Studie zur Corona-Pandemie:Knapp 10 000 Menschen sollen helfen, Long-Covid zu enträtseln

Lesezeit: 2 min

Einige Menschen, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben, leiden auch Wochen und Monate nach der akuten Erkrankung noch unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen. (Foto: Nila Thiel)

Wie viele Personen sich mit dem Coronavirus infiziert haben, dazu kann man ziemlich genaue Angaben machen. Doch wie geht es ihnen jetzt? Darüber soll nun eine neue Studie Aufschluss geben.

Von Claudia Koestler, Bad Tölz-Wolfratshausen

Knapp zehn Millionen Menschen haben sich bisher bundesweit mit dem Coronavirus infiziert, darunter auch mehr als 20 000 Einwohner des Landkreises. Ungeklärt ist jedoch, wie viele von ihnen auch Wochen und Monate nach der akuten Erkrankung noch unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen leiden. Eine Tölzer Studie soll nun national und international Licht in dieses Dunkel bringen und klären, wie es Betroffenen nach der Infektion wirklich geht und welche Symptome eventuell geblieben sind.

Dazu kooperieren das Tölzer Gesundheitsamt und der ärztliche Koordinator im Landkreis, Jörg Lohse, mit dem Institut für Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung im Klinikum rechts der Isar. Circa 9200 Bürgerinnen und Bürger aus dem Landkreis, die über 18 Jahre alt sind, werden in der kommenden Woche deshalb Post bekommen. In einem fünfseitigen Fragebogen, der ausgefüllt in einem mitgelieferten, vorfrankierten Umschlag komplett anonymisiert wieder zurückgesendet werden kann, sollen sie ihre Erfahrungen mit der Infektion darlegen. Die Details und Zielsetzungen der ersten Studie dieser Art stellten Landrat Josef Niedermaier (FW), Jörg Lohse, Gesundheitsamtsleiter Stephan Gebrande sowie Studienleiter Professor Antonius Schneider am Dienstag in einer Pressekonferenz vor.

"Sie ist eine absolute Tölzer Geburt", sagte Lohse eingangs über die Studie. Er habe im vergangenen Jahr in seiner Praxis gemerkt, dass einige Patienten stark gezeichnet waren nach Corona-Infektionen, andere wiederum hätten es locker weggesteckt. "Für mich kamen deshalb immer mehr Fragezeichen im Kopf", sagte Lohse. Zugleich habe er festgestellt, "das Befinden meiner Patienten ist deutlich besser als die statistischen Befunde, das hat für mich nicht zusammengepasst". So sei im August in ihm die Idee gereift: "Wollen wir nicht mal unsere Patienten fragen, wie es denen jetzt geht?" Die Antwort von Landrat und Gesundheitsamt: "Ja, mach' ma halt a amoi." Aus diesem "rustikalen Ansatz" heraus hat Lohse schließlich einen wissenschaftlichen Begleiter gesucht und ihn in Schneider - einem gebürtigen Tölzer - gefunden.

"Wir wissen ja nur etwas von jenen Patienten, die in die Praxis kommen. Aber wie geht es denen, die nicht zum Arzt gegangen sind?", beschrieb Schneider die Kernfrage. Schätzungen zufolge litten zwischen zehn bis 15 Prozent an sogenannten Long-Covid-Symptomen, also beispielsweise an Schwächegefühlen, Luftnot bei Anstrengungen oder Konzentrationsstörungen. Diesen Schätzungen soll nun die Studie, zu der auch die Ethikkommission bereits ihre Zustimmung gegeben hat, wissenschaftlich fundiert erhobene Zahlen gegenüberstellen. Zudem soll auch herausgefunden werden, wie es den Betroffenen seelisch geht. "Wir erhoffen uns konkret Aufschluss darüber, welcher prozentuale Anteil der Mitbürger längerfristig an Beschwerden leiden nach dem Corona-Infekt. Gibt es psychosomatische Probleme, wie kommen die Leute klar?", fasste Schneider zusammen. Es gebe zwar mehrere bevölkerungsbasierte Studien, aber was ihnen fehle, seien psychometrische Fragebögen oder Skalen zu Fatigue und Luftnot. "Meines Wissens nach hat das bisher noch niemand erfasst", sagte Schneider.

Angeschrieben werden Bürgerinnen und Bürger im Landkreis, die bis zum Stichtag 30. November 2021 einen Corona-Infekt hatten. "Wir erhoffen uns klare Aussagen über die Beschwerdebilder, mit der Hoffnung, dass wir dann auch Programme entwickeln können, um den Betroffenen helfen zu können", so Schneider, etwa mit Coachingprogrammen oder Selbsthilfegruppen. Für Gebrande ist zudem spannend, ob auch Maßnahmen wie Lockdown oder andere Beschränkungen ursächlich für Müdigkeit, Konzentrationsschwäche oder Depressionen sein könnten.

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Die Studie steht und fällt allerdings mit der Anzahl der Rückmeldungen, bei denen Gebrande die komplette Anonymität zusicherte. Auch Skeptiker seien gebeten, mitzumachen: Jede Antwort helfe, die Studie repräsentativ zu machen. Bis Ende März sollten die Fragebögen einlaufen, die dann von wissenschaftlichen Hilfskräften und Doktoranden ausgewertet und anschließend national wie auch international publiziert werden. Die Analyse soll bis Ende Mai fertig sein.

Finanziell hält sich das Projekt laut Niedermaier übrigens im Rahmen: Es seien lediglich Druck- und Versandkosten entstanden, die Daten würden von den Wissenschaftlern im Rahmen ihrer Arbeit ausgewertet.

© SZ vom 02.02.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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