Extremismus:Wie hütet man die Hüter des Grundgesetzes?

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Das Bundesverfassungsgericht sei eine "tragende Säule unserer liberalen Demokratie", sagt Justizminister Buschmann. Darüber, wie man es selbst vor Angriffen schützt, gibt es aber Uneinigkeit. (Foto: Uli Deck/dpa)

Das Bundesverfassungsgericht soll vor Extremisten geschützt werden. Justizminister Buschmann hat dafür nun einen Vorschlag vorgelegt, für den es allerdings die Zustimmung der Union braucht. Die sitzt immerhin wieder am Verhandlungstisch.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Es sah nach einer zugeschlagenen Tür aus. Vor gut vier Wochen hat CDU-Chef Friedrich Merz die Gespräche über eine Stärkung des Bundesverfassungsgerichts platzen lassen. Verfassungsrechtler hatten eine solche Reform angemahnt, um die wichtige Institution in Zeiten der Radikalisierung vor Verfassungsfeinden zu schützen. Vertreter der Regierungsparteien schlugen dazu eine Änderung des Grundgesetzes vor. Dafür wäre eine Zweidrittelmehrheit nötig, also auch die Zustimmung der Union.

Es gab Gespräche, zunächst. Dann hieß es plötzlich aus der Union: kein Bedarf mehr. Nun haben sich Vertreter von CDU und CSU doch wieder mit Justizminister Marco Buschmann (FDP) an einen Tisch gesetzt. Geeinigt hat man sich noch nicht. Aus Koalitionskreisen aber war am Donnerstag zu hören, die Sache sei auf einem guten Weg.

"Es muss gelingen, die notwendigen Mehrheiten zu organisieren, um die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz stärker zu verankern", schrieb Buschmann am Donnerstag auf der Plattform X. Deutschlands oberstes Gericht habe sich als "tragende Säule unserer liberalen Demokratie erwiesen". Bereits im Januar hatte Buschmann signalisiert, er könne sich vorstellen, die wichtige Institution in Karlsruhe rechtlich besser abzusichern, auch zur Vorbeugung von Verfassungskrisen wie in Polen. "Daher freue ich mich sehr darüber, dass die Union an den Verhandlungstisch zurückkehrt", schrieb er jetzt. Es gehe um die gesamtpolitische Verantwortung als "seriöse Demokraten".

Wenn die AfD stärker wird, was wird dann aus dem Verfassungsgericht?

Kein Gezänk mehr bitte zwischen Regierung und Opposition - auch so ist Buschmanns Hinweis zu verstehen. Denn seit die in Teilen rechtsextremistische AfD in einigen Bundesländern in Umfragen zur stärksten Kraft geworden ist, stellen nicht nur Staatsrechtler sich die Frage, was eigentlich aus der Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts wird, wenn Demokratieverächter weiter an Boden gewinnen, auch im Bundestag.

Denn das Bundesverfassungsgerichtsgesetz, das wichtige Details über die Berufung und Amtszeit von Verfassungsrichterinnen und -richtern regelt, kann mit einfacher Mehrheit aus dem Bundestag geändert werden. Das Grundgesetz wiederum regelt in Artikel 93 nur die Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts. Über die Besetzung von Richterstellen durch Bundestag und Bundesrat gibt Artikel 94 Auskunft, allerdings nur einem äußerst knapp gehaltenen Absatz. Das könnte sich nun ändern.

Am Mittwoch hat Justizminister Buschmann Fachpolitikern der Ampelfraktionen und der Union einen Arbeitsentwurf für eine Reform vorgelegt. Er soll die Struktur des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz neu ordnen und verankern. Länge des Dokuments: zwölf Seiten. Beschlossen sei dazu noch nichts, war von Beteiligten am Tag darauf zu hören. Die Sorge ist inzwischen groß, dass eine Indiskretion das Vorhaben schon wieder zu Fall bringen könnte. Am Donnerstag hatte zuerst die Rheinische Post aus Buschmanns Arbeitsentwurf zitiert, der auch der SZ vorliegt.

Jene Elemente, die das Bundesverfassungsgericht als Verfassungsorgan prägen, sollen im Grundgesetz "deutlich sichtbarer werden", heißt es in Buschmanns Papier. In Artikel 93 soll der Satz verankert werden: "Das Bundesverfassungsgericht ist ein allen übrigen Verfassungsorganen gegenüber selbständiger und unabhängiger Gerichtshof des Bundes."

Das Grundgesetz mit Details aufblähen? Nicht alle halten das für eine gute Idee

Aber auch die innere Beschaffenheit des Gerichts und die Konditionen der Amtsausübung will Buschmann im Grundgesetz verankern, in Artikel 94. In Zukunft soll das Grundgesetz und nicht mehr das einfache Recht die Zahl der Senate und der Mitglieder des Gerichts festlegen. "Dasselbe gilt für ihre Amtszeit sowie zum Ausschluss ihrer Wiederwahl", heißt es weiter. Nach geltendem Recht können Verfassungsrichterinnen und -richter ihr Amt zwölf Jahre lang ausüben, und zwar nur einmalig. Eine Wiederwahl ist nicht möglich. Das soll verhindern, dass Mitglieder des Gerichts sich politisch unter Druck setzen lassen oder verbiegen, um für eine weitere Amtszeit berufen zu werden.

Bisher regelt das Bundesverfassungsgerichtsgesetz solche Details - änderbar mit einfacher Bundestagsmehrheit. Buschmann und Vertreter der Ampel wollen die Regelungen nun ins Grundgesetz übernehmen, zumindest in Teilen. Damit wäre eine Abweichung von der derzeitigen Praxis nur noch mit einer Zweidrittelmehrheit durchzusetzen. Auch einer willkürlichen Absetzung politisch missliebiger Richterinnen und Richtern soll so vorgebeugt werden oder Blockaden durch Verfassungsgegner bei Stellenbesetzungen.

Nicht alle Rechtspolitiker im Bundestag allerdings halten es für eine gute Idee, das Grundgesetz mit derart vielen Details aufzublähen. In den 75 Jahren seit Inkrafttreten des Grundgesetzes sei Deutschland mit seiner vergleichsweise schlanken Verfassung gut gefahren, hieß es schon vor Wochen in der Union. Man dürfe die Verfassung nicht ohne Not überfrachten. Ähnlich sehen das manche offenbar auch weiter. Aus Buschmanns umfangreichem Katalog geplanter Regelungen könnten also noch Teile herausoperiert werden.

Auch die Grünen neigen zu einer eher schlanken Grundgesetzänderung. Andere wiederum argumentieren, allzu viele Regelungen, die nur mit Zweidrittelmehrheit geändert werden können, könnten auch die Spielräume von Demokraten verengen. Der Deutsche Richterbund begrüßte am Donnerstag die Fortschritte in den Verhandlungen. Buschmanns Vorschläge seien allerdings nur ein erster Schritt. "Es braucht jetzt auch in den Ländern politische Initiativen, um die Justiz besser vor parteipolitischen Durchgriffen zu schützen und sie als Bollwerk der Demokratie zu stärken", sagte Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn. Am 8. April werden die Gespräche fortgesetzt.

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