Extremer Wintereinbruch:Lockdown in Weiß

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Entlastung aus der Luft: Ein Hubschrauber bläst die Schneelast von den Bäumen. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Schneemassen legen am Wochenende weite Teile des Verkehrs im Landkreis lahm. Es gibt zahlreiche Unfälle auf den Straßen. Die Jachenau, Fall und Vorderriß sind bis Sonntagnachmittag abgeschnitten. S-Bahnen und Regionalzüge fahren auch am Abend noch nicht.

Von Konstantin Kaip und Claudia Koestler, Bad Tölz-Wolfratshausen

Der starke Schneefall von Freitag- bis Samstagabend hat im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen den Verkehr in weiten Teilen lahmgelegt. Die Jachenau und die Lenggrieser Ortsteile Vorderriß und Fall waren noch am Sonntag gänzlich vom Straßennetz abgeschnitten, um 16 Uhr meldete das Landratsamt, das die Jachenau wieder erreichbar sei. Mehr als 300 Mal musste die Feuerwehr allein bis Sonntagfrüh im Kreisgebiet ausrücken. Bäume und Äste hielten der Schneelast nicht stand und stürzten auf Straßen, Autos und Gebäude.

Auf den Straßen kam es am Freitag und am Samstag zu zahlreichen Unfällen. Der Zugverkehr fiel am Wochenende komplett aus, sowohl auf den Gleisen der Bayerischen Regionalbahn, als auch auf der S-Bahn-Strecke zwischen Wolfratshausen und München. Wegen der Straßenverhältnisse gab es auch keinen Schienenersatzverkehr. Zahlreiche Veranstaltungen mussten abgesagt oder eingeschränkt werden. Die Bürger wurden aufgefordert, nach Möglichkeit zu Hause zu bleiben.

Kaum sprang das Kalenderblatt auf Dezember, kam der Schnee in Unmengen über die Region. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Gemeinde Jachenau war bereits am Samstag seit 9 Uhr vom öffentlichen Verkehrs- und Wegenetz abgeschnitten. Zwar war laut Landratsamt die Stromversorgung in der Kommune gesichert. Die Zufahrt von Lenggries über die Staatsstraße 2072 ab Höhe Ahornau bis zur Ortschaft Jachenau jedoch war wegen Schneeblockaden und umgefallener Bäume nicht mehr passierbar. Zudem waren Teile des Mobilfunknetzes ausgefallen. Im Tagesverlauf wurden auch die Lenggrieser Gemeindeteile Fall und Vorderriß vom Verkehr abgeschnitten.

Zur Sicherheit der Bevölkerung wurde in der Jachenau ein Bergwacht-Fahrzeug mit Schneeketten für Krankentransporte bereitgestellt. Bereits am Samstag sei damit ein Patient in eine Klinik gebracht worden, berichtet Kreisfeuerwehr-Sprecher Stefan Kießkalt. Für die Versorgung im Ort sei zudem eine Ärztin abgestellt worden. Auch nach Fall wurden zur Sicherheit ein Rettungswagen und ein Löschfahrzeug verlegt.

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An den wichtigsten gesperrten Verbindungsstraßen, von Lenggries-Wegscheid, über die Jachenau bis nach Niedernach und an der Bundesstraße 13 über Vorderriß, Fall bis Wegscheid, war am Sonntagvormittag ein vom Landratsamt bestellter Hubschrauber im Einsatz: Mit dem Abwind seiner Rotorblätter befreite er zahlreiche Bäume von der Schneelast. Diese als "Downwash" bezeichnete Methode wurde bereits bei der Schneekatastrophe im Januar 2019 angewendet. Anders als damals sind die Schneemengen auf den Dächern der Gebäude diesmal laut Feuerwehr jedoch unproblematisch. "Beim Katastrophenfall im Jahr 2019 war die Last auf den Dächern mehr als doppelt so hoch", erklärt Kießkalt. In Benediktbeuern wurde die Schneelast auf der Turnhalle laut Landratsamt statisch geprüft - mit gleichem Ergebnis.

Sechzig Zentimeter Schnee waren schnell beisammen. (Foto: Manfred Neubauer)

Gegen 16 Uhr meldete das Landratsamt, dass die Jachenau wieder über die Staatsstraße von Lenggries aus befahrbar sei. Im südlichen Landkreis konnte die B 13 Lenggries ab Ortsteil Hohenwiesen bis Sylvenstein-Stausee zumindest für Rettungsdienste passierbar gemacht werden. Gesperrt bleiben weiterhin die Töl 7 von Fischbach bis Rothenrain und die Mautstraße von Vorderriß nach Wallgau.

Im Norden ist nur noch der Radweg Blumenstraße zwischen Geretsried und Wolfratshausen gesperrt, die Staatsstraße 2073 von Puppling nach Ascholding und die Kreisstraße Töl 22 von Gelting bis Unterhernhausen wurden am Sonntagnachmittag wieder freigeräumt. Die aktuelle Lage ist online unter lra-toelz.de abrufbar.

Vielerorts sind Äste und Bäume auf die Straße gestürzt (Foto: Kreisfeuerwehr / oh)

Nicht nur die Feuerwehr, auch die Winterdienste sind seit Freitagabend im Dauereinsatz. Gegen den anhaltenden Schneefall kamen sie am Samstag jedoch kaum an. Auf den Straßen kam es seit Freitagabend zu einer ganzen Reihe von Unfällen, bei denen mehrere Menschen verletzt wurden. In Wolfratshausen kollidierte am Samstag eine 90-jährige Autofahrerin auf der B 11 mit einem Linienbus, verletzt wurde niemand. Ein 48-Jähriger rammte mit seinem Wagen einen Schneepflug und musste gemeinsam mit seinem Beifahrer verletzt ins Krankenhaus gebracht werden. Verletzt wurden auch ein 69-jähriger Autofahrer und seine 13-jährige Tochter, die in einer Kurve von der glatten Fahrbahn abkamen und gegen eine Mauer stießen. Zudem gab es zahlreiche Kollisionen wegen umgestürzter Bäume, etwa in Egling, in Wackersberg oder in Lenggries. Auch die Garmischer Autobahn musste kurzzeitig für Aufräumarbeiten gesperrt werden.

Von einem Baum getroffen wurde auch ein Streifenwagen der Polizei, der am frühen Samstagmorgen zu einem Einsatz wegen Schneebruchs unterwegs war. Gegen 4.30 Uhr krachte zwischen Seeshaupt und Wolfratshausen ein Gehölz unmittelbar vor das Polizeiauto, beschädigte das Dach samt Blaulichtbalken und die rechte Seite des Fahrzeugs. Die Beamten kamen laut Pressemeldung mit einem Schrecken davon.

Der Schnee lastet nach wie vor schwer auf Büschen und Bäumen. Vorsicht auf Wegen ist daher geboten. (Foto: Hartmut Pöstges)

Völlig lahmgelegt ist nach wie vor der Zugverkehr. Die Bayerische Regionalbahn (BRB) gab bekannt, dass der Zugbetrieb in allen fünf Netzen der BRB (Chiemgau-Inntal, Berchtesgaden-Ruhpolding, Oberland, Ammersee-Altmühltal, Ostallgäu-Lechfeld) wegen Schäden an den Leitungen und blockierten Gleisen eingestellt ist. Auch am Sonntag war an eine Wiederaufnahme des Betriebs nicht zu denken. "Die Schneeräumarbeiten und Schadensbeseitigungen dauern an", hieß es in einer Meldung der BRB. Lediglich für das Netz Chiemgau - Inntal gebe es eine Prognose, dass dort der Betrieb zum späten Nachmittag wieder aufgenommen werden könne, eine verbindliche Aussage sei jedoch nicht möglich. Auch auf sämtlichen Außennetzen der S-Bahn München stand der Zugverkehr noch am Sonntag still. Lediglich auf der Münchner Stammstrecke gab es einen Pendelverkehr im 20-Minuten-Takt. Der Fahrgastverband Pro Bahn kritisierte die rasche vollständige Einstellung des S-Bahn-Betriebs als "ambitionslos". Zwar seien Einschränkungen bei Schneefällen wie am Freitag zu erwarten. Der öffentliche Nahverkehr dürfe aber "nicht nur ein Schönwetterbetrieb sein, sondern muss zuverlässig und immer zur Verfügung stehen", erklärte Verbandssprecher Andreas Barth.

Hier gibt es kein Durchkommen mehr. (Foto: Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen/oh)

Im Skigebiet Brauneck verhinderte der Schneefall den geplanten Saisonstart am Samstag hingegen nicht. Die Lifte liefen trotz des Wetters wie geplant. Aufgrund der Straßenverhältnisse konnten vor allem Einheimische die noch leeren Pisten mit perfektem Neuschnee nutzen, wie Antonia Asenstorfer, die Sprecherin der Alpen-Plus-Region, zu der auch Sudelfeld und Spitzingsee gehören, berichtete. Tagesgäste aus München seien eher ferngeblieben. Am Brauneck mussten wegen der Lawinengefahr Schneebretter gesprengt werden. Die Lawinenwarnzentrale des Bayerischen Landesamts für Umwelt meldete oberhalb von 1600 Metern erhebliche Lawinengefahr.

Der heftige Wintereinbruch legte am Samstag jedoch die "Eiszeit" lahm: Die beliebte Schlittschuhfläche an der Alten Floßlände in Wolfratshausen musste bereits einen Tag nach ihrer Eröffnung wegen der nicht mehr bewältigbaren Schneemengen gesperrt bleiben. Der Christkindlmarkt in der Altstadt konnte jedoch an beiden Tagen weiterhin stattfinden. Wie Marktmeister David Wehner berichtet, hat der Bauhof die Marktstraße in den Nächten auf Samstag und Sonntag geräumt, die Gehsteige wurden gesalzen. Probleme hätten nur die Zufahrtsstraßen bereitet, berichtet Wehner. Einheimische aber konnten den weißen Winterzauber in voller Pracht genießen.

Am Freitag eröffnet, am Samstag wegen Extremwetter geschlossen: die Eiszeit in Wolfratshausen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Doch auch bei Streifzügen durch die zauberhafte weiße Landschaft war am ganzen Wochenende Vorsicht geboten: Polizei und Feuerwehr riefen die Bürger dazu auf, bewaldete Gebiete und Wege unter Bäumen zu meiden. Die Stadt Geretsried erklärte am Samstag sogar per Allgemeinverfügung mehrere öffentliche Plätze zum Sperrgebiet, darunter den Stadtwald, den Waldfriedhof, die Radwege sowie die Spielplätze. "Das Betreten ist strengstens untersagt, es besteht teilweise Lebensgefahr", betonte Pressesprecher Thomas Loibl.

Der Schneefall immerhin hat in der Nacht zum Sonntag aufgehört. In einem strahlend blauen Himmel scheint die Sonne am Sonntag über den weißen Landkreis. Für ihre anhaltenden Aufräumarbeiten haben die Kräfte der Feuerwehr und die Beschäftigten des Winterdienstes beste Bedingungen. Die führen auch dazu, dass der Unterricht an den Schulen, anders als im Nachbarlandkreis Starnberg, am Montag wie gewohnt stattfindet. "Bei uns ist in der momentanen beherrschbaren Situation nicht gedacht, die Schulen zu schließen", erklärt Landrat Josef Niedermaier auf Nachfrage.

Zauberhafte Motive bietet der Schnee am Sonntag. Die üblichen Feldwege - hier nahe dem Lüßbach in Münsing - sind aber weiterhin nicht geräumt. (Foto: Felicitas Amler/oh)
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