburg zitiert Hagel direkt zu Beginn den französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dessen Warnung, dass Europa sterblich sei. Er kritisiert den aus seiner Sicht viel zu zaghaften Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und ruft schließlich: "Wir Christdemokraten sind bereit zu kämpfen - für Europa!"

Winfried Kretschmann, das Zugpferd der Grünen, tritt 2026 nicht mehr an

Es geht, so gesehen, um sehr viel. Auch für Hagel selbst. Denn der große Hoffnungsträger der Südwest-CDU, gerade 36 geworden, führt derzeit einen doppelten Wahlkampf. Zunächst sind da am 9. Juni in Baden-Württemberg neben den Europa- auch Kommunalwahlen. Hagel steht zwar nur in seinem Heimatort Ehingen im Alb-Donau-Kreis auf dem Stimmzettel, er kandidiert dort für den Gemeinderat und den Kreistag. Aber natürlich geht das CDU-Gesamtergebnis an so einem Doppelwahltag auch mit dem Landeschef heim.

Für Hagel ist ein positives Signal enorm wichtig: Er soll seine Partei, den zweitgrößten Landesverband der CDU, bei der Landtagswahl 2026 zurück in die Villa Reitzenstein führen. Seit 2011 sitzt der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann in der Stuttgarter Regierungszentrale, aus Sicht der CDU eine Schmach, die es endlich zu tilgen gilt. Laut Umfragen läuft alles nach Plan, in der jüngsten Sonntagsfrage liegt die CDU deutlich vor den Grünen, deren Zugpferd Kretschmann 2026 nicht mehr antritt. Aber am Ende zählen Wahlergebnisse. Insofern ist der 9. Juni ein Realitätscheck, der erste Härtetest für den Hoffnungsträger auf dem Weg zur Landtagswahl.

Das führt zum zweiten Wahlkampf, der natürlich noch nicht offiziell begonnen hat. Dass Hagel in Ludwigsburg über Macron, Scholz und Europa spricht, kann natürlich Zufall sein. Womöglich hängt es aber schon auch damit zusammen, dass der kundige Welterklärer Cem Özdemir offenbar intensiv darüber nachdenkt, seinen Dienstort mittelfristig nach Baden-Württemberg zu verlegen.

Bislang sind weder Hagel noch Özdemir offizielle Spitzenkandidaten ihrer Partei

Formal ist Hagel noch genauso wenig zum Spitzenkandidaten der CDU ausgerufen wie Özdemir bei den Grünen. Aber da inzwischen wirklich alle mit diesem Duell rechnen, nimmt auch das inoffizielle Fernduell Fahrt auf. Es mag Zufall sein, dass dienstliche Termine den Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir in diesen Wochen des Öfteren nach Baden-Württemberg führen. Die Einladung seines Stuttgarter Grünen-Kreisverbands für diesen Samstag "Auf ein Bier mit Özdemir" in einem Stuttgarter Club eher nicht.

Auf dem Parteitag in Ludwigsburg überlässt es Hagel nun seiner Generalsekretärin Nina Warken, dem Grünen einen besonderen Willkommensgruß auszurichten: "Cem Özdemir will sich nach Baden-Württemberg absetzen, weil er in Berlin nichts auf die Kette kriegt." Johlen im Saal.

Hagel selbst versucht, dem international versierten Bundespolitiker mit seinen außenpolitischen Einlassungen auf dessen ureigensten Terrain etwas entgegenzusetzen. So redet er in Ludwigsburg nicht nur über Europa, er ergreift auch vehement Partei für Israel. Vor wenigen Wochen war er in Jerusalem, postete Bilder, wie er einen Kranz in Yad Vashem niederlegt, der Holocaust-Gedenkstätte.

In einem Podcast beschrieb er die Eindrücke vor Ort als "superkrass und superemotional". Israel, sagt er nun, müsse diesen Kampf gegen den Terror gewinnen, weil es ein Kampf gegen Antisemitismus sei, aber auch ein Kampf für die Werte, "für die auch wir stehen: Freiheit, Demokratie, Rechtsstaat, Gleichberechtigung, Menschlichkeit".

In der CDU erklärt man den jetzigen Rückenwind zum "Hagel-Effekt"

Mitte April, die CDU hat in den großen Saal der Handwerkskammer Stuttgart geladen, um ihre Kampagne für die Kommunalwahlen vorzustellen. "Unsere Heimat, unsere Verantwortung", lautet der Slogan auf den Wahlplakaten. Die Stimmung ist fast schon euphorisch. Die CDU habe im Land aktuell 5000 kommunale Mandatsträger, die Zahl wolle man ausbauen, sagt Generalsekretärin Warken. "Wir spüren starken Rückenwind, wir spüren Aufbruchstimmung. Das hat natürlich auch mit unserem Landesvorsitzenden zu tun", sagt Landesgeschäftsführer Tobias Vogt. Im ersten Quartal 2024 habe der Landesverband erstmals seit mehr als einem Jahrzehnt wieder mehr Mitglieder gewonnen als verloren. Auch das sei "ein Hagel-Effekt".

Das Kalkül ist offensichtlich: Die von den CDU-Strategen erwarteten Stimmengewinne bei den Kommunal- und den Europawahlen sollen dem Mann an der Spitze gutgeschrieben werden. Denn Hagel ringt noch um Bekanntheit, manchmal wirkt sein Bemühen um Profilierung etwas diffus.

Dass er dem aus Sicht von Kritikern rechtspopulistischen Onlinemedium Nius ein Interview gegeben hat, halten zum Beispiel nicht alle in der CDU für die allerbeste Idee. Und dass er drei Tage vor dem Parteitag in Ludwigsburg bei einer "Europa-Veranstaltung" seines Landesverbandes mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) in Karlsruhe durch Abwesenheit glänzt, zumindest für einen Schönheitsfehler.

Es ist schließlich der erste und wohl auch einzige Wahlkampfauftritt der Spitzenkandidatin der EVP, der europäischen Christdemokraten, im Land. Hagel nimmt stattdessen einen Termin im Südbadischen wahr, der laut Parteikreisen schon früher verabredet, aber wohl kaum unaufschiebbar war: ein Treffen mit einem potenziellen Großspender aus der Wirtschaft. Für den Wahlkampf 2026 kann die CDU noch Zuwendungen gebrauchen. Hagels Horizont, so viel ist jedenfalls klar, reicht über den 9. Juni 2024 hinaus.

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