Bundesnachrichtendienst:Mit Taschenkontrollen auf Maulwurfjagd

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Vogelperspektive reicht nicht: Der Bundesnachrichtendienst soll bei Angestellten etwa auch versteckte Smartphones entdecken können, fordert die Regierung. (Foto: Imago)

Geheimdienste sollen Mitarbeiter schärfer überwachen dürfen, um Verrätern wie dem mutmaßlichen Russland-Spion Carsten L. das Handwerk zu legen. Doch der Reformentwurf aus dem Kanzleramt lässt wichtige Fragen unbeantwortet.

Von Christoph Koopmann

Sicherheit beginnt bei der Aktentasche, das wissen sie beim Bundesnachrichtendienst mittlerweile nur zu gut. Was sich in so einer Tasche nicht alles rein- oder rausschmuggeln lässt: Handys, Laptops, Akten - lauter Dinge, die dem deutschen Auslandsgeheimdienst schaden können. Der Fall des hochrangigen BND-Mitarbeiters Carsten L. hat den Verantwortlichen das Taschenproblem sehr anschaulich vorgeführt: Carsten L. soll geheime Unterlagen abfotografiert und ausgedruckt haben, um sie über einen Kontaktmann an den russischen Geheimdienst FSB weiterzugeben.

Dabei ist es streng verboten, in die Dienstgebäude des BND sein Smartphone mitzubringen. Und damit das Verbot auch wirkt, muss man halt mal eben an der Pforte in die Taschen der Kollegen schauen. Der Haken: Genau das dürfen das Sicherheitspersonal und die extra zur Eigensicherung des Dienstes beschäftigten Agenten bisher nicht.

Detektoren und Scanner für zehn Millionen Euro

Das soll sich jetzt ändern. Die Einführung verdachtsunabhängiger Taschen-, Personen- und Fahrzeugkontrollen ist, so simpel es klingen mag, ein wichtiger Teil einer Reform, die den Auslandsnachrichtendienst besser vor Ausspähversuchen schützen soll. Im Frühjahr, unter dem Eindruck der Enttarnung von Carsten L., hatten die Geheimdienstkontrolleure des Bundestags Verbesserungen dringend angemahnt. Nun hat das Kanzleramt einen 88-seitigen Entwurf zur Reform des BND-Gesetzes an Fachverbände verschickt, mit Bitte um Stellungnahme binnen 24 Stunden. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland hatte zuerst berichtet.

In dem Entwurf, der in der Koalition noch abgestimmt werden muss, heißt es, der BND solle auch in Detektoren und Scanner investieren, mit denen man beispielsweise versteckte Smartphones und andere elektronische Geräte erkennen kann. Zehn Millionen Euro veranschlagt das Kanzleramt für die Anschaffung, danach fast vier Millionen Euro Personal- und Betriebskosten pro Jahr. Über diese Maßnahmen aus der geplanten Neufassung des BND-Gesetzes hinaus will das Bundesinnenministerium auch die Sicherheitsüberprüfungen von Mitarbeitern der Nachrichtendienste verschärfen. Im Frühjahr schlug das BMI vor, künftig beispielsweise auch private Postings von Anwärtern und Mitarbeitern auf Social Media prüfen zu lassen.

Auslöser für die Neuerungen ist aber nicht der Spionageskandal um Carsten L. Dass die Bundesregierung die Arbeitsgrundlage ihres Auslandsgeheimdienstes überarbeiten muss, liegt an einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. Die Karlsruher Richter hatten im vergangenen Jahr bemängelt, wie lasch und unkonkret die Regeln sind, die der Bund seinen Nachrichtendiensten für die Datenweitergabe an Polizei und andere Behörden auferlegt. Ihre Entscheidung galt zwar dem Bundesamt für Verfassungsschutz, aber dessen Regeln für die Informationsübermittlung gelten auch für den BND.

Die Befugnisse gehen zu weit, kritisieren Fachleute

Deshalb enthält der Entwurf eine Reihe an Straftaten, bei denen der BND die Daten von Personen aus seinem Beobachtungsspektrum künftig an die Strafverfolger weitergeben dürfen soll. Die Liste reicht von Geldwäsche über Schleusung bis Vorbereitung zum Hochverrat. Im bisherigen Gesetz war dagegen nur von Straftaten mit "erheblicher Bedeutung" die Rede.

Reporter ohne Grenzen (RoG) und die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) monieren nun aber nicht nur die extrem kurze Frist, die ihnen für ihre Stellungnahme zu dem neuen Entwurf gewährt wurde. Sie kritisieren auch dessen Inhalt, die Befugnisse gingen immer noch zu weit: Den Plänen des Kanzleramts zufolge würde für eine Datenübermittlung an Strafverfolger gegebenenfalls schon reichen, dass eine Gefahr "in absehbarer Zeit in bestimmter Art zu entstehen droht". Die Verbände pochen darauf, dass das Bundesverfassungsgericht eine "konkretisierte" Gefahr voraussetzt. Der BND habe schließlich umfassende Überwachungsmöglichkeiten und müsse sich keinem so strengen Regelwerk unterwerfen wie die Polizei. Kritiker bemängeln, die Strafverfolger könnten so über Umwege an Informationen kommen, die sie mit eigenen Mitteln nicht hätten erlangen dürfen. Die entsprechende Verfassungsschutzreform steht noch aus.

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Auch dafür, wie BND und Verfassungsschutz überhaupt an eigene Informationen gelangen, soll es bald strengere Regeln geben - beziehungsweise: überhaupt Regeln. Bisher müssen die Nachrichtendienste nur einen Teil ihrer Überwachungsmaßnahmen vor verschiedenen Gremien rechtfertigen. Eine Überlegung ist, die Vorabkontrolle erstens umfassender zu gestalten und zweitens beim Unabhängigen Kontrollrat zu bündeln. Diese Anfang 2022 gegründete Behörde muss bisher nur die technischen Überwachungsmaßnahmen des BND genehmigen, aber nicht den Einsatz menschlicher Quellen. Doch in der Koalition soll über die Reform noch Uneinigkeit herrschen. Im aktuellen Entwurf hat man die Kontrollfrage erst mal ausgespart.

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