Panzerkrach im Kabinett:Der Frustrierte

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Laut mancher Koalitionspartner endet für ihn gerade ein Weltbild: Rolf Mützenich, der Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

In einem internen Schreiben hat sich SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich deutlich über einige Ampelkollegen beschwert. Der Kanzler mahnt, mit den Angriffen müsse nun Schluss sein.

Von Georg Ismar und Henrike Roßbach, Berlin

Rolf Mützenich ist ein höflicher, kontrollierter Mann, aber in diesen Tagen wirkt er angefasst. Die Attacken gegen ihn im Streit um die Kampfpanzerlieferungen haben Spuren hinterlassen. Der ins Persönliche abgeglittene Schlagabtausch zwischen ihm und der FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist allerdings auch für Kanzler Olaf Scholz (SPD) brenzlig. Denn die Verletzungen könnten noch zur Belastung für das Bündnis werden. Der anfängliche Ampelschwur, Streit und Differenzen intern zu klären, hat nicht gehalten. Und der Kanzler musste zusehen.

Mützenich schrieb vor mehr als 30 Jahren seine Promotion an der Universität Bremen über "Atomwaffenfreie Zonen und internationale Politik", hat immer an die Kraft der Diplomatie und Friedenspolitik geglaubt. Er hielt es lange Zeit für undenkbar, dass Deutschland einmal Kampfpanzer an die Ukraine liefern könnte, damit sie gegen Russland zum Einsatz kommen. Die Angriffe der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses Strack-Zimmermann und einiger Grünen-Politiker empfindet er als respektlos gegenüber ihm als Fraktionsvorsitzendem der größten Regierungspartei.

"Schnappatmung" versus "Sinnbild aller zentralen Verfehlungen"

Gleichzeitig aber heizte er die Debatte selbst mit Vorwürfen weiter an: Einige hätten "Schnappatmung", außerdem sagte er: "Dieselben, die heute Alleingänge mit schweren Kampfpanzern fordern, werden morgen nach Flugzeugen oder Truppen schreien."

In der FDP-Fraktion fanden sie vor allem diesen auf Strack-Zimmermann zielende Vorwurf der Quasi-Kriegstreiberei daneben. Dass diese darauf ebenfalls nicht gerade mitfühlend reagierte ("Rolf Mützenich ist das Sinnbild aller zentralen Verfehlungen deutscher Außenpolitik"), nahm ihr niemand übel.

Mützenich hat in einem internen Schreiben an die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion nun nach der Panzer-Entscheidung noch einmal und sehr generell seiner Verärgerung Ausdruck verliehen. Es entbehre nicht einer gewissen Komik, "wenn manche nun die Öffentlichkeit glauben machen wollen, ihre wüsten Beschimpfungen hätten zu diesem Erfolg beigetragen", schreibt er mit Blick auf die Kanzlerentscheidung und Strack-Zimmermann. "Das Gegenteil ist der Fall. Die ständigen Querschüsse haben mehr geschadet als genutzt und das eng abgestimmte Vorgehen gefährdet."

Weder bremse Deutschland noch sei es isoliert. "Statt lautstarkem Getöse wäre künftig vielleicht etwas mehr Demut und Zurückhaltung angebracht", mahnt Mützenich. Diplomatische Verhandlungen erfolgten vertraulich, "man führt sie nicht in den Medien oder unter Einbeziehung angeblicher Expertinnen und Experten, die sich so zahlreich in den Talkshows mit nicht immer gut gemeinten und durchdachten Ratschlägen zu Wort melden".

Der Fraktionsvorsitzende meint, das Verhalten würde Putin in die Hände spielen

Sie hätten nun einmal nicht den Stand und Gehalt notwendiger Verabredungen mit den Partnern gekannt - neben Deutschland und Polen, die Leopard-2-Panzer schicken wollen, hat US-Präsident Joe Biden der Ukraine 31 Abrams-Kampfpanzer zugesagt. Mützenich meint, das Verhalten würde nur Wladimir Putin in die Hände spielen. "Jeder Zwischenruf, der ja oft allein zur Selbstdarstellung geäußert wird, muss in Moskau falsch gedeutet werden."

Solche Verhandlungen dauerten manchmal lange, weil es in Zeiten von Krieg und Frieden nicht um die Schlagzeile gehen dürfe, sondern um Vertrauen, Ernsthaftigkeit und Relevanz. "Deshalb habe ich mich immer wieder den ungerechtfertigten, manchmal verletzenden Vorwürfen in den Weg gestellt." Noch in der Fraktionssitzung am Dienstag hätten letzte Details der Einigung abgestimmt werden müssen, "zumal die Zeitverschiebung (zu den USA) ihr Übriges tut".

Strack-Zimmermanns Büroleiter meint zum Mützenich-Brief via Twitter, er habe selten so viel Frust gelesen, aber für Mützenich ende halt gerade "auch ein Weltbild". Insgesamt aber wollen die Liberalen kein Öl mehr ins Feuer gießen. Am Donnerstag sagte Fraktionschef Christian Dürr der Süddeutschen Zeitung zu dem Streit: "Die Frage der Panzerlieferungen hat niemand in der Koalition auf die leichte Schulter genommen. Ich habe großes Verständnis dafür, dass dabei die Emotionen auch mal hochkochen, schließlich geht es darum, wie wir die Ukraine im Kampf gegen Putin bestmöglich unterstützen können."

Der Kanzler steht voll hinter Mützenich

Jetzt aber habe der Bundeskanzler eine Entscheidung getroffen, und "ich würde mir wünschen, dass wir einen Schlussstrich unter diese Debatte ziehen". Auch Strack-Zimmermann selbst gab sich zuletzt in der Regierungsbefragung des Kanzlers eher zahm und lobte dessen Entscheidung, der Ukraine Leopard-2-Panzer zu schicken.

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Der Kanzler wiederum steht voll hinter Mützenich, er ist eine Schlüsselfigur, wenn es darum geht, die SPD-Fraktion zusammenzuhalten und Mehrheiten in einer schwierigen Koalition zu schmieden. Aber Scholz ist auch darauf bedacht, seinen guten Draht zu Christian Lindner nicht zu gefährden. Den öffentlichen Appell an den FDP-Chef, seine Leute zur Mäßigung zu bringen, hat deshalb zuletzt SPD-Chef Lars Klingbeil übernommen.

Trotzdem hat Scholz nun, auf seine Art, seinen Unmut über die jüngsten Auseinandersetzungen kundgetan. "Vielleicht hat der heutige Tag ja auch dazu beigetragen, dass einige sich in der Zukunft etwas besinnen, was sie sagen", sagte er im ZDF. Die Agenda in anderen Hauptstädten für eine Entscheidung richte sich nicht danach, "wann jemand mal wieder im Fernsehen auftreten will". Er hoffe, dass das nun ein Ende finde.

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