Prozess gegen R. Kelly:Absoluter Gehorsam

Lesezeit: 3 min

Auf dieser Gerichtszeichnung, die von einem Videomonitor eines Gerichtssaals in Brooklyn gemacht wurde, hört der Angeklagte R. Kelly (oben links) zu, wie Jerhonda Pace (unten links) aussagt. (Foto: Elizabeth Williams/dpa)

Bereits am ersten Verhandlungstag wird deutlich, wie der Strafprozess gegen Entertainer R. Kelly verlaufen dürfte. Und wie die Verteidigung Zweifel am mutmaßlichen Missbrauch Minderjähriger säen will.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Die erste Zeugin ist wichtig bei so einem Strafprozess, der die Welt bewegen, vielleicht sogar erschüttern dürfte. Ihre Aussage setzt den Ton, für die zwölf Geschworenen im Gerichtssaal, aber auch für die Öffentlichkeit, und wenn das, was Jerhonda Pace am Mittwoch vor Gericht im New Yorker Stadtteil Brooklyn gesagt hat, die Ouvertüre für die kommenden Wochen gewesen ist, dann wird es ein langer, ein schmutziger und nur schwer zu ertragender Prozess gegen Robert Sylvester Kelly, besser bekannt als R. Kelly. Die Anschuldigungen gegen ihn sind zahlreich und schwerwiegend, es geht nicht nur darum, dass er Frauen gefügig gemacht und gegen ihren Willen beim Sex gefilmt haben soll, sondern auch um den sexuellen Missbrauch Minderjähriger.

Pace war 16 Jahre alt, als sie den Entertainer im Jahr 2008 kennenlernte - damals lief gegen ihn ein Prozess wegen Kinderpornografie, er wurde freigesprochen. Sie sei ihm verfallen gewesen, das habe er schamlos ausgenutzt. Sie habe ihn "Daddy" nennen müssen, und was passierte, wenn sie es nicht tat, habe sie recht schnell erfahren: "Er hat mich geohrfeigt und so lange gewürgt, bis ich ohnmächtig wurde. Er hat mir ins Gesicht gespuckt und gesagt, ich solle meinen Kopf beschämt senken." Danach habe er sie gezwungen, sexuelle Handlungen an ihm zu vollführen.

Justiz
:Das System R. Kelly

Zu Beginn des Prozesses in New York stehen zahlreiche Vorwürfe gegen den R&B-Sänger wegen sexualisierter Gewalt auch gegenüber Minderjährigen im Raum.

Von Christian Zaschke

Das ist das Bild, das die Staatsanwaltschaft zeichnet, insgesamt wird es bei der Verhandlung um sechs Frauen gehen - darunter die mittlerweile verstorbene Sängerin Aaliyah, die Kelly geheiratet hatte, als sie gerade mal 15 Jahre alt gewesen ist. Der Titel ihres Debütalbums: "Age Ain't Nothing But A Number" - das Alter ist nichts als eine Zahl. Kelly produzierte dieses Album. "Es geht hier um ein Monster", sagte Staatsanwältin Maria Cruz Mendelez über Kelly, 54: "Er hat seine Prominenz, Popularität und sein Netzwerk missbraucht, um junge Menschen für sein sexuelles Vergnügen auszunutzen." Er habe jeden Trick aus dem Handbuch für Sexualstraftäter verwendet, Menschen wie Dinge behandelt und zum Beispiel von ihnen verlangt, dass sie Sex haben, wann und mit wem Kelly es wollte. Er habe "absoluten Gehorsam" verlangt.

Pace im Kreuzverhör

Die Verteidigung zeichnet ein komplett anderes Bild der Geschehnisse, auch dabei ist der erste Tag ein Hinweis darauf, wie außerordentlich kompliziert es werden dürfte, eine Verurteilung ohne Zweifel - das ist der Standard bei diesem Strafprozess - herbeizuführen. Beim Kreuzverhör sagte Pace, dass sie Kelly beim Kennenlernen gesagt habe, dass sie bereits 19 Jahre alt sei. Sie habe ihr Alter zwar vor dem ersten Geschlechtsverkehr verraten ("Er sagte mir, dass ich jedem sagen sollte, dass ich 19 sei - und mich wie 21 benehmen solle."), doch sind genau das die Zweifel, die die vier Verteidiger von Kelly säen wollen: Superfans, die so ziemlich alles tun, um an ihr Idol ranzukommen; die lügen und verführen. Groupies, die besessen sind vom Weltstar, und die sich dann rächen wollen, sollte es nicht klappen mit einer Beziehung.

Bei einer Verurteilung müsste Kelly für mindestens zehn Jahre ins Gefängnis, die Höchststrafe wäre für den Rest seines Lebens. Weil die Anschuldigungen derart schwerwiegend sind, wird es auch um Beziehungen gehen, die sehr lange zurückliegen. Die Vermählung mit Aaliyah im Jahr 1994 habe es nur gegeben, weil das Umfeld von Kelly geglaubt habe, dass sie schwanger sei - und Fragen nach dem Vater verheerend für Kelly gewesen wären. Man habe Beamte bestochen, um einen gefälschten Ausweis für die Sängerin zu bekommen, dann hätten sie in einem Hotelzimmer geheiratet. Die Verteidigung behauptet, dass Kelly wieder reingelegt worden sei. Immerhin hat sie, das hatte Kelly bislang immer bestritten, in einer Anhörung zugegeben, dass der Sänger Geschlechtsverkehr mit Aaliyah hatte, als sie noch minderjährig war.

Es wird ein langer Prozess werden, aber vielleicht muss es genau so sein. Die nächste Zeugin wird lediglich als "Zel" identifiziert. Sie hatte Kelly bei einem Konzert kennengelernt, im Hotelzimmer habe er sie überredet, mit ihm zu schlafen - nicht aus Liebe oder Lust; sondern, wie er ihr mitgeteilt habe, weil er sich erleichtern müsse. Er war damals 48 Jahre alt. Zel war 17.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungMord in Berlin
:Schluss mit dem Beschönigen

Die Gerichte in Deutschland sind viel zu lange viel zu milde mit den sogenannten "Ehrenmorden" umgegangen. Jedes noch so kleine Verständnis für die Täter ist fehl am Platz.

Kommentar von Ronen Steinke

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: