Zwei Fehlstarts, dann der Abbruch:Zehn Fragen und Antworten zu Baerbocks Pannenreise

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Baerbock auf dem Flughafen in Dubai auf dem Weg zu ihrem Linienflug nach Deutschland. (Foto: Sina Schuldt/dpa)

Für die Außenministerin war die geplante Pazifik-Reise ein Herzensanliegen. Nun bleibt nichts als Ärger.

Die Pazifik-Reise von Annalena Baerbock war seit Langem geplant. Um den halben Erdball wollte die Außenministerin reisen, um Australien, Neuseeland und Fidschi insgesamt eine Woche lang zu besuchen. Wegen anhaltender Probleme an ihrem Regierungsflugzeug brach Baerbock ihre Reise aber schließlich ab, nun ist sie wieder in Deutschland.

Was wollte die Außenministerin mit ihrem Besuch erreichen?

Die Visite war für Baerbock ein Herzensanliegen. Sie wollte Australien, Neuseeland und Fidschi ein Signal der Anerkennung senden, weil diese den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilt haben. Außerdem sind die Länder für die Bundesregierung wichtig, wenn es um die Neuausrichtung des Verhältnisses zu China geht.

In der Region waren mit dem geplanten Besuch große Erwartungen verknüpft worden. In Australien hatten viele Ureinwohner jahrelang auf Rückgabe von Kulturgütern aus der Kolonialzeit an das indigene Volk der Kaurna gewartet. Und in Fidschi habe sich gleich das ganze Kabinett zur Eröffnung der ersten deutschen Botschaft in dem Inselstaat angekündigt, hieß es.

Woran scheiterte die Reise?

Auf der Strecke nach Australien wurde die Maschine der Außenministerin in Abu Dhabi aufgetankt. Doch als das Flugzeug am frühen Montagmorgen Richtung Pazifik abhob, ließen sich die Landeklappen nicht einfahren - die Ministerin musste umkehren.

Der Monitor im Regierungsflieger "A340" zeigt die erneute Umkehr des Flugzeuges nach Abu Dhabi. (Foto: IMAGO/Florian Gaertner/IMAGO/photothek)

Nachdem ein Testflug der Bundeswehr-Crew über dem Emirat erfolgreich verlief, versuchte es die Reisegruppe am frühen Dienstagmorgen (Ortszeit) erneut. Doch die Ernüchterung folgte schnell: Alle an Bord konnten spüren, dass die Maschine vom Typ A340- 300 nicht wie gewohnt rasch an Höhe und Geschwindigkeit gewann - wie schon in der Nacht zuvor. Kurze Zeit später verkündete der Flugkapitän die Hiobsbotschaft. "Uns ist tatsächlich leider das gleiche Problem, was wir gestern hatten, wieder passiert", sagte er. Er mache das schon ein paar Jahre, "aber sowas ist auch in der Geschichte der Flugbereitschaft noch nicht passiert."

Die Maschine kreiste schließlich über Abu Dhabi und ließ erneut zig Tonnen Kerosin ab, um sicher am Ausgangsort landen zu können.

Aus dem Regierungsflugzeug von Außenministerin Baerbock wird Kerosin abgelassen. (Foto: IMAGO/Florian Gaertner/IMAGO/photothek)

Welche Alternativpläne gab es?

Noch an Bord schien es so, als sei die Außenministerin entschlossen, die Reise in einem dritten Anlauf anzugehen. Wenn die Bundeswehr es nicht schaffe, fliege man eben Linie. Die Devise lautete: Die neuerliche Panne des Regierungsfliegers ist zwar peinlich. Doch der politische Schaden, wenn sie ihren Gastgebern absagen und umdrehen würde, wäre um ein Vielfaches größer.

Stundenlang versuchte die Protokoll-Abteilung des Auswärtigen Amts, die Reise zu retten. Anschlussmöglichkeiten wurden gesucht, erwogen, gefunden und wieder verworfen. Offenbar war es schwierig, für die mehr als 50 Mitglieder zählende Delegation Plätze in kommerziellen Flügen zu bekommen.

Am Ende scheiterte Baerbocks Reise wohl auch daran, dass einzelne Programmpunkte nicht mehr hätten stattfinden können. Die Reise zur Insel-Republik Fidschi im Südpazifik etwa hätte ohne den Regierungs-Jet kaum vernünftig organisiert werden können. Um kurz nach 8 Uhr Ortszeit verkündete das Auswärtige Amt dann, dass die Reise abgebrochen werde.

Wie kam Baerbock zurück nach Deutschland?

Mit einem Teil der Delegation fuhr die Außenministerin ins etwa 150 Kilometer entfernte Dubai und flog von dort per Linienmaschine gen Heimat. Die genaue Flugroute sollte aus Sicherheitsgründen nicht veröffentlicht werden. Wie die dpa berichtet, landete Baerbock am Dienstagabend auf dem Hamburger Flughafen.

Das Regierungsflugzeug steht auf dem Flughafen von Abu Dhabi. (Foto: IMAGO/Florian Gaertner/IMAGO/photothek)

Wie sind die Reaktionen?

Baerbock zeigte sich auf der früher als Twitter bekannten Plattform X verstimmt: "Wir haben alles versucht: leider ist es logistisch nicht möglich, meine Indo-Pazifik-Reise ohne den defekten Flieger fortzusetzen. Das ist mehr als ärgerlich."

In Berlin löste der Abbruch eine neue Debatte über die Flugbereitschaft aus. Deren Abschaffung und den Umstieg auf Linienflüge verlangte die Chefhaushälterin der Linksfraktion, Gesine Lötzsch, im Spiegel: "Die Flugbereitschaft ist teuer, unzuverlässig und verursacht einen übergroßen ökologischen Fußabdruck. So wird das nichts mit der Rettung des Klimas und des Bundeshaushaltes", erklärte sie. Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann nannte das Geschehen "einfach nur peinlich" und forderte die Beschaffung neuer Flugzeuge.

Wer darf die Regierungsflieger überhaupt nutzen?

Die Flugbereitschaft transportiert die wichtigsten Politiker des Landes. Die Hauptnutzer sind Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Kanzler Olaf Scholz und die Außenministerin. Aber auch andere Minister, Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, der amtierende Bundesratspräsident, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Staatssekretäre und Fraktionschefs der Parteien im Bundestag dürfen die Flugbereitschaft nutzen.

Mit dabei sind dann teils auch größere Delegationen mit Mitarbeitern, Beratern, Unternehmensvorständen und auch Journalisten. Flieger und Hubschrauber der Flugbereitschaft werden auch zum Materialtransport und zum Transport von Kranken und Verletzten eingesetzt. So wurden zum Beispiel im Krieg verletzte Ukrainerinnen und Ukrainer damit von Polen nach Deutschland geflogen.

Warum fliegen zumindest die Minister nicht Linie?

Als sie ihr Amt antrat, hatte Baerbock angekündigt, aus Klimaschutzgründen häufiger auf normale Linienflüge umzusteigen. Tatsächlich wird es häufig aber praktische Gründe geben, die Regierungsflieger zu nutzen: Sie heben ab, wann immer es in den engen Terminplan der Politiker passt. Dauert ein Auslandstermin länger, wartet der Flieger und muss nicht umständlich umgebucht werden. Vor allem Außen-, Entwicklungs- und Verteidigungsminister fliegen auch Orte an, zu denen es aus Europa keine Linien-Verbindung gibt. Hier werden dann zum Teil auch besonders geschützte Militärtransporter eingesetzt.

Welche Konsequenzen gibt es nach Baerbocks Pannenreise?

Die Flugbereitschaft der Bundeswehr hat zwei Flieger vom Typ A340, die 2011 gebraucht von der Lufthansa gekauft worden waren. Eigentlich sollte einer davon noch im September, der Baerbock-Flieger dann Ende 2024 ausgesondert werden. Diese Termine sollen nun vorgezogen werden, wie eine Sprecherin der Luftwaffe bestätigt. "Wir werden die beiden A340 so schnell wie möglich, das heißt in den kommenden Wochen vorzeitig außer Dienst stellen", sagte sie. Künftig sollen demnach statt der A340 neuere A350 für Langstrecken genutzt werden. Momentan sind zwei A350-Maschinen in der Flugbereitschaft nutzbar, eine dritte ist bereits angeschafft, wird aber noch für die speziellen Anforderungen von Regierungsmaschinen ausgerüstet.

Was ist das Besondere an den Regierungsfliegern und gibt es häufiger Pannen als bei Linienflügen?

Die A340 und A350 sind speziell umgerüstet. Neben normalen Sitzen im hinteren Bereich gibt es vorne Business-Class-Sitze sowie einen Konferenzbereich. Dazu kommt ein Arbeits- und Privatbereich für den jeweiligen Chef, also den wichtigsten Politiker auf dem Flieger mit Schlafzimmer und Bad.

Obwohl in den vergangenen Jahren zahlreiche hochrangige Politiker teils massive Probleme mit der Flugbereitschaft hatten, weist das Verteidigungsministerium den Eindruck zurück, dass es mehr Pannen als bei Linienflügen gebe. "Dem ist mitnichten so. Wir sind ganz normal auf dem technischen Niveau einer renommierten Airline", heißt es in Berlin. Durch die kleine Flotte könnten beschädigte Flieger aber nicht so schnell ersetzt werden wie bei einer großen Airline. Außerdem sei die Aufmerksamkeit auf die Politiker-Flüge einfach größer, so dass Pannen häufiger zu Schlagzeilen führten. Gewartet werden die Regierungsflieger laut Ministerium bei "einer renommierten Airline". Die Flotte sei in ausgezeichnetem Zustand.

Wie sind Regierungsmitglieder in anderen Ländern unterwegs?

Auch Regierungen anderer Länder haben eigene Maschinen, die Flotten sind aber teils deutlich kleiner als die der Bundesregierung. So hat etwa die italienische Luftwaffe neben drei Airbus 319 CJ noch mehrere Geschäftsreiseflugzeuge vom Typ Falcon und Hubschrauber. Der französische Präsident Emmanuel Macron und seine Regierung sind im Airbus A330 oder einer von sechs Falcon-Maschinen unterwegs. US-Präsident Joe Biden fliegt mit einem umgebauten Jumbojet vom Typ Boeing 747-200B, bekannt als Air Force One. Als fliegendes Büro sind die Maschine und ein ähnlich konfigurierter Ersatzflieger speziell auf die Bedürfnisse des US-Präsidenten zugeschnitten. Sie haben modernste Kommunikationstechnologie und Anti-Raketen-Vorrichtungen und können in der Luft betankt werden.

Das US-Militär hält für die VIP-Transporte auch eine Flotte Hubschrauber vor. Bei Auslandsreisen des Präsidenten werden sie häufig sogar mit Frachtmaschinen an die Reiseorte geflogen. In den USA gibt es an dem großen Aufwand, der vor allem aus Sicherheitsgründen betrieben wird, so gut wie keine Kritik.

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