Wintersport im Isarwinkel:Auf zwei Brettern durch ein Jahrhundert

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Skisport in früherer Zeit war oft eine große Gaudi. (Foto: Skiclub Bad Tölz /oh)

Der Tölzer Skiclub existiert seit 1923. Heute hat der Verein um die 400 Mitglieder, darunter viele Kinder und Jugendliche. Für den Vorsitzenden ist das Gemeinschafts- und Naturerlebnis prägend.

Von Benjamin Engel, Bad Tölz

Kaum etwas dürfte von moderner, bunter Funktionskleidung am Berg weiter entfernt sein als zu Hemd, Krawatte, Pullover und Schiebermütze kombinierte Knickerbockerhosen. Wie genau damit Sportpioniere vor etwa einem Jahrhundert im Isarwinkel eine Art frühes Markenbranding setzten, erscheint mittlerweile kaum vorstellbar.

Nicht nur fesch, sondern im Wettkampfoutfit (v.li.): Hartl Krinner, Xaver Demmel, Michl Krinner, Toni Fichtner, Max Wild und Johann Baptist Edtmayer (Foto: Skiclub Bad Tölz/oh)

Was heute etwas altmodisch-unpraktisch erscheint, war für Hartl Krinner, Xaver Demmel, Michl Krinner, Toni Fichtner, Max Wild und Johann Baptist Edtmayer das übliche Wettkampfoutfit. Zugleich repräsentierten die Männer im Einheitslook mit aufgenähtem Vereinsemblem den am 15. Januar 1923 gegründeten Tölzer Skiclub nach außen. Das zeigt eine historische Schwarz-Weiß-Fotografie von dessen damals führenden Alpinsportlern.

Der Vorsitzende spricht von der Skiclubfamilie im Verein

Symbolisch könnte das für das Gemeinschaftsgefühl stehen, das den Skiclub bis heute laut Ingo Mehner prägt. Der Vereinsvorsitzende und Tölzer Bürgermeister verwendet dafür den Begriff der "Skiclubfamilie". Im Verein sei jeder für den anderen da, so Mehner. "Viele Dutzend Menschen hängen sich für den Skisport rein." Nur so ist es für ihn überhaupt möglich, als Bürgermeister noch Vereinsvorsitzender bleiben zu können.

Ingo Mehner ist nicht nur Bürgermeister von Bad Tölz, sondern auch Vorsitzender des Skiclubs. (Foto: Hartmut Pöstges)

Etwa 400 Mitglieder sind heute in den vier Sparten Alpin, Nordisch, Biathlon und Freestyle organisiert. Hätten in den Gründerjahren noch erwachsene Männer den Verein bestimmt, sei mittlerweile der Nachwuchs prägend, so Mehner. "Wir haben heute immer so um die hundert Kinder und Jugendliche."

Ein Seilrennen in Hochfügen zum Saisonabschluss 1967. Am Seil von links nach rechts: Hans Krinner (genannt Schnecki), Sepp Schwärzler und Christl Krinner (verheiratete Schwärzler). (Foto: Skiclub Bad Tölz /oh)

Um sie im Verein zu halten, braucht es ein engagiertes Trainer- und Betreuerteam. Dafür stellvertretend dürfte wohl Sophie Mayr stehen. Der Deutsche Skiverband (DSV) zeichnete die Endzwanzigerin aus Ellbach 2019 als Trainerin des Jahres aus. Für die Organisation ist die junge Frau seit Anfang 2023 als Jugendsekretärin tätig.

Die Tölzer Hütte am Brauneck ist der Identifikationsfaktor des Skiclubs

1935 war eines der entscheidenden Entwicklungsjahre in der Historie des Skiclubs. Erst verschüttete eine Lawine in einer Februarnacht die am Kampen nahe dem Hirschbachsattel gepachtete Bernauhütte. Alle dort anwesenden acht Vereinsmitglieder konnten sich zwar noch aus dem völlig zerstörten Gebäude befreien. Zwei starben jedoch auf dem Weg ins Tal. Im selben Jahr konnte der Skiclub ein Grundstück am Brauneck kaufen und errichtete darauf die Tölzer Hütte. Das "Herzstück" des Skiclubs, wie Mehner sagt.

Die Tölzer Hütte auf dem Brauneck gilt als "Herzstück" des Clubs. (Foto: Manfred Neubauer)

Eingeweiht hat der Verein den zentralen Stützpunkt im Oktober 1935. Damals gab es noch keine Bergbahn auf den Lenggrieser Hausberg. Die entstand erst 1957. Auf die Gipfel mussten die Vereinsmitglieder also lange Jahrzehnte zu Fuß mit Fellen unter den Skiern aufsteigen, was den Bogen in die Gegenwart schlägt, in der das Tourengehen und der Aufstieg ohne Liftnutzung als Trendsport zurückgekehrt ist.

Ein Tölzer in Kanada: Franz Mächler springt auf der Banffer Schanze. (Foto: Skiclub Bad Tölz /oh)

Aufgeschwungen haben sich die Mitglieder des Tölzer Skiclubs auch in die Luft. Für das Skispringen existierten anfangs nur kaum ausgebaute Naturschanzen an der Bocksleite sowie am Sauersberg. Darauf ließ sich höchstens um die 20 Meter weit hüpfen. Bis zu 50 Meter durch die Luft zu fliegen, das erlaubte erst die 1949 am Studentenhügel neu errichtete Sprungschanze.

Zur Eröffnung der Sprungschanze am Studentenhügel kamen tausende Zuschauer

Zum Premierenwettbewerb sollen etwa 5000 Zuschauer gekommen sein. Wer Vereinsmeister in der Kombination werden wollte, musste im Abfahrts-, Tor- wie Langlauf und auf der Schanze punkten - und das zudem mit nur einem Skimodell. Nach nur 15 Jahren hatte es sich jedoch am Studentenhügel ausgesprungen. Der Verein baute die verschleißanfällige Schanze 1964 ab. Damit war diese Disziplin im Skiclub Geschichte. All das inklusive zahlreicher Anekdoten und Fotos haben Sepp Pallauf und Johannes Eder für die Chronik zum hundertjährigen Bestehen recherchiert und aufgeschrieben.

Großer Andrang am Übungshang am Kogel in Bad Tölz. (Foto: Skiclub Bad Tölz /oh)

Den Verein nur auf den alpinen Wintersport allein reduzieren zu wollen, wäre aber zu kurz gegriffen. "Wir sind ein Ganzjahresverein", sagt der Vorsitzende Mehner. Während des Sommers gehe es mit den Mitgliedern aufs Mountainbike, Rennrad, zum Wasserski oder zum Boulder-Klettern ohne Seil und Gurt. Beispielsweise organisiere der Skiclub auch den Blomberglauf. So trainierten die Skisportler in der warmen Jahreszeit Koordination und Geschicklichkeit, sagt Mehner. Womöglich machen gerade die abwechslungsreichen Aktivitäten den Skiclub beim Nachwuchs so beliebt.

Einer der jungen Hoffnungsträger des Vereins: Biathlet Leonhard Pfund. (Foto: Privat/oh)

Dass gerade das Skifahren mittlerweile zu den kostenintensiveren Sportarten zählt, weil Eltern zusätzlich zu Liftkarten für ihre Kinder regelmäßig neue Ausrüstung brauchen, ist dem Vorsitzenden sehr bewusst. "Das Kostenargument ist sicher ein wichtiges Thema", sagt Mehner. In der Gruppe reduzierten sich aber die Anreisekosten. Zudem unterstützten viele Sponsoren den Skiclub, finanzierten etwa Teambekleidung.

Heute geht nichts mehr ohne Funktionskleidung im Sport. Früher wurden selbst Rennen ohne Handschuhe gefahren. (Foto: Skiclub Bad Tölz /oh)

Landrat Josef Niedermaier ist Clubmitglied

Zu den Clubmitgliedern zählen etwa Landrat Josef Niedermaier, der Anfang der 1980er-Jahre als Biathlet im DSV-Nachwuchskader aktiv war. Unter den aktuell erfolgreichen Nachwuchstalenten sind der 20-jährige Biathlet Leonhard Pfund, die Alpinskifahrerin Emily Wörle oder Freestylerin Katharina Michl, die auf der Buckelpiste ihr Terrain findet.

Freestylerin Katharina Michl. (Foto: 2023 Snow Australia Interschools/oh)

"Herausragende Sportler sind wichtige Aushängeschilder für den Verein", sagt Mehner. Abseits der Wettkämpfe prägend sind für ihn aber vor allem das Gemeinschafts- und Naturerlebnis. Wer bei jedem Wetter draußen sei, Tiere und Pflanzen am Berg sehe, entwickele ein intensiveres Naturverhältnis. "Das tut der Entwicklung eines Kindes in jeder Hinsicht gut", sagt Mehner.

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