Verkehr in der Hauptstadt:Abgehoben

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Ein Problem: Das neue System müsste der bestehenden Infrastruktur von U- und S-Bahnen aufgepfropft werden (Foto: Schöning/IMAGO)

In Berlin träumt die CDU von einer Magnetschwebebahn als Zukunft des Verkehrs. Eine Idee, die schon in den Achtzigerjahren nicht funktioniert hat.

Von Verena Mayer, Berlin

Zu einer Großstadt gehört, dass diejenigen, die sie leiten und verwalten, groß denken. Eine besondere Verpflichtung hat da Berlin, das schon immer ein Laboratorium für Ideen war. Insofern war es nicht verwunderlich, dass die Berliner CDU nicht lange nach der Regierungsübernahme folgende Vision präsentierte: Die Hauptstadt soll eine Magnetschwebebahn erhalten. Ein Verkehrsmittel, wie es futuristischer nicht sein könnte, schnell, leise, fahrerlos. Das mit Sonnenenergie betrieben werden kann, Güter und Personen transportiert und sowohl ebenerdig als auch oberirdisch fahren kann. Ein Verkehrsmittel, das man mit Megacitys wie Shanghai oder Singapur verbindet, das also genau das Gegenteil der Erfahrungen ist, die man in Berlin Tag für Tag mit dem ÖPNV macht.

Da fallen Busse aus, weil das Personal krank ist, da gibt es auf der S-Bahn ständig irgendwo Schienenersatzverkehr. Die U-Bahn-Linie 2 war Monate lang unterbrochen, nachdem bei Bauarbeiten an einem Hochhaus ein U-Bahntunnel beschädigt worden war, die U-Bahnlinie 6 wiederum fuhr nur in ausgedünntem Takt, weil Metalldiebe die stromführenden Kabel geklaut hatten. Dementsprechend euphorisch waren die Reaktionen in der Hauptstadt, als der Fraktionsvorsitzende der Berliner CDU, Dirk Stettner, die Teststrecke beschrieb, die ihm vorschwebte: fünf bis sieben Kilometer in der Innenstadt, für 80 Millionen Euro. Berlin brauche solche innovativen Projekte, sagte Ute Bonde, Chefin des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg, dem Sender RBB. "Wir dürfen nicht zugucken, wenn Städte wie Hamburg oder Paris die Vorreiter sind und wir hinterhergucken."

Die Testfahrt einer Magnetbahn im Jahr 1988 endete wenig ruhmreich

Während Bayerns Ministerpräsident soeben auch Magnetschwebepläne aufgewärmt hat, ist in Berlin inzwischen Ernüchterung eingekehrt. Denn Verkehrsexperten haben die Kosten durchgerechnet. Die liegen einer Machbarkeitsstudie zu neuen Nahverkehrstechniken zufolge, die das Bundesverkehrsministerium 2021 herausbrachte, bei bis zu 25 Millionen Euro pro Kilometer Magnetschwebebahn, also deutlich höher als veranschlagt. Dazu weiß man aus der Geschichte, wie spektakulär man sich in Berlin bei Verkehrsprojekten verkalkulieren kann, siehe BER. In der Berliner Geschichte findet sich übrigens auch eine Magnetbahn. Mitte der Achtzigerjahre fuhr diese Linie M probeweise zwischen Gleisdreieck und Kemperplatz - bis sie nach dem Mauerfall anderen Verkehrsprojekten weichen musste und verschrottet wurde. Schon der Probebetrieb verlief nicht reibungslos, 1988 entgleiste ein Testfahrzeug, als es zu schnell in einen Bahnhof einfuhr.

Der Berliner Verkehrsexperte Andreas Knie nennt die Magnetschwebebahn dann auch "aus der Zeit gefallen". Zum einen, weil sie für große Entfernungen konzipiert sei und nicht für den dichten Nahverkehr. Zum anderen, weil sie nicht mit dem Rad-Schiene-System kompatibel sei, auf dem Eisen-, U- und Straßenbahnen verkehren. Man müsse also einer Infrastruktur, die man schon hat, eine völlig neue aufpfropfen, was unökonomisch sei und keine Vorteile biete.

Knie hält die Idee für ein "Ablenkungsmanöver". Moderne Verkehrspolitik müsse sich damit beschäftigen, die Lage in den Großstädten zu verbessern, was nur gelingen könne, wenn man Gewohnheiten ändere und insbesondere den Autoverkehr eindämme. Das aber sei für die Politik die undankbarste Aufgabe überhaupt, "da kommt man lieber mit einer Magnetschwebebahn".

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