Bundeshaushalt:Hitze unter dem Deckel

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Der Staat habe ein Ausgabenproblem, sagt Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Das muss die Koalition nun ohne den entlassenen Staatssekretär Werner Gatzer (re.) lösen. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Die Ampelkoalition muss mit weniger Geld klarkommen - und streitet jetzt über die Preisbremsen für Strom und Gas. Dabei ist das erst der Anfang.

Von Michael Bauchmüller

Wenn ein Staat plötzlich mit weniger Geld auskommen muss, weil er sich nicht mehr verschulden kann, dann muss er eben Prioritäten setzen. So jedenfalls schwebt es Christian Lindner vor, dem Finanzminister von der FDP. Und deshalb hat er schon einmal eine erste staatliche Hilfe gestrichen: Die Strom- und Gaspreisbremsen sollen zum 31. Dezember auslaufen. "Die werden enden müssen." Der Staat, sagte Lindner am Wochenende im Deutschlandfunk, habe kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Also müssen Ausgaben wegfallen.

Doch schon diese erste löst in der Koalition Auseinandersetzungen aus. SPD und Teile der Grünen wollen daran festhalten. "Mit den Preisbremsen geben wir Millionen Haushalten und Unternehmen Sicherheit vor überbordenden Energiepreisen", sagt etwa Verena Hubertz, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion. Mit dem angekündigten Nachtragshaushalt für das laufende Jahr, der abermals eine Notlage feststellen soll, sei eine gute Lösung für 2023 gefunden. "Der Finanzminister muss nun auch Rechtssicherheit für 2024 schaffen", verlangt Hubertz. Viel Zeit bleibt dafür allerdings nicht mehr - fünf Wochen vor dem Jahreswechsel.

Die Preise sollten eigentlich noch über den Winter gedeckelt bleiben

Die beiden Preisbremsen waren vor gut einem Jahr beschlossen worden, unter anderem auf Empfehlung einer Kommission, die sich mit dem Preisanstieg beim Gas befasst hatte. Seit Anfang des Jahres sind für Haushalte und Betriebe die Energiepreise gedeckelt, jedenfalls für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs. Bei Gas ist der Preis seither auf 12 Cent je Kilowattstunde begrenzt, bei Strom auf 40 Cent. Auch der Preis für Fernwärme bekam einen Deckel. Zahlten Haushalte in ihren jeweiligen Tarifen mehr für Strom, Gas oder Wärme, übernahm der Staat die Mehrkosten. Die Hilfen waren Teil des "Doppelwumms"-Pakets, mit dem die Koalition die Folgen der Energiekrise des vorigen Jahres mildern wollte. Und dafür wiederum griff sie in den Wirtschaftsstabilisierungsfonds WSF, der zur Abwehr einer Corona-Krise eingerichtet worden war. Doch seit dem Urteil des Verfassungsgerichts in Sachen Klima- und Transformationsfonds ist auch dieser Griff passé.

Dabei hatte die Bundesregierung erst Anfang des Monats eine Verlängerung der Preisbremsen beschlossen - ursprünglich bis April 2024, nach einer Intervention aus Brüssel dann bis März 2024. Damit sollte der Preisdeckel zumindest noch über den Winter gelten. Dies sei "eine Versicherung gegen unerwartete Risiken", hieß es in der Verordnung, es stärke das Vertrauen der Verbraucher.

So argumentieren nun auch die Verfechter einer Verlängerung. "Die Preisbremsen vor dem Winter auslaufen zu lassen, wird für zusätzliche Verunsicherung sorgen", sagt DGB-Chefin Yasmin Fahimi. "Genau das Gegenteil wird aber gebraucht." Allerdings hat sich die Lage an den Energiemärkten inzwischen deutlich entschärft. Der Gaspreis ist binnen eines Jahres um zwei Drittel gefallen, der Strompreis knapp um die Hälfte.

Es droht Streit, dabei drängt die Zeit

Das schlägt sich auch in vielen Tarifen der Energieversorger nieder. "Heute liegen die Preise für die meisten Verträge zum Glück wieder unter den Preisdeckeln", sagt die Grünen-Energiepolitikerin Julia Verlinden der Süddeutschen Zeitung. "Eine Verlängerung könnte also als Absicherung dienen, ist aber derzeit nicht zwingend nötig." Die Bundesregierung müsse nun rasch entscheiden, "ob die Maßnahme weiterhin erforderlich und angemessen ist".

Hinter dieser Frage aber steht noch eine viel größere: Wie lässt sich ein Haushalt für 2024 aufstellen, der ohne die Mittel aus den bisherigen Fonds auskommt, aber dennoch verfassungsgemäß ist? Greift der Bund für diesen Haushalt nicht ebenfalls zum Argument der Notlage - und aus Sicht Lindners geben das die Energiepreise nicht her -, wird er mit weniger Geld wirtschaften müssen. Damit dräut der Streit über die richtigen Prioritäten, und die Zeit wird immer knapper. Schon die Verabschiedung eines Nachtragshaushalts für 2023 wird nur mit Fristverkürzungen und Sondersitzungen noch vor Weihnachten über die Bühne gehen, wie Entwürfe für den Zeitplan zeigen.

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Obendrein hat Lindner seinen wichtigsten Mann für Haushaltsfragen gerade rausgeschmissen: den erfahrenen Staatssekretär Werner Gatzer. Ihm wird die Schuld für die fantasievolle Umbuchung von Corona-Milliarden in den Klimafonds in die Schuhe geschoben.

Stromkunden droht aus dem Finanzierungsloch ohnehin noch anderes Ungemach, denn nicht nur Preisbremsen wurden aus dem WSF bestritten - sondern auch ein 5,5-Milliarden-Zuschuss an die Netzbetreiber. Dies sollte die Entgelte für Ausbau und Unterhalt der Stromautobahnen stabil halten. Gibt es diesen Zuschuss nicht mehr, müssen die Milliarden von den Stromkunden aufgebracht werden. Es sei denn, der Bund setzt andere Prioritäten.

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