Listerien-Skandal:Landtag streitet über Großmetzgerei Sieber

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Bakterien auf der Wurst: Hätten die Behörden das nicht früher mitbekommen müssen? Die Frage setzte die SPD im Landtag auf die Tagesordnung. (Foto: Claus Schunk)

Die Opposition wirft der Staatsregierung Versäumnisse und Falschinformation vor. Das System der Eigenkontrolle der Betriebe funktioniere nicht.

Von Lisa Schnell, München/Geretsried

Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) sitzt lächelnd auf der Regierungsbank, klopft ihre Unterlagen zu recht, streicht hier etwas an, schüttelt da einem Kollegen die Hand. Kaum hebt sie den Blick zum Rednerpult. Dabei geht es dort am Dienstag im Landtag vor allem um sie und ihr Ministerium. Genauer gesagt: Um die größte bekannte Erkrankungswelle durch Listerien in Deutschland, fast 80 Kranke und acht Tote, deren Fehler es womöglich nach Angaben der Behörden war, Wurst und Wammerl der Metzgerei Sieber in Geretsried zu kaufen. Und um die Frage: Hätten die Behörden nicht schon früher etwas mitbekommen müssen? Und: Was muss sich ändern?

Die Fragen hat die SPD auf die Tagesordnung einer aktuellen Stunde gesetzt. Florian von Brunn (SPD) etwa interessiert, warum die Behörden bei Sieber seit Jahren nichts gefunden hätten, obwohl es dort doch seit 2013 Auffälligkeiten gegeben habe. Auch die Vorkommnisse nach März 2016, als die tödlichen Bakterien auf einem Walcholderwammerl gefunden wurden, sind Brunn nicht einsichtig. Wie sich herausstellte, hatte Sieber schon bei Eigenkontrollen Listerien entdeckt. Noch Ende Oktober 2016 aber habe ein Vertreter des Umweltministeriums im Ausschuss das Gegenteil behauptet, so Brunn. Für ihn gibt es nur zwei mögliche Erklärungen: "Entweder die Behörden haben es versäumt, sich nach dem Zufallstreffer die Eigenkontrollen anzusehen, oder das Staatsministerium hat den Landtag und die Öffentlichkeit falsch informiert." Auch eine stille Beteiligung des Freistaats an der Großmetzgerei sei dem Landtag vorenthalten worden.

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Der Staat schaffe es nicht, die Menschen in Bayern wirksam zu schützen, lautet Brunns Fazit. Als es beim G7-Gipfel in Elmau um das Image Bayerns ging, habe es die Kapazitäten gegeben, alle Gastronomien dort zu überprüfen. Wenn es aber um den einfachen Verbraucher gehe, noch dazu den mit kleinem Geldbeutel wie im Fall Sieber, dann sei ein früheres Handeln der Behörden auf einmal undenkbar.

Große Versäumnisse sieht die Opposition auch beim System der Eigenkontrolle. Nach EU-Recht sind die Unternehmen selbst für die Kontrolle ihrer Betriebe zuständig. Einen Verstoß müssen sie den Behörden melden. Im Fall Sieber soll dies nicht geschehen sein. Damit Selbstkontrollen etwas bringen, müssten die Labore direkt an die Behörden berichten, fordern Freie Wähler und Grüne. Schon jetzt seien Labormitarbeiter verpflichtet, einen Verstoß zu melden, so Horst Arnold (SPD). Die Labore müssten die Härte des Gesetzes aber auch zu spüren bekommen.

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Man behalte es sich vor, gegen die Labore weitere Maßnahmen einzuleiten, sagt Umweltministerin Scharf. In ihren Augen habe nur einer gegen seine Pflicht verstoßen, die Großmetzgerei Sieber. "Die Behörden haben einwandfrei gearbeitet." Sie hätten nach dem erschreckenden Fund 2016 reagieren müssen und das auch getan, schnell und kompetent. Man habe bayernweit gewarnt, Chargen zurückgerufen - alles nach Plan und zum Schutz der Verbraucher. In Zukunft werde zudem eine zentrale Kontrollbehörde komplexe Unternehmen wie etwa Sieber oder auch Bayern-Ei überwachen. Diese Fakten solle die Opposition anerkennen, auch sie schulde den Menschen ein Mindestmaß an Ehrlichkeit, sagt Scharf. Die Opposition nimmt den Ball auf und schießt zurück: Zur Ehrlichkeit gehöre auch, dass es ohne den Druck der Opposition gar kein neues Kontrollsystem gegeben hätte, so Brunn.

© SZ vom 31.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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