Steinmeier in Washington:Wenn Joe Biden ruft

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Im November 2022 erhielt Frank-Walter Steinmeier in New York den Henry-Kissinger-Preis. US-Präsident Biden traf er damals nicht. (Foto: Julia Nikhinson/dpa)

Der US-Präsident hat den Bundespräsidenten überraschend für Freitagabend ins Weiße Haus eingeladen. Die Eile zeigt, wie sehr die Weltlage und die eigenen politischen Probleme Washington beunruhigen.

Von Daniel Brössler und Robert Roßmann, Berlin

Es ist eine Reise unter ungewöhnlichen Umständen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier befindet sich gerade zum Staatsbesuch in Kap Verde, als eine überraschende Planänderung beschlossen wird. Eigentlich soll Steinmeier nach Portugal zu einem Treffen mit EU-Staatsoberhäuptern weiterfliegen, die keine Regierungsaufgaben ausüben. Doch es meldet sich das Weiße Haus. Ob Steinmeier kurzfristig nach Washington kommen könne? US-Präsident Joe Biden würde sich freuen.

Das tut Steinmeier ebenfalls. Er hat schon lange auf ein Treffen mit dem amerikanischen Präsidenten gewartet, nun will er die Gelegenheit nicht verpassen. Der portugiesische Präsident Marcelo Rebelo de Sousa, mit dem sich Steinmeier verbinden lässt, zeigt Verständnis. Eine kleine, aber für Langstrecken geeignete Maschine der Flugbereitschaft der Bundeswehr vom Typ Global 6000 holt Steinmeier und sein engstes Team in Kap Verde ab. Der Rest der Delegation fliegt mit der großen Maschine zurück nach Berlin.

Biden will vermitteln, dass die USA verlässlich bleiben

Als offiziellen Anlass für die Begegnung nennt das Weiße Haus den Tag der deutsch-amerikanischen Freundschaft, der an die Ankunft erster deutscher Siedler in Philadelphia im Jahr 1683 erinnert. Tatsächlich ist zwischen Berlin und Washington schon länger darüber gesprochen worden, ob dieser Tag für ein Treffen der beiden Präsidenten im Weißen Haus einen Anlass bieten könnte. Involviert war dabei auch Jens Plötner, der außenpolitische Berater von Bundeskanzler Olaf Scholz. Die Zusage kam dann aber außerordentlich kurzfristig. Auslandsreisen des Bundespräsidenten werden normalerweise lange im Voraus und akribisch geplant. Ganz gegen die Gepflogenheiten des Bundespräsidialamtes musste diesmal alles ganz schnell gehen. Ein Grund dafür könnte in der chaotischen innenpolitischen Lage in Washington liegen.

Der Sturz des republikanischen Sprechers des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, lähmt gerade den Kongress. Umso wichtiger ist Biden ein Signal an die Welt, dass die USA verlässlich bleiben - vor allem in ihrer Hilfe für die von Russland überfallene Ukraine. Eine Begegnung mit dem Staatsoberhaupt des zweitwichtigsten Helfers der Ukraine scheint da gelegen zu kommen. In der Ankündigung des Treffens verweist das Weiße Haus ausdrücklich auf die "gemeinsame Verpflichtung, die Ukraine bei der Verteidigung gegen die russische Invasion zu unterstützen". Dazu passt, dass Steinmeier gleich nach seiner Landung in Washington von CIA-Chef William Burns erwartet wurde. In Washington mischt sich der Blick auf die militärische Lage in der Ukraine dieser Tage mit großer Sorge, was die weitere Finanzierung der Ukraine-Hilfe angeht.

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Schon vor dem Sturz McCarthys hatte ein provisorischer Kompromiss im Haushaltsstreit vorläufig keine neuen Bewilligungen von Mitteln für die Ukraine vorgesehen. Bliebe es dabei, hätte das für die Ukraine dramatische Folgen. Sie ist angewiesen auf Nachschub an Waffen und Munition aus den USA. Kurzfristig ist diese nach Darstellung der US-Regierung zwar gesichert, doch je länger das Chaos in Washington andauert, desto ungewisser wird, ob das so bleibt. Womöglich will Biden Steinmeier auch darauf vorbereiten, dass die Europäer noch mehr als bisher beisteuern müssen.

Auch China dürfte Thema werden

Steinmeier hatte Biden seit dessen Amtsantritt im Januar 2021 noch nie getroffen. Im November 2022 war der Bundespräsident zwar in den USA. Ihm wurde in New York der Henry-A.-Kissinger-Preis verliehen. Bei dem Kurzbesuch kam es aber zu keiner Begegnung mit Biden. Bei der Preisverleihung in New York hatte Steinmeier überraschend deutlich vor einem leichtfertigen Umgang mit China gewarnt. "China hat sich verändert", sagte Steinmeier, er beklagte eine "Zeit der Verhärtung". Diese gebe es "nicht nur innenpolitisch, durch eine autoritäre Politik, die jegliche Abweichung unterdrückt". China folge außerdem "neuerdings einer veränderten, einer bedrohlichen außen- und wirtschaftspolitischen Philosophie: China unabhängig machen von der Welt - und die Welt abhängig machen von China".

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Mit seinem Gastgeber Joe Biden weiß er sich da einig. Biden warnt schon seit Langem vor China. Laut einem Bericht der Washington Post hat das Weiße Haus mit den Planungen für ein Treffen zwischen Biden und dem chinesischen Staatschef Xi Jinping in San Francisco im kommenden Monat begonnen.

Ein Treffen mit Bidens Vorgänger Donald Trump hatte der Bundespräsident stets vermieden. Noch als Außenminister hatte Steinmeier Trump im August 2016 als "Hassprediger" bezeichnet. Trump war damals noch im Wahlkampf. Das Verhältnis zwischen Trump und Steinmeier galt auch deshalb als zerrüttet. Bei seinem USA-Besuch 2018 machte Steinmeier deshalb einen Bogen um die Hauptstadt und reiste lieber nach Kalifornien.

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