Neue Wege im Tourismus:Wie eine junge Gastronomin Berlin-Friedrichshain an den Walchensee bringt

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In der Wallerei am Walchensee will Lilian Günzel mit ihrem jungen Team den Gästen ein besonderes Gemeinschaftsgefühl vermitteln. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Lilian Günzel hat den Schwaigerhof am Walchensee zum Hotel und Restaurant Wallerei gemacht. Meal-Sharing trifft dort auf 70er-Jahre-Blümchenkacheln und -Kachelofen.

Von Benjamin Engel, Kochel am See

Direkt an der Natur können sich die Gäste auf der Seeterrasse aufhalten. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Von Berlin zu lernen, können sich manch bayerische Traditionalisten wohl nur schwer vorstellen. Und doch hat sich Lilian Günzel für ihr neues Hotel und Restaurant am Walchensee von Deutschlands größter Millionenmetropole inspirieren lassen. Dort hat die 28-jährige Betriebswirtschaftlerin im Michelberger Hotel im Bezirk Friedrichshain gearbeitet, ehe es sie wieder nach Walchensee zog, wo sie aufgewachsen ist. Schon im Vorjahr legte Günzel mit dem Pop-up-Biergarten Wallerei im früheren Schwaigerhof an der Seestraße los. Inzwischen haben die junge Frau und ihr überwiegend weiblich geprägtes Team ein wenig Großstadtflair in das leicht angestaubte Haus gebracht, ohne den bislang dominierenden 70er-Jahre-Charme gänzlich auszutreiben.

Wie der Gast sich das vorstellen kann, wenn die Wallerei nun seit dem 28. April geöffnet hat? In den insgesamt zehn Zimmern - drei davon im Erd- und sieben im ersten Obergeschoss - sind etwa die alten Bettrahmen aus dunklem Massivholz mit eingravierten Schmuck-Rosetten an den beiden Seit-Enden samt farbgleicher holzgetäfelter Wand an der Kopfenden-Seite integriert geblieben. Raus kamen dafür die alten Fenster und die hüfthohe Außenwand zu den Balkonen; sie wurden durch bodentief gezogene Fenster ersetzt. So soll laut Günzel mehr Licht in die Räume kommen.

Alte Holzelemente und neue Designdetails erzeugen in den Zimmern eine spannende Mischung. (Foto: Johanna Lohr/oh)
Blümchenkachel trifft modernes Lichtdesign im Badezimmer. (Foto: Benjamin Engel/oh)

Der Kontrast: grauer, unverputzter Betonboden und dazu maßangefertigte, an die Wand montierte Ablagen zu beiden Bettseiten von einem Unternehmen aus der Region. Dieselbe Kombination aus verspielten und schnörkellosen Designelementen in den Bädern: schlicht-moderne Waschbecken, Toiletten und Duschköpfe in den Badewannen, und dies vor Kachelwänden mit beige- oder grünfarbenem Blümchendekor. "Es soll einfach und schlicht sein, aber so, dass der Gast zum Übernachten in hochwertigen Betten und Matratzen gut schlafen kann", sagt Günzel. Mit der alten Substanz am Standort des historischen Guts Schwaige - daher der frühere Pensionsname - zu arbeiten, sei schön. "Das macht das Haus aus."

Die alte Stube mit Möbeln aus der früheren Zimmereinrichtung des Schwaigerhofs sowie dem grundsanierten Kachelofen. (Foto: Johanna Lohr/oh)
Naturtöne im Café-Bereich. (Foto: Benjamin Engel/oh)
Der Übergang vom Café zur alten Stube. (Foto: Johanna Lohr/oh)

Ablenken kann davon zumindest nicht der Fernseher. Die Zimmer sind ohne Empfangsgeräte, verfügen aber über Wlan. Günzel wäre es sowieso am liebsten, wenn sich die Gäste der Wallerei möglichst wenig in der Privatsphäre des eigenen Zimmers verkriechen. Dann geht sie schnell hinunter zum Herzstück des Hotel- und Restaurantbetriebs: in die Gemeinschaftsräume im Erdgeschoss. Dort herrscht ebenso der bekannte Mix aus Alt und Neu: der unter dem früheren Teppichboden freigelegte Fischgrätenparkett, der der grundsanierte und funktionstüchtig wieder aufgebaute, grüne Kachelofen in der alten Stube, der von Günzel eigenhändig grün gekachelten, mit dem hellbeigen Fliesenboden kontrastierende Tresen im Café-Bereich. Ebenso sind beispielsweise die alten Eckbänke in beiden Räumen drin geblieben. Oben an der Decke hängen minimalistische Designleuchten. "Wichtig ist uns, dass die Gäste ein Gemeinschaftsgefühl erleben", so die Jung-Hotelière.

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Dafür soll auch die Slow-Food-Küche im Abendrestaurant stehen, das die Gäste mit Geschmackskombinationen, die für das Oberland überraschend sind, ins Haus locken soll. Dafür arbeitet das Team eng mit den Lieferanten zusammen - vom Fischer bis zum Bäcker. "Wir wollen viel Früchte und Gemüse fermentieren, einwecken und so auch für die Winterküche verwendbar machen", sagt Günzel. Für die Gerichte sollten frischer Fisch aus dem See, Wild, Fleisch, vor allem aber Gemüse verarbeitet werden. Auch vegetarische und vegane Gerichte werden auf der Speisekarte zu finden sein, genauso wie Naturweine auf der Getränkekarte.

Das gastronomische Prinzip dahinter: Im Restaurant der Wallerei sollen ausgewählte Gerichte aus feinen regionalen Zutaten zum Teilen angeboten werden. "Jedes Produkt auf dem Teller soll eine eigene Geschichte erzählen", so Günzel. Die Kartoffel habe etwa mehr zu bieten, als nur zu Salat verarbeitet, in Wasser gekocht oder in Butter gebraten zu werden. Das Restaurant-Team dahinter: ein Koch aus dem Münchner Broeding, eine argentinische Köchin mit mehrjähriger Gastronomieerfahrung im schwedischen Stockholm, eine Restaurantleiterin aus Berlin, die Günzel über ihre Hotel- und Rezeptionsleiterin, mit der sie im Michelberger Hotel tätig war, kennengelernt hat. Dazu noch Studenten und junge Leute auf Work-and-Travel-Tour. Ein internationales Team also, das etwa ein Dutzend Mitarbeitende umfasst. Der Großteil von ihnen wohne direkt im Hotelkomplex, erzählt Günzel.

Das Abendrestaurant soll zwischen Mittwoch und Sonntag immer von 18 bis 22 Uhr geöffnet sein, das Frühstück soll zwischen 8 und 11 Uhr auch für Außer-Haus-Gäste angeboten werden. Zum Muntermachen gibt es den Kaffee aus einer gebraucht gekauften Maschine eines Qualitätsherstellers. "Da gibt es richtig guten Kaffee", sagt Günzel und klingt so begeistert, dass sie damit direkt zum Probieren animiert. Einen Raum weiter befindet sich die Gästelounge in warmen Erdtönen mit Billardtisch, Sesseln, gemütlicher Couch - nur noch der Kamin fehlte kurz vor der Eröffnung - und bodentiefen Fenstern. "Wir wollen die Natur ins Haus holen", beschreibt Günzel die damit verbundene, zentrale Gestaltungsidee. Die steckt aber auch in den gemeinsam mit einer regionalen Apotheke hergestellten, naturbasierten, biologischen Seifen, Shampoos und Lotionen für die Übernachtungsgäste.

Die neu gestaltete Lounge für Wallerei-Übernachtungsgäste. (Foto: Benjamin Engel/oh)

Noch näher an der freien Natur sind die Gäste im Biergarten. Auf der Karte stehen dort auch Klassiker wie Currywurst oder Kas-Spatzn. Das Bier kommt vom Brauhaus Tegernsee und der Miesbacher Weißbierbrauerei Hopf. Für Hausgäste steht zudem die Seeterrasse direkt am Ufer offen. Günzel selbst ist touristisch familiär vorgeprägt. Ihre Eltern betreiben die Seehof-Apartments direkt nebenan. Von Berlin an den Walchensee zurück zog es die junge Frau, nachdem sie im Sommer 2020 während der Pandemie mehr Zeit in der Heimat verbracht hatte. Schließlich pachtete sie den länger leer stehenden Schwaigerhof. An der Verwandlung des Hauses in die Wallerei haben auch Freunde und Bekannte mitgeholfen, indem sie etwa Kacheln übermalten oder Wände strichen. Wenn sich etwas von diesem Gemeinschaftsgeist auf die Gäste übertragen würde, wäre das ganz in Günzels Sinne. "Uns ist ein Miteinander mit den Leuten vor Ort sehr wichtig."

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Die 28-jährige Lilian Günzel hat im früheren Schwaigerhof am Westufer die Wallerei eröffnet. Auf den Pop-up-Biergarten sollen kommendes Jahr ein neues Hotel und ein Restaurant folgen.

Von Benjamin Engel

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