USA:Wettlauf mit Abtreibungsverboten

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Gegen die Verschärfung der Abtreibungsgesetze gingen im Bundesstaat Texas Tausende Demonstranten auf die Straße. (Foto: Reginald Mathalone/imago)

Konservative US-Staaten überbieten sich mit strengen Gesetzen gegen Schwangerschaftsabbrüche. Die Republikaner hoffen damit bei ihren Wählern während der Midterms im November zu punkten.

Von Fabian Fellmann, Washington

Am weitesten geht Oklahoma. Der Staat mitten in den USA will Abtreibungen ganz verbieten. Ausnahmen sollen nur noch gelten, um das Leben der Mutter zu retten. Das Gesetz hat Gouverneur Kevin Stitt, ein Republikaner, vergangene Woche unterschrieben. Doch entfaltet es keine direkte Wirkung - noch nicht.

Bisher gilt in den USA ein verfassungsmäßiges Recht der Frauen auf eine Abtreibung bis etwa zur 24. Woche, erstmals festgehalten durch das Oberste Gericht im Jahr 1973. Dieses Recht geht bisher dem Verbot in Oklahoma vor. Der Supreme Court wird jedoch im Juni über ein teilweises Verbot entscheiden, das im konservativen Missouri erlassen wurde.

Supreme Court
:In den USA gerät das Recht auf Abtreibung in Gefahr

Bei einer Anhörung vor dem Supreme Court zeigen sich einige Richter offen für eine Änderung der jahrzehntelang gültigen Rechtsprechung. Das könnten konservativ regierte Bundesstaaten nutzen, um Schwangerschaftsabbrüche drastisch zu erschweren.

Vieles deutet darauf hin, dass die konservative Mehrheit der Richter bei dieser Gelegenheit das Recht auf eine Abtreibung abschwächen wird. Das würde den Bundesstaaten den Spielraum verschaffen, mehr eigene Regeln aufzustellen - und Abtreibungen ganz zu untersagen, wie es nun Oklahoma plant. Falls das Oberste Gericht eine Kursänderung beschließt, würde das Gesetz im August in Kraft treten.

In Erwartung neuer Abtreibungsregeln hat in den konservativen US-Staaten ein Wettlauf zu noch extremeren Verboten eingesetzt. Nach Missouri folgte im vergangenen Jahr der große Südstaat Texas. Er machte mit einer Bespitzelungsklausel legale Abtreibungen so schwierig, dass sie als faktisch verboten gelten: Privatleute können Anbieter von Abtreibungen nach der 6. Woche verklagen und erhalten bis zu 10 000 Dollar Prämie.

Die Republikaner haben ihr Wahlkampfthema gefunden

Der Wettlauf hat sich in den vergangenen Wochen beschleunigt, begünstigt durch die nahenden Zwischenwahlen im November. Die Republikaner mobilisieren mit dem Thema die konservative Wählerschaft. Im März zum Beispiel hat Idaho die Texas-Regel kopiert.

Der Cowboy-Staat Wyoming ging Mitte März viel weiter, indem er alle Abtreibungen verbot. Ausnahmen sind nur vorgesehen für schwangere Frauen, die Opfer von Vergewaltigung oder Inzest wurden oder deren physische Gesundheit durch die Schwangerschaft schwer bedroht ist; psychologische und emotionale Schäden wurden gezielt ausgeschlossen. Missouri prüft inzwischen eine Verschärfung, die es auch unter Strafe stellen würde, in einem anderen Staat eine Abtreibung vornehmen zu lassen.

Nicht alle Staaten gehen so weit. Ende März unterschrieb in Arizona Gouverneur Doug Ducey ein Gesetz, das den Abbruch einer Schwangerschaft nach der 15. Woche verbietet, sofern nicht die Gesundheit der Mutter bedroht ist. Die Frist für eine straflose Abtreibung würde damit ungefähr den geltenden Regelungen in Deutschland oder der Schweiz entsprechen.

Oregon will Abtreibungswilligen aus anderen Staaten helfen

Von den Demokraten dominierte Staaten reagieren mit einer Gegenbewegung, etwa die Nachbarstaaten Idahos. Oregon hat 15 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt für Abtreibungspatientinnen aus anderen Staaten. Der Bundesstaat Washington hat beschlossen, dass seine Behörden bei Prozessen wegen Abtreibungsverboten keine Amtshilfe leisten. In Kalifornien und Connecticut laufen Bestrebungen, das bisher auf Bundesebene geltende Recht auf Abtreibung nun auf staatlicher Ebene zu schützen. In Michigan hat Gouverneurin Gretchen Whitmer, eine Demokratin, direkt das Oberste Gericht des Bundesstaats eingeschaltet, um ein Leiturteil zu erwirken.

Rote und blaue Staaten driften nicht nur in der Abtreibungsfrage auseinander. Im roten Texas droht Eltern der Entzug des Sorgerechts, wenn sie ihren Kindern bei einer Geschlechtsumwandlung helfen. Kalifornien prüft nun, ob es die Umsetzung entsprechender Gerichtsentscheide verbieten will, um seine Einwohner vor dem Zugriff texanischer Behörden zu schützen. Solche Auseinandersetzungen unter den Bundesstaaten und mit der Bundesebene sind per se nichts Neues, sondern gehören zur politischen DNA des amerikanischen Föderalismus.

Doch sehen Fachleute eine Tendenz, weil rote und blaue Staaten bei einer ganzen Reihe von Themen in gegensätzliche Richtungen ziehen, vom Wahlrecht über das Waffentragen, die Gesundheitsversorgung und den Klimaschutz bis zur Schulbildung und Einwanderung. Einige gehen deswegen davon aus, dass nach einer Phase der stärkeren Nationalisierung der Politik das Pendel nun wieder in die andere Richtung ausschlagen könnte.

Der Supreme Court könnte den Staaten wieder mehr Freiheiten geben

Die Vertretung der Republikaner im Kongress scheint weiterhin stark genug zu sein, um neue nationale Regeln zu blockieren, zum Beispiel beim Wahlrecht. Gleichzeitig scheint die konservative Mehrheit am Supreme Court geneigt zu sein, den Staaten wieder mehr Spielraum zu gewähren. Dort aber hat die Polarisierung ebenfalls zugenommen - Wähler der Republikaner sind besonders während der Pandemie zunehmend in rote Staaten im Süden und im Landesinneren gezogen, Wähler der Demokraten hingegen in die blauen Staaten im Norden und an den Küsten.

Wie sich das auswirkt, verdeutlicht das Beispiel der Bespitzelungsklausel. Erfunden wurde sie im roten Texas, damit Private die Anbieter von Abtreibungen verklagen. Das blaue Kalifornien kopierte die Idee sofort - aber wandte sie auf die Hersteller und Verkäufer illegaler Pistolen und Gewehre an.

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