Wer am Abend einen Joint geraucht hat, kann sich künftig am nächsten Morgen beruhigt ans Steuer setzen: Der Grenzwert für THC im Blut soll deutlich steigen. Das hat eine von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) eingesetzte Kommission am Donnerstag vorgeschlagen.
Ihr zufolge ist eine Konzentration von 3,5 Nanogramm Tetrahydrocannabinol (THC) je Milliliter Blutserum eine sinnvolle Obergrenze im Straßenverkehr. Ab diesem Wert sei "nach aktuellem Stand der Wissenschaft eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeuges nicht fernliegend, aber deutlich unterhalb der Schwelle, ab der ein allgemeines Unfallrisiko beginnt". Die Kommission spricht hierbei immer noch von einem "konservativen Ansatz"; er sei demnach vergleichbar mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille.
Bislang ist die Regelung hierzulande sehr strikt: Autofahren nach dem Konsum von Cannabis ist faktisch verboten. Es gibt zwar keinen offiziellen Grenzwert wie etwa die 0,5-Promille-Grenze bei Alkohol. Fahrer müssen aber ab einem Wert von 1,0 Nanogramm mit einem Bußgeld und dem Entzug des Führerscheins (häufig in Verbindung mit einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchung) rechnen - was schlicht dem untersten Wert entspricht, den die Messgeräte erfassen können. Sprich: Sobald THC im Blut nachweisbar ist, hat das Folgen.
Vorerst gilt noch die Ein-Nanogramm-Schwelle
Das soll sich nun ändern. Dem ADAC zufolge hat die Expertenkommission mit ihrem Vorschlag "die Grenzen des mit Blick auf die Verkehrssicherheit Vertretbaren" ausgereizt. Wichtig sei aber, dass weiterhin der Grundsatz gelte, "dass Personen, die unter der Wirkung von Cannabis stehen, kein Kraftfahrzeug führen sollten". Der TÜV-Verband kritisiert den Vorschlag als "verfrüht" und "wissenschaftlich nicht begründbar", die Entscheidung erscheine "rein politisch motiviert". Der Verband befürchtet "eine erhebliche Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit", sollte sich der Vorschlag durchsetzen.
Viele Ampel-Politiker begrüßen hingegen den Vorschlag. "Der Grenzwert von 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blutserum schützt die allgemeine Verkehrssicherheit, aber auch die Freiheit der Konsumenten", sagt die sucht- und drogenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion Kristine Lütke. Auch die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Isabel Cademartori begrüßt den Vorschlag der Kommission. Die aktuelle Regelung von 1,0 Nanogramm sei schlicht "nicht verhältnismäßig".
Tatsächlich kann THC bei regelmäßigem Konsum noch mehrere Tage nach dem letzten Joint im Blutserum nachgewiesen werden. Bei gelegentlichem Konsum von Cannabis mit Pausen von mehreren Tagen wird der aktuelle Grenzwert laut ADAC aber nur für etwa sechs Stunden überschritten. Mit dem neuen Grenzwert sollen der Expertenkommission zufolge "nur diejenigen sanktioniert werden, bei denen der Cannabis-Konsum in einem gewissen zeitlichen Bezug zum Führen eines Kraftfahrzeuges erfolgte".
Auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing hatte sich bereits gegen eine 0,0-Grenze für THC im Blutserum ausgesprochen. "Das wäre ein Konsumverbot über das Verkehrsrecht. Das will ich nicht", sagte er. Wissing hatte die Expertenkommission eingesetzt, weil er selbst kein Mediziner sei und eine solche Fragestellung nicht entscheiden könne.
Die Kommission, der Experten aus Medizin, Recht, Verkehr und Polizei angehören, empfiehlt über die THC-Grenze hinaus ein absolutes Alkoholverbot am Steuer für alle Cannabis-Konsumenten. Der Mischkonsum stelle demnach im Straßenverkehr ein besonderes Risiko dar. Der ADAC spricht sich darüber hinaus dafür aus, dass bei Fahranfängern weiterhin die Grenze von 1,0 Nanogramm THC gilt.
Um den neuen THC-Grenzwert rechtlich zu verankern, ist nun eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes erforderlich. Zum Start der Cannabis-Legalisierung am Ostermontag gilt also vorerst weiterhin die Ein-Nanogramm-Schwelle.