Migration:Faeser: Bereiten stationäre Grenzkontrollen vor

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An den Grenzen zu Polen und Tschechien soll es zusätzlich zur Schleierfahndung (hier eine Kontrolle in Brandenburg) auch stationäre Grenzkontrollen geben. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

"Wir müssen schauen, was das bringt", sagt die Innenministerin und will mit Polen und Tschechien verhandeln. Derweil fliegen zwischen Grünen und FDP mal wieder die Fetzen.

Von Markus Balser, Daniel Brössler und Constanze von Bullion, Berlin

Die Ampelkoalition führt einen heftigen Konflikt über den Stil der Debatte in der Migrationspolitik. Grünen-Chef Omid Nouripour warf der FDP am Montag vor, "die Untergrenze für Anstand" zu verletzen. Auch für eine Partei, die um das Erreichen der Fünf-Prozent-Hürde kämpfe, gebe es dafür keine Entschuldigung, sagte er in Berlin. Gemeint war FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, der die Grünen am Wochenende seinerseits frontal angegriffen hatte. Mit ihrem Migrationskurs seien sie ein "Sicherheitsrisiko für das Land", sagte Djir-Sarai.

Bei den Grünen löste die Bemerkung offensichtlich massiven Ärger aus. Manche Äußerungen der vergangenen Tage hätten nichts mehr mit einer demokratischen Auseinandersetzung zu tun, kritisierte Parteichef Nouripour. Sein 14 Jahre alter Sohn würde ein derartiges Verhalten "ehrenlos" nennen. Weil jetzt hochnervös auf die bevorstehenden Landtagswahlen in Bayern und Hessen geschaut werde, verlasse mancher den Boden für eine konstruktive Zusammenarbeit. "Ich kann alle nur einladen, dass sie das unterlassen und zurückkommen", sagte Nouripour.

Omid Nouripour, Bundesvorsitzender der Grünen. (Foto: IMAGO/M. Popow/IMAGO/Metodi Popow)

Mit Tschechien wurde bereits über Grenzkontrollen gesprochen

Die Positionen der Koalitionspartner liegen in zentralen Fragen weit auseinander. So hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Vorbereitung von Grenzkontrollen angekündigt. "Wir bereiten erst mal stationäre Grenzkontrollen mit vor. Es geht um zusätzliche Kontrollen", sagte Faeser am Dienstagmorgen im Deutschlandfunk. "Und wir müssen schauen, was das dann bringt." Für sie sei wichtig, "dass wir in der Fläche an der Grenze mit Personal vorhanden sind", weil das ansonsten zu einer Verdrängung führe und die Menschen dann an anderen Stellen über die Grenze kämen. "Wenn wir Schleuser erwischen, wird es viel bringen, weil wir im Moment das Gefühl haben, dass jeder Vierte oder Fünfte über Schleuser ins Land kommt."

Mit Tschechien und Polen will Faeser zügig über stationäre Grenzkontrollen verhandeln. Vor allem über die beiden Länder, aber auch auf anderen Routen kommen seit einigen Monaten wieder mehr Asylbewerber nach Deutschland. Zwischen Anfang Januar und Ende August haben mehr als 204 000 Menschen erstmals in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Viele von ihnen stammen aus Ländern wie Syrien oder Afghanistan, deren Staatsbürger in der Regel einen Schutzanspruch in der Europäischen Union geltend machen können.

Bereits am Wochenende habe es Gespräche mit der tschechischen Seite gegeben, mit der polnischen Seite stünden sie "in Kürze" bevor, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Montag in Berlin.

Die Grünen sehen Faesers Vorhaben skeptisch. Illegale Migration finde im Verborgenen statt und lasse sich mit stationären Grenzkontrollen kaum bremsen. "Sie binden wichtiges Personal der Bundespolizei, das dringend an anderen Orten im Land benötigt wird. Zudem haben sie erhebliche Auswirkungen auf den Lebensalltag der Menschen in Grenzregionen", sagte Fraktionschefin Britta Haßelmann der Süddeutschen Zeitung. Klar sei aber, dass die schwierige Lage in Kommunen "nach Antworten" verlange.

Aus den Ländern kam am Montag Unterstützung für die Pläne der Bundesinnenministerin, die Grenzen zu den östlichen Nachbarn stärker zu kontrollieren. Heute lebten fünf Mal so viele Geflüchtete in ihrem Bundesland wie 2015, sagte Niedersachsens SPD-Innenministerin Daniela Behrens. Ein solcher Zuwachs sei der Gesellschaft auf Dauer "nicht zuzumuten". Deutschland und die EU müssten die Einreisen stärker beschränken. Hier sehe sie aber auch osteuropäische Länder in der Pflicht. Sie müssten Verantwortung für dort eingereiste Asylbewerber übernehmen und dürften sie nicht einfach durchreisen lassen nach Deutschland.

Die Kritik zielt auf die polnische Regierung, gegen deren Beamte die polnische Staatsanwaltschaft ermittelt. Dabei geht es um den Verdacht, dass korrupte Mitarbeiter polnischer Konsulate in Asien und Afrika massenweise Visa für die EU verkauft haben sollen. Berichten zufolge soll so bis zu mehreren Hunderttausend Migranten rechtswidrig die Einreise in die EU ermöglicht worden sein, auch nach Deutschland. Bei einer SPD-Kundgebung in Nürnberg hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Wochenende angekündigt, über diese möglichen Unregelmäßigkeiten mit der polnischen Regierung sprechen zu wollen. "Ich möchte nicht, dass aus Polen einfach durchgewinkt wird und wir dann hinterher die Diskussion führen über unsere Asylpolitik", sagte er.

Die Reaktion auf Scholz' Bemerkung war scharf

Für Polens rechtskonservative Regierungspartei PiS kommt die Kritik denkbar ungelegen. Mitte Oktober wird in Polen gewählt. Außenminister Zbigniew Rau reagierte ungewöhnlich scharf auf die Bemerkung des deutschen Kanzlers. Sie deute "auf einen Versuch hin, sich in die inneren Angelegenheiten des polnischen Staates und den laufenden Wahlkampf in Polen einzumischen", schrieb er beim Kurznachrichtendienst X. Hierfür fehlten Scholz die "Kompetenzen", er verletze den Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten. In Berlin wies Regierungssprecher Steffen Hebestreit die Vorwürfe hörbar irritiert zurück. "Ich kann da keinerlei Einmischung in irgendeinen Wahlkampf sehen", sagte er.

Schlechte Nachrichten gab es am Montag auch von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die im Streit über die Finanzierung der Flüchtlingskosten vermitteln soll. Das Gremium sei "ohne Ergebnis auseinandergegangen und beendet" worden, hieß es aus Verhandlungskreisen. Damit gebe es auch kein Verhandlungspapier, auf dessen Grundlage der Bundeskanzler am 6. November mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder verhandeln könne. Von Länderseite war zu hören, die Bundesregierung wolle Länder und Kommunen im Jahr 2024 nur noch mit maximal 1,7 Milliarden Euro unterstützen. Das wäre weniger als die Hälfte im Vergleich zum laufenden Jahr und stoße "auf großes Unverständnis". Von Seiten der Bundesregierung hieß es, man rechne dennoch mit einer Einigung.

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